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„wir helfen“Ein Erbe für Kölner Jugendliche

Lesezeit 4 Minuten

In den Jugendwerkstätten des Vereins lernen die Jugendlichen praktisch und holen nebenbei ihren Schulabschluss nach.

Köln – Bloß nicht fallen lassen. Unter gar keinen Umständen das Tablett fallen lassen. Die Jugendlichen aus dem Jugendhilfe-Projekt „Sprungbrett“, die auf dem Hof des Vereins an der Christianstraße in Ehrenfeld unter anderem erste Erfahrungen in der Gastronomie-Branche sammeln können, indem sie dort ein Café betreiben, waren extrem nervös. Aber sie ließen es sich nicht anmerken.

Wieder und wieder hatten sie schließlich das Servieren der vielen Sektgläser über Bordsteinkanten und Asphalt geübt, verriet Personalleiterin Nicole Neises-Weiler später. Aus lauter Angst, ihr selbst gemischtes alkoholfreies Hugo-Getränk könnte auf der Straße landen, wo etwa 100 Meter entfernt die Gedenktafel anlässlich einer ganz und gar nicht alltäglichen Spende enthüllt wurde.

75 Jugendeinrichtungen in festen Häusern gibt es in Köln. Dazu gehören Jugendzentren, Offene Türen oder Bürgerzentren. Die Stadt hat 21 Häuser in eine Gesellschaft ausgegliedert, die „Jugendzentren Köln GmbH“, die sie zusammen mit dem freien Träger „Jugendhilfe Köln e. V.“ betreibt. Die anderen Zentren werden von Vereinen oder kirchlichen Trägern betrieben. Für sie gibt die Stadt 5,9 Millionen Euro aus.

1,7 Millionen kommen vom Land. Außerdem teilen sich 26 Jugendprojekte 740000 Euro aus dem städtischen Haushalt pro Jahr. (fra)

„Schaut nicht auf die Gläser, sondern am besten nur auf meinen Hinterkopf“, empfahl die stellvertretende Geschäftsführerin des Vereins den Teilnehmern. Nichts sollte schiefgehen bei so wichtigem Besuch – und nichts ging schief: Jugendliche und Hauptamtler bedankten sich unfallfrei mit Getränken und selbst gemachten Häppchen bei einer sehr großzügigen Stifterin: die Kölnerin Ute Zunn hat den Großteil ihres elterlichen Erbes der „Kölner Stadt-Anzeiger“-Aktion „wir helfen“ vermacht. Mit den Einnahmen aus dem Verkauf des Familienbetriebs sowie ihre Elternhauses in Leverkusen-Pattscheid kann nun ein ganz neues Projekt der Jugendhilfe Köln e. V. für mindestens zehn Jahre abgesichert werden.

Bildungsarmut bekämpfen

Nach dem Tod ihrer Eltern Eugen und Erna Bruch wollte sie ihr gemeinsames Vermächtnis in die Tat umsetzen und junge Menschen in ihrer Ausbildung und beim Einstieg in den Beruf fördern. Gleichzeitig sollte an ihren Großvater Friedrich Bruch erinnert werden, der den Grundstock für das Familienunternehmen gelegt hatte. Der Malermeister hatte um 1900 den Betrieb als Malergeschäft gegründet, den Sohn Eugen Mitte der 1960er Jahre als Fahrzeuglackiererei weiterführte. „Beiden war es immer wichtig, ihr Wissen und ihre Erfahrung an jüngere Menschen weiterzugeben.“ Auch Ute Zunn engagiert sich ehrenamtlich im Bereich schulische Bildung und sieht einen Bildungsnotstand.

Aktuell fördert „wir helfen“ Projekte, die Bildungsarmut bekämpfen. Auch für den Unterstützungsverein war ein Nachlass solcher Größe – die genaue Summe will Zunn nicht erwähnt wissen – eine Premiere, wie Geschäftsführer Karl-Heinz Goßmann bei der Enthüllung dankbar bemerkte. Sorgfältig war nach einem Projekt gesucht worden, bis alles passte.

„Alles, was über den eigenen Bedarf hinausgeht, belastet nur“, sagt die Rentnerin, die selbst kinderlos ist. „Und auf diese Weise lebt der Name Bruch weiter.“ Bei der Einweihung der bronzenen Tafel hatte sie das Gefühl, ein Kind aus der Taufe zu heben. „Es ist ein wunderbares Gefühl, dass etwas Sinnvolles mit dem Geld geschehen wird, das noch viele Jahre Früchte tragen wird.“ Ute Zunn will nicht alles dem Staat überlassen. „Ich will selbst etwas bewirken und hoffe auf Nachahmer.“

Nachbetreuung für die Jugendlichen

Mit dem Erbe kann der Verein in Zukunft nicht nur 600 Jugendliche jährlich innerhalb seiner Jugendwerkstätten, Projekte wie „Sprungbrett“ oder über die Kompetenzagentur zu Abschlüssen und Arbeit verhelfen. Diejenigen, die eine solche (Pflicht-)Maßnahme erfolgreich beendet haben, können nun auch darüber hinaus weiter betreut werden – freiwillig und so lange, bis sie auf eigenen Beinen stehen.

Eine solche Art Nachbetreuung ist neu in der Jugendhilfe und „wäre ohne passgenaue Vermittlung durch »wir helfen« nie zustande gekommen“, sagte JHK-Geschäftsführerin Almut Gross. „So können wir die Jugendlichen, die guten Willens sind, auf ihrem Weg weiter begleiten, solange sie uns brauchen.“

Der Verein werde dafür sorgen, „dass das so vielen Jugendlichen wie möglich zugutekommt“. Und Karl-Heinz Goßmann sagte: „Was bleiben wird, sind auch Ihre Ideen.“ Das Konzept hat die Jugendhilfe mit der Stifterin zusammen entwickelt. „Das Wissen, das damit in den Verein getragen wird, wird immer weiterleben.“ Es wäre nicht das erste von „wir helfen“ angestoßene Projekt, das nach einer Anschubfinanzierung wegen seines Erfolges später eine Regelfinanzierung durch Stadt oder Land erhält.