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wünschdirwas e.V.Kleiner Herzpatient darf Riesen-Airbus ganz nah sein

Lesezeit 5 Minuten

Vor wenigen Wochen lag Johann, 5, auf der Intensivstation. Jetzt steht er aufgeregt auf dem Vorfeld der Landebahn am Flughafen Düsseldorf.

Köln – Hätte das Glück ein Gesicht, wäre es Johanns – in diesen zweieinhalb Stunden. Mal formt sein Mund ein großes „O“, mal eine lange Linie fast bis zu den Ohrläppchen, während der fünfjährige, herzkranke Junge aus Essen-Kettwig in einem Besucher-Bus gemeinsam mit Vater Nils und Opa Heinz-Georg über das Terrain des Düsseldorfer Flughafens fährt – sogar ein kleines Stück Rollbahn ist heute ausnahmsweise erlaubt.

Tiefe Bewunderung wechselt zu himmelhochjauchzender Begeisterung – und wieder zurück. Immerhin wird an diesem sonnigen Novemberfreitag ein Wunsch wahr, der Johann schon lange begleitet: Einmal dem weltweit größten Passagierflugzeug, dem Airbus A380, ganz nah zu sein – Johanns absoluter Lieblingsflieger, der allein beim Anblick seine Wangen rot verfärbt. Keine Frage: Der Junge ist aufgeregt. Und unglaublich glücklich.

Johann kommt aus dem Staunen nicht heraus: Flieger, wohin er nur schaut.

Wunschfee von Beruf

Auch sämtliche anderen Flugzeugmodelle kennt Johann aus dem Effeff: Während sich sein Kopf flink von links nach rechts dreht, um möglichst alle Flieger durch die Fensterscheiben inspizieren zu können, kommentiert er: „Da eine Boeing 717“, „ein Airbus A 318“, „ein A 320“. Und noch viele mehr.

Neue Internetseite

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Weitere Informationen finden Sie auf der neuen Internetseite von „wir helfen“.

Ihm gegenüber sitzt eine Frau mit feuchten Augen und dem vermutlich schönsten Beruf der Welt: Silke Arenz ist „Wunschfee“, genauer: Wunscherfüllerin und Projektmanagerin beim Kölner Verein „Wünschdirwas“.

Seit Vereinsgründung im März 1989 ermöglichten die inzwischen fünf festangestellten und 131 ehrenamtlichen „Wünschdirwas“-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bundesweit schwerkranken Kindern und Jugendlichen zwischen drei und 18 Jahren Glücksmomente – und erfüllten in diesen 30 Jahren mehr als 8000 Herzenswünsche.

Blinde Synchronsprecherin

„Wir schenken den jungen Patienten und ihren Familien damit auch Hoffnung und Mut in einer Lebenssituation, in der sie wegen ihrer schweren Erkrankung am verletzlichsten, auf Unterstützung und Abwechslung angewiesen sind“, sagt Silke Arenz. Und erzählt von einer erblindeten Teenagerin, deren Traum es war, als Komparsin in ihrer Lieblingsserie mitzuspielen. Zunächst. Denn – und auch das kommt bei Herzensangelegenheiten ab und an einmal vor – nicht wirklich jeder Wunsch kann wahr werden.

Also besann sich die 17-Jährige auf ihren Kindheitstraum, später einmal Synchronsprecherin zu sein. Gewünscht getan: „Wünschdirwas e.V.“ ermöglichte der erblindeten jungen Frau in einem Filmstudio in Köln Ausschnitte eines Zeichentrickfilms zu synchronisieren. Immer dann, wenn ihr Einsatz an der Reihe war, stupste ihre Schwester sie an, so dass die Teenagerin ihren auswendig gelernten Text auf den Punkt genau sprechen konnte.

„Guckt mal alle, ich bin fast so groß wie der Airbus-Reifen!“

„Zwar ist uns kaum eine Herausforderung zu groß, wenn es darum geht, einem Kind mit einer besonderen Freude etwas Leid zu nehmen. Steht allerdings rein Materielles auf der Wunschliste, also Sachspenden wie Tiere, Autos oder Computer, müssen wir leider passen“, sagt Silke Arenz. Auch das ein oder andere ersehnte Treffen mit dem Lieblingsstar musste für immer Wunschtraum bleiben. Meist, so die Erfahrung der versierten Wunschfee, sei allerdings auch der zweite Wunsch, der deutlich Bessere.

Die schwere Suche nach dem wahren Herzenswunsch

„Es ist gar nicht so leicht, einen Herzenswunsch zu finden, deshalb freuen wir uns, wenn die jungen Menschen eine Zeit lang in sich gehen, um herauszufinden, was sie wirklich wollen.“ Wem das schwerfällt, dem gibt der Kölner Verein eine Liste mit gängigen Kindheitsträumen an die Hand – Vom Abenteuer oder Ausflug, wie einem Fallschirmsprung oder einer Übernachtung im Baumhaus über einen Urlaub am Meer bis hin zu Therapien und Treffen mit dem Idol – am „Löwenzahn“-Set von Fritz Fuchs, bei „Shopping Queen“-Moderator Guido Maria Kretschmer in der Show-Aufzeichnung oder bei Papst Johannes Paul II in Rom. Aber auch ganz Individuelles stand schon auf dem Programm der Kölner Wünscheerfüller und -begleiter: Einmal unter Erdmännchen sein, mit der Oma auf einem Elefanten reiten oder den Dicken Pitter im Kölner Dom berühren. Johanns Wunsch zum Beispiel war einer der Sorte, dessen Erfüllung dem Team von „Wünschdirwas“ besondere Freude bereitet, „weil er individuell und einzigartig ist“, sagt Silke Arenz. Und dem kleinen Jungen, dem das Leben bislang so viel abverlangt hat, ein unvergessliches Erlebnis beschert, das aufbaut, Kraft gibt. Und Lebensfreude.

Operation am offenen Herzen

Noch vor wenigen Monaten musste Johann nach einer Operation am offenen Herzen einige Wochen im Herzzentrum Duisburg verbringen, wo eine Stationsschwester den Jungen eines Morgens mit dem „Wünschdirwas“-Wunschzettel überraschte und vorschlug, ihn mit seinen Eltern auszufüllen. Die Duisburger Klinik ist eine von bundesweit knapp 100 Krankenhäusern und Hospizen, mit denen der gemeinnützige Kölner Verein zusammenarbeitet um Herzenswünsche unbürokratisch erfüllen zu können. „Da einige der vorgeschlagenen Beispiele, etwa als Einlaufjunge beim Lieblingsfußballverein oder ein Ausflug ins Disneyland für Johann nicht in Frage kamen, überlegten wir uns den Besuch im Flughafen Düsseldorf, da Johann seit jeher dessen größter Fan ist“, sagt Vater Nils.

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Wunschfee Silke Arenz schenkt Johann zum Abschied ein Sticker-Heft über Flughäfen.

Dann ging alles ganz flott: Die Familie schickte den Wunschzettel samt beigelegtem Attest vom Arzt über Johanns schwere Erkrankung per Post nach Köln. Innerhalb weniger Wochen organisierte Silke Arenz – „dank der sehr unkomplizierten und entgegenkommenden Zusammenarbeit des Besucherservices vom Flughafen Düsseldorf“ den ersehnten Ausflug. Und noch viel mehr.

Kleiner Lotse, riesiger Airbus

Was Johann sich nämlich niemals hätte träumen lassen: Dass er den Riesen-Airbus von Emirates im rot-schwarz karierten „Follow me“-Wagen zu seinem Landeplatz lotsen darf – und, der Besucherservice setzte noch einen drauf: Er sogar im Cockpit des Fliegers auf dem Pilotensitz Platz nehmen darf. Wer am Ende dieses berührenden Vormittags in Johanns Gesicht schaut, der ahnt: Glücklichsein hilft, zu gesunden.

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Johann und Vater Nils, man kann sich gar nicht entscheiden, wer begeisterter ist.