Das Börsenjahr 2022 lief mies, die Jahreskontoauszüge vieler Riester-Renten weisen hohe Verluste aus. Warum das nicht zwingend eine Katastrophe ist.
Anleger geschocktWas bedeuten die Wertverluste in aktuellen Riester-Auszügen für Verbraucher?
In diesen Tagen kommen die Jahreskontoauszüge der Riester-Verträge bei den Kunden an. Und für viele Sparer sind sie ein Schock. Denn gegenüber den Vorjahren sind die dort ausgewiesenen Guthaben – teilweise dramatisch – gesunken. So weist der Auszug eines Lesers, der unserer Redaktion vorliegt, für den 31. Dezember 2021 beim Riester-Produkt „Förder Renteinvest“ der DWS noch ein Vertragsguthaben von 27.150 Euro aus. In der Position „Ergebnis aus Fondsentwicklung“ steht die Position 8000 Euro, allerdings mit einem Minus davor. Binnen nur eines Jahres ist also das Vertragsguthaben um 8000 Euro oder fast ein Drittel gesunken.
Riester-Rente: Sparer sind verunsichert
Der Sparer ist verunsichert. 1600 Euro zahlt er jährlich in seinen Sparvertrag ein, und das seit dem Jahr 2008. Damals wurden Riester-Produkte groß beworben, als renditestarke Ergänzung der gesetzlichen Rente. Nun aber ist das Vertrauen tief erschüttert. Was war passiert?
Das betroffene Produkt „Renteinvest“ der Deutsche-Bank-Tochter DWS ist eine fondsgebundene Lebensversicherung mit „Beitragsgarantie durch regelbasierte Fondsanlagen“. In dieser sperrigen Beschreibung aus der Versicherungspolice ist die gute Nachricht auch schon enthalten, eben die sogenannte Beitragsgarantie. „Alle vom Sparer geleisteten Beiträge sind garantiert und stehen bei Laufzeitende des Vertrags dem Versicherungsnehmer auf jeden Fall zur Verfügung“, sagt Thomas Hentschel, bei der Verbraucherzentrale NRW zuständig für die Themen Finanzen und Versicherungen.
Das mag sicher klingen, ist aber in Zeiten von sieben und mehr Prozent Inflation hat sehr schlechte Nachricht. Denn „die Renditen aus den Fonds sind bei einer Riesterrente nicht garantiert“, sagt Hentschel. Sind die 8000 Euro damit futsch? So schlimm ist es für den Versicherungsnehmer nun auch nicht bestellt. Die hohe Wertminderung resultiert aus dem schlechten Börsenjahr 2022, übrigens eines der schlechtesten Jahre seit Langem. 12,3 Prozent verlor der deutsche Aktien-Leitindex Dax in nur zwölf Monaten, nachdem er im Vorjahr noch 16 Prozent Gewinn gemacht.
Investment in Anleihen: Doppelt unglücklich
Warum nun aber hat die fondsbasierte Riesterrente noch einmal so viel schlechter abgeschnitten als der Dax? Die genaue Zusammensetzung des DWS-Produktes kennt Hentschel nicht, wohl aber das generelle derzeitige Problem dieser Produkte. Zusammenfassend gesagt: 2007 bis 2009 hatten Riester-Renten mit hohem Aktienanteil massiv an Wert verloren. Weil die Versicherungen und Banken ja ihre Beitragsgarantie einhalten müssen, gingen sie dazu über, mehr in Anleihen als in Aktien zu investieren, also in festverzinsliche Wertpapiere, die an der Börse gehandelt wurden.
Das war unter Rendite-Aspekt doppelt unglücklich. Erst folgte mehr als ein Jahrzehnt mit niedrigsten Zinsen, was die Anleihen und damit die Riester-Verträge zwar sicher, aber eben auch sehr renditeschwach machte. Und dann kam das, was in dieser Intensität kaum ein Marktteilnehmer erwartet hatte: Zur Bekämpfung der rasant anziehenden Inflation erhöhten die Notenbanken die Zinsen. Das hat zwei Effekte auf Inhaber von Wertpapieren und damit auf die Riestersparer.
Erstens rauschen bei steigenden Zinsen den Gesetzmäßigkeiten der Börsen zufolge die Aktien in den Keller, weil alternative Anlagen, also neue Zinspapiere, an Attraktivität gewinnen. Zweitens, und das ist das größere Problem für die Riesterkunden, auch Anleihen rauschten in den Keller. Der REX, der Index deutscher Staatsanleihen, bewegt sich sonst nur im niedrigen einstelligen Prozentbereich. 2022 verlor er ein Achtel oder zwölf Prozent an Wert. Die plötzlichen Zins- und damit Renditeanstiege ließen den Kurs der alten Anleihen mit ihren mickrigen Zinskupons abrauschen. Von wegen sichere Anlage.
Nun könnte man meinen: Riesterverträge sind eine langlaufende Sache, die Kurse sind unten, man kauft billig nach. Genau das aber ist beim auf Sicherheit bedachten Riestermodell nicht vorgesehen, kein „Cost Average Effekt“ also, also bei niedrigen Kursen viel und bei hohen wenige Wertpapiere zu kaufen.
Dennoch, wirklich weg ist das Geld aus der Anleihenanlage nun auch nicht. Denn was den Verlust vom obigen Beispiel anbetrifft, der ist eben anders als bei Aktien nur eine Momentaufnahme. Anleihen, insbesondere Staatsanleihen notieren heute weit unter ihrem Ausgabekurs. Zum Ende der Laufzeit aber werden sie grundsätzlich in voller Höhe zurückgezahlt. Nun ist es an den Banken und Versicherungen, die Papiere eben genau so lange im Bestand zu halten, um den größten Schaden zu verhindern.
Sollten Anleger nun lieber ihre Riesterrenten kündigen und wenigstens den heute ausgewiesenen Betrag zu retten? Verbraucherschützer Hentschel rät davon dringend ab. „Wer seine Riester-Rente nun kündigt, realisiert diese Verluste, das ist in der Regel nicht sinnvoll“, sagt Hentschel. Außerdem erhalten Kunden bei Kündigung nur den Rückkaufswert. Das heißt, dass die gesamte staatliche Förderung der vergangenen Jahre zurückgezahlt werden muss, das kann 50 Prozent der Vertragssumme oder mehr ausmachen. Zusätzlich werden natürlich auch die gezahlten Verwaltungs- und Bearbeitungsgebühren nicht erstattet.