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Alnatura-Gründer in Köln„Wir sind häufig günstiger als die Konkurrenz, das wissen die Menschen aber nicht“

Lesezeit 5 Minuten
Götz Rehn sitzt mit Kunden an einem Tisch.

Ist am liebsten inmitten seiner Kunden: Alnatura-Gründer Götz Rehn - hier beim Jubiläumsfest der Filiale in Bayenthal.

Alnatura hat am Wochenende in Bayenthal den 40. Firmengeburtstag gefeiert. Gründer Götz Rehn erklärt sein Erfolgsrezept.

Herr Rehn, in einer idealen Welt würden wir gerne alle eine sinnstiftende Tätigkeit ausüben und nur das konsumieren, was der Erde guttut. Aber in der Praxis scheitert das an diversen Dingen, unter anderem am Preis. Ist das nicht das Aus für Bio-Lebensmittel, die teurer sind als konventionelle?

Götz Rehn: Die Preise für Lebensmittel sind 2023 insgesamt um neun Prozent gestiegen. Bio-Lebensmittel wurden nur um fünf Prozent teurer, hat unser Dachverband BÖLW errechnet. Alnatura liegt preislich im Schnitt sogar zehn Prozent unter konventionellen Markenartikeln wie Barilla, Kölln und Alpro. Vor einem Jahr haben wir eine Eigenmarke eingeführt, mit der wir beispielsweise Haferflocken, Marmelade und Dosentomaten günstig anbieten. Dafür haben wir die Verpackungen vergrößert, bieten also nun Pasta als Ein-Kilo-Packung statt 500 Gramm an, verwenden einfachere Rezepturen.

Lohnt sich das Geschäft überhaupt? Die Margen im Lebensmitteleinzelhandel sind ja ohnehin nicht gerade üppig.

Mein Ziel ist nicht, so viel Gewinn wie möglich zu machen. Wir kommen bei Alnatura mit eineinhalb Prozent Rendite aus. Unsere Immobilien sind gemietet und ich verschenke 99 Prozent des Kapitals an die gemeinnützige Alnatura Stiftung. Diese Unternehmensform nennt sich Verantwortungseigentum. Und wie gesagt: Wir sind häufig sogar günstiger als die Konkurrenz, das wissen die Menschen aber nicht…

… und kaufen Bio-Ware entweder gar nicht oder bei Discountern. Fast ein Drittel der Bio-Umsätze entfallen auf Aldi, Lidl und Co, bei frischen Produkten wie Fleisch ist der Anteil sogar noch höher. Wie kann ein Unternehmen wie Alnatura da überleben?

Bio wird immer als Gattung verstanden, in der alle Produkte gleich sind. Das stimmt aber so nicht. Es geht um die Rezepturen, und darum, woher die Produkte kommen. Ist es deutsches Fleisch? Nach den Richtlinien von Bioland oder Demeter? Wie werden die Menschen entlang der Lieferkette entlohnt? Ich möchte, dass das, was ich verkaufe, so bezahlt wird, dass die Menschen gut davon leben können. Das gilt für viele Bioprodukte im Moment nicht.

Wenn Bio draufsteht, ist allen etwas Gutes getan – sowohl Mensch als auch Tier und Natur. Dafür zahle ich dann gerne etwas mehr. Ist das nicht so?

Das ist ein schwieriges Thema. Wir kommen als Verbraucher nicht umhin, uns bewusst mit dem zu befassen, was uns angeboten wird. Wir neigen dazu, uns mit einem Siegel wie dem Bio-Siegel der EU zufriedenzugeben. Man muss aber weiter schauen: Was ist es für eine Bioqualität? Kommt die Ware aus dem In- oder Ausland? Für uns ist es wichtig, dass der größte Anteil des Getreides für unsere Produkte aus Deutschland kommt. Wir bemühen uns, dass die Bauern in der Nähe der Produktionsbetriebe angesiedelt sind, um die Wege kurzzuhalten. Es gehört ein bisschen mehr dazu, als nur das Siegel zu kriegen.


