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Bonner StudieNRW-Unternehmen sehen sich besonders häufig vom Klimawandel betroffen

Lesezeit 3 Minuten
09.05.2022, Leverkusen. Chempark von Merkenich aus gesehen. Foto: Max Grönert

Blick auf den Leverkusener Chempark. In NRW geben besonders viele Unternehmen an, Folgen des Klimawandels zu spüren.

Andere betriebliche Herausforderungen und fehlendes Geld halten die Unternehmen nach eigener Aussage davon ab, mehr in Klimaschutz zu investieren.

Unternehmen in Nordrhein-Westfalen geben im deutschlandweiten Vergleich besonders häufig an, bereits mögliche Folgen des Klimawandels zu spüren zu bekommen. Das ist das Ergebnis einer Studie des Instituts für Mittelstandsforschung (IFM) in Bonn. Insgesamt gab demnach mehr als jedes zweite Unternehmen an, dass das eigene Geschäft in den vergangenen fünf Jahren durch Hitze, Hoch- oder Niedrigwasser beeinflusst worden sei – entweder am Unternehmensstandort oder in der Lieferkette.

Unter den Großunