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Vom Chef bewertetArbeitszeugnis - das muss (nicht) drin stehen

Lesezeit 5 Minuten

Der Chef hat in der Regel das letzte Wort beim Inhalt des Arbeitszeugnisses: Wer aber nicht mit dem Schlusssatz einverstanden ist, kann ein Zeugnis ohne diese Formulierung verlangen.

Bevor ein Kandidat zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, werden die von ihm eingereichten Arbeitszeugnisse genau inspiziert. Nur so kann der Personalverantwortliche beurteilen, wie sich der Bewerber bisher in der Arbeitswelt geschlagen hat - und ob es sich lohnt, gerade ihn einzustellen. Ist das Zeugnis eher schlecht, rückt die Einladung zum Bewerbungsgespräch und damit auch eine Anstellung in weite Ferne.

Um ihre ausscheidenden Mitarbeiter somit nicht am beruflichen Fortkommen zu hindern, müssen Arbeitgeber einige Regeln beachten. Wie ein korrektes Arbeitszeugnis aussehen sollte, erklärt Sandra Voigt, Assessorin und Redakteurin bei anwalt.de.

Wann habe ich Anspruch auf ein Zeugnis?

Nach § 109 I 1 GewO (Gewerbeordnung) hat jeder Beschäftigte bei Beendigung seines Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis. Während das einfache Arbeitszeugnis lediglich die nötigsten Infos etwa zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses enthält, werden beim qualifizierten Arbeitszeugnis – das aber explizit verlangt werden muss – zusätzlich die Leistung und das Verhalten des Mitarbeiters bewertet.

Ein Zwischenzeugnis dagegen kann man in der Regel nur aus einem wichtigen Grund fordern, zum Beispiel bei einem Betriebsübergang oder beim Wechsel des Vorgesetzten. Stellt der Chef kein Zeugnis aus oder entspricht es nicht den äußerlichen oder inhaltlichen Anforderungen, kann der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf Ausstellung bzw. Korrektur sogar einklagen.

Welche Form muss das Schriftstück haben?

Ein Arbeitszeugnis muss maschinenschriftlich und auf dem üblichen Firmenkopfbogen verfasst werden. Ist das nicht der Fall, kann beim potenziellen Chef schnell der Eindruck einer negativen Bewertung entstehen. Das gleiche gilt, wenn nur einfaches, dreckiges oder zerknittertes Papier verwendet wird oder bestimmte Begriffe farblich hervorgehoben wurden. Ferner muss der Chef bzw. sein Vertreter das Zeugnis unterschreiben und das Datum der Zeugnisausstellung nennen. Als Datum sollte der letzte Tag angegeben sein, an dem das Arbeitsverhältnis noch bestand, zum Beispiel der 31. Januar 2014.

Ein Arbeitszeugnis, das Tipp- oder Rechtschreibfehler enthält, sollten Arbeitnehmer nicht akzeptieren. „Ein schlampiges Zeugnis darf man gleich nach dem Erhalt reklamieren“, sagt der Berliner Karriereberater Jürgen Hesse. Man könne etwa zum Chef sagen: „Mir ist aufgefallen, dass sich da ein oder zwei Tippfehler eingeschlichen haben. Können wir das bitte korrigieren?“ Allerdings sollten sich Mitarbeiter nicht wegen jeder Kleinigkeit beschweren: Fehle in einem Zeugnis von zwei Seiten lediglich ein einziges Komma, würde er nichts sagen, so Hesse.

„Das Zeugnis sollte auf den Tag datiert sein, an dem der Arbeitnehmer die Firma verlässt“, erklärt Hesse. Sind das Ausstellungsdatum des Zeugnisses und das Ausscheidungsdatum nicht identisch, lasse das darauf schließen, dass es mit dem Mitarbeiter Probleme gab. Es mache keinen guten Eindruck, wenn man die Firma etwa zum 30. Juni verlassen hat, aber das Arbeitszeugnis erst auf den 30. August datiert ist. Nur in einem Fall sei die Abweichung kein Problem: Wenn der Arbeitnehmer noch etliche Urlaubstage und deshalb seinen letzten Arbeitstag bereits am 15. Juni hat, obwohl er das Unternehmen erst zum 30. Juni verlässt. Dann sei es in Ordnung, wenn das Zeugnis auf den 30. Juni datiert ist.

Wie sollte das Zeugnis formuliert sein?

Da jeder Arbeitgeber ein wohlwollendes und wahrheitsgetreues Zeugnis verfassen muss – aber manchmal nicht will – wurden diverse Verschlüsselungstechniken entwickelt, um negative Bewertungen wohlklingend zu „verpacken“. Ein Beispiel: „Herr XY machte sich mit großem Eifer an die ihm übertragenen Arbeiten.“ Damit will der Chef aber sagen, dass der Mitarbeiter trotz Eifers bei der Arbeit keinerlei Erfolg hatte.

Diese sogenannten Geheimcodes sind jedoch unzulässig. Erlaubt ist allerdings, das Verhalten sowie Arbeitsbereitschaft und -befähigung, Arbeitsweise und Erfolg des ausscheidenden Mitarbeiters anhand der altbewährten Zufriedenheitsskala (etwa: „Sie erledigte die ihr übertragenen Aufgaben stets zu unserer vollsten Zufriedenheit“ = Note 1) sowie eines Bewertungsschlüssels mit den Noten eins bis sechs zu bewerten (weiteres Beispiel: „Die Mitarbeiterin verfügt über ein gutes, fundiertes Fachwissen und ist in der Lage, damit schwierige Aufgaben zu bewältigen“ = Note 2).

Mitarbeiter haben einen Anspruch, ihr Arbeitszeugnis rechtzeitig zu erhalten. Spätestens am letzten Arbeitstag muss das Dokument des scheidenden Mitarbeiters laut Gesetz fertig sein, sagt Arbeitsrechtler Prof. Jobst-Hubertus Bauer. Wer wochenlang wartet, sollte den Ex-Chef zunächst telefonisch oder per E-Mail freundlich daran erinnern. Bringt das nichts, kann man schriftlich eine Frist setzen. Als letzter Schritt bleibt die Klage vor dem Arbeitsgericht. Neben dem Zeugnis können Berufstätige auch Schadenersatz einfordern. Dass sie Geld sehen, sei aber eher unwahrscheinlich, weiß Bauer: Dafür müssten sie nachweisen, dass ihnen ein neuer Job nur wegen des fehlenden Zeugnisses entgangen ist - gelingt in der Praxis fast nie.

Ferner darf das Zeugnis nicht widersprüchlich sein oder einmaliges Fehlverhalten enthalten. Auch eine Betriebsrats- bzw. Gewerkschaftstätigkeit oder Aussagen über den Gesundheitszustand des Angestellten dürfen unter anderem nicht ins Arbeitszeugnis aufgenommen werden, es sei denn, der Mitarbeiter wünscht es. Übrigens kann ein Beschäftigter nicht die Aufnahme einer Schlussformel verlangen, in der der Arbeitgeber das Ausscheiden seines Angestellten bedauert und ihm alles Gute wünscht, entschied das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 11.12.2012, Az.: 9 AZR 227/11).

Unsere Bildergalerie zeigt, bei welchen Zeugnis-Formulierungen Sie aufpassen müssen:

Buchtipps:

Anne Backer: Arbeitszeugnisse: Entschlüsseln und mitgestalten.

Jürgen Hesse; Hans-Christian Schrader: Das perfekte Arbeitszeugnis: Richtig formulieren, verstehen, verhandeln.