Preise, TierwohlWas bedeutet Aldis Abschied vom Billig-Fleisch für Verbraucher?
Der Discounter Aldi bietet ab 2030 nur noch Frischfleisch der Haltungsformen 3 und 4 in seinen Märkten an. Das teilte das Unternehmen am Freitag mit. Mit seiner Initiative „Haltungswechsel“ will der Discounter ein Tierwohlversprechen abgeben und einen Schritt in Richtung Nachhaltigkeit gehen. Gleichzeitig setzt Aldi die Mitbewerber am Markt unter Druck, dem Trend zum bewussteren Fleischkonsum ebenfalls weiter entgegenzukommen.Was die Ankündigung für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet, was die Haltungsformen aussagen und wo die anderen Ketten stehen, lesen Sie hier.
Warum geht Aldi das Thema Tierwohl jetzt an?
„So schwer es auch wird, wir glauben daran, das Richtige zu tun: für Tierwohl, für nachhaltiges Wirtschaften, für unsere Kunden und aus Überzeugung“, sagt Aldi-Süd-Manager Erik Döbele. Gemeinsam mit seinem Kollegen von Aldi Nord, Tobias Heinbockel, ist er für den Ausbau des Tierwohls bei Aldi verantwortlich.
Zur Überzeugung dürfte allerdings auch ein finanzieller Aspekt kommen: Laut dem Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) haben sich die Deutschen in 2020 deutlich häufiger für Bio-Fleisch entschieden als im Vorjahr. Bei Rindfleisch und Geflügel griffen die Konsumentinnen und Konsumenten anderthalb mal so oft zum Bio-Produkt wie 2019. „Der steigende Umsatz mit nachhaltig erzeugter Ware zeigt, dass unsere Kunden bereit sind für einen Bewusstseinswandel“, sagt Tobias Heinbockel.
Bei Fleisch liegt der Anteil am Umsatz bei Bio-Produkten jedoch immer noch bei gerade einmal 2,6 Prozent für Geflügel und 3,6 Prozent für Rotfleisch, wie eine Umfrage im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft 2021 ergab.
Wo steht Aldi beim Tierwohl aktuell?
2021 macht der Anteil der Frischfleischprodukte mit Haltungsform 3 und 4 bei Aldi erst 15 Prozent aus. 2020 hat laut der Verbraucherzentrale Hamburg Fleisch der Haltungsform 1 im Handel rund 51 Prozent des Angebotes ausgemacht. Die Haltungsform 2 kam auf rund 36 Prozent, die Haltungsform 3 auf rund drei Prozent und Haltungsform 4 auf rund zehn Prozent des Angebots.
Welche Umstellungen plant Aldi genau?
Aldi hat einen Stufenplan veröffentlicht, der das weitere Vorgehen skizziert. Demnach soll ab 2025 vollständig auf Fleisch der Haltungsform 1 verzichtet werden.
Bis 2026 soll dann rund ein Drittel des Frischfleischsortiments aus den Haltungsformen 3 und 4 kommen. Ab 2030 soll in den Märkten ausschließlich Frischfleisch von Rindern, Schweinen, Hühnern und Puten der Haltungsformen „Außenklima“ (3) und „Premium“ (4) kommen.
Was bedeuten die einzelnen Haltungsformen?
Die Haltungsform 1 steht für eine Stallhaltung, bei der die Tiere über wenig Platz und keinen Auslauf nach draußen verfügen. Hierbei werden lediglich die gesetzlichen Vorgaben zur Tierhaltung erfüllt. Haltungsform 2 bezeichnet die „Stallhaltung Plus“, hier haben die Tiere zehn Prozent mehr Platz als bei Stufe 1. Haltungsform 3 steht für „Außenklima“, die Tiere haben in den Ställen bis zu 40 Prozent mehr Platz als gesetzlich vorgeschrieben und haben Zugang zu frischer Luft.
In der Haltungsform 4 „Premium“ haben die Tiere noch einmal mehr Platz als in Haltungsform 3, haben ständigen Zugang zu Auslauf oder leben in Freilandhaltung. Eine Übersicht über die einzelnen Haltungsformen finden Verbraucherinnen und Verbraucher unter www.haltungsform.de.
Die Verbraucherzentrale begrüßt die Kennzeichnungen, die es seit dem Frühjahr 2019 gibt, zwar als Schritt zu einer besseren Orientierung für die Kundinnen und Kunden. Sie seien aber „kein Ersatz für ein ambitioniertes staatliches Tierwohlkennzeichen.“ Denn „ob es den Tieren tatsächlich gut gegangen ist, darüber macht die Haltungsform-Kennzeichnung keine Aussage. Denn mehr Platz und Einstreu im Stall sind noch kein Garant für mehr Tierwohl“, so die Verbraucherzentrale.
Warum erfolgt die Umstellung des Sortiments bei Aldi nicht früher?
„Wir werden oft gefragt: Warum schafft ihr konventionelles Frischfleisch nicht einfach sofort ab? Ihr seid doch so ein großer Laden. Doch so einfach ist es nicht“, sagte Erik Döbele. Der Fleischmarkt sei ein globales Geschäft mit vielen komplexen Strukturen und Parteien, die sich nicht von heute auf morgen ändern können. Rund 90 Prozent der deutschen Landwirte produzierten heute auf konventionelle Art und Weise.
Das könnte Sie auch interessieren:
Müssen Kundinnen und Kunden mit höheren Preisen rechnen?
Frischfleisch der Haltungsform 1 ist für die Verbraucherinnen und Verbraucher im Handel am günstigsten. 400 Gramm Rinderhack der Haltungsform 1 kosten bei Aldi Süd aktuell 2,99 Euro. 400 Gramm Bio-Hackfleisch (75 Prozent Rind, 25 Prozent Schwein) der Stufe 4 sind beim Discounter für 3,59 Euro gelistet. Sollte nur noch Fleisch aus besseren Haltungsformen angeboten werden, müssten die Kundinnen und Kunden sich wohl darauf einstellen, für ein Fleischprodukt mehr Geld auszugeben.
Aldi wolle aber beweisen, dass „ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis und Nachhaltigkeit sich keineswegs ausschließen“, so Tobias Heinbockel. Durch die verbindlichen Zusagen des Unternehmens für die nächsten Jahre wolle man Planungssicherheit für die Landwirte geben. Für die Zukunft hoffe man auch, dass andere Mitbewerber am Markt nachziehen.
Wo stehen andere Supermärkte in Bezug auf Tierwohl?
Hans-Jürgen Moog, Einkaufschef bei Rewe, teilte am Freitag mit: „Wir freuen uns, dass in der Branche ein Weg, den wir seit zehn Jahren eingeschlagen haben, immer mehr Unterstützung findet. Die Rewe Group hat bereits 2019 sämtliches Eigenmarken-Geflügelfrischfleisch auf Haltungsformstufe 2 und höher umgestellt, Schweinefleisch wird ab Juli folgen.“ Bis Ende 2030 würden Rewe und der hauseigene Discounter Penny anstreben, im gesamten Eigenmarken-Frischfleischsortiment ausschließlich die Haltungsformstufe 3 und 4 anzubieten.
Edeka teilte auf Anfrage dieser Zeitung mit, dass der Edeka-Verbund und der Discounter Netto planten, „bereits kurzfristig auf die Haltungsstufe 1 und längerfristig auf die Haltungsstufe 2 bei Frischfleisch zu verzichten.“ Aus Wettbewerbsgründen wollte man konkretere Ziele vorerst nicht nennen.