Alnatura ist hinter Dennree (Denns Biomarkt) die Nummer zwei im Biomarkt und beschäftigt rund 3500 Mitarbeitende. Deutschlandweit gibt es 153 Alnatura-Märkte, davon acht in Köln. Im Geschäftsjahr 2022/2023 erwirtschaftete Alnatura einen Umsatz von 1,15 Milliarden Euro - Konkurrent Dennree kommt auf 1,38 Milliarden Euro. Alnatura handelt gemäß der Vision „Sinnvoll für Mensch und Erde“. Das heißt: Gewinn ist nicht das Ziel, sondern ergibt sich, wenn man sinnvoll handelt. Dazu gehört auch die besondere Rechtsform, in der Alnatura wirtschaftet: das Verantwortungseigentum. Hier gehört das erwirtschaftete Vermögen nicht Eigentümern oder Investoren, sondern bleibt im Unternehmen. Dazu wird es in der Praxis häufig an eine Stiftung übertragen. Rund 200 Unternehmen in Deutschland sind im Verantwortungseigentum, neben Alnatura unter anderem Bosch und ZF Friedrichshafen.


Viele Unternehmer klagen, dass es immer schwieriger wird, Geld zu verdienen, alle Auflagen einzuhalten, Fachkräfte zu finden. Sie hingegen klagen nicht. Warum?

Natürlich ist die Bürokratie auch für uns bisweilen beschwerlich: So haben wir uns mit der Siegelorganisation „We Care“ schon vor einigen Jahren für ein verantwortungsvolles Lieferkettenmanagement zertifizieren lassen. Mit dem Lieferkettensorgfaltsgesetz machen wir es noch einmal. Die EU und die Regierung schaffen immer dann Gesetze, wenn es Fehlentwicklungen gibt. In der Baubranche beispielsweise fehlt Material, Bauarbeiten dauern länger und werden teurer. Deswegen nehmen wir die Materialien, die vorhanden sind. In Lorsch haben wir ein Hochregallager für 30.000 Europaletten gebaut. Das ist komplett aus Holz und steckt in einer zwei Meter tiefen Betonwanne. Darunter fließt das Grundwasser des Rheins, damit kühlen und heizen wir die Paletten. Unser Bürogebäude besteht aus gestampften Lehmwänden. In Köln eröffnen wir am Stadtgarten eine neue Filiale: Wir haben die alte Decke gelassen, die Lichtschienen ausgebaut, überarbeitet und wieder eingesetzt. So haben wir Material gespart – und natürlich auch Kosten.

Apropos Kosten: In Berlin, Potsdam und Frankfurt am Main liefert Alnatura den Einkauf zu den Kunden nach Hause. Rentiert sich das denn?

Das Warenvolumen ist gut, aber wir haben die letzte Meile unterschätzt: Die E-Autos sind recht teuer und die Wege lang, weil unsere Kunden verstreut wohnen. Wir werden das Alnatura-Lieferdienst-Konzept prüfen und dann über die weiteren Schritte entscheiden. Das gehört dazu: Man muss Dinge ausprobieren. In Mannheim testen wir zum Beispiel SB-Kassen. Ob sich das durchsetzt, werden wir sehen.


Götz Rehn wurde 1950 in eine Freiburger Chirurgenfamilie geboren. Die Familie siedelte um nach Bochum, dort erlebte Rehn den Niedergang der Zechen und Stahlwerke. Als junger Erwachsener stieß er auf die Anthroposophie von Rudolf Steiner und befasste sich damit, wie Unternehmen sinnvoll wirtschaften können. Er studierte VWL, promovierte in Organisationsentwicklung und arbeitete in den 1970er Jahren in verschiedenen Positionen bei Nestlé, unter anderem für die Schokoladenmarke Sarotti. 1984 gründete Rehn Alnatura, seine Produkte verkaufte er zu Beginn in den Tegut-Supermärkten und bei der Drogeriekette DM, die seinem Schwager Götz Werner gehörte. Rehn führt Alnatura unter anderem mit seinem Sohn Lucas und unterrichtet den Studiengang „Wirtschaft neu denken“ an der Alanus-Hochschule in Bonn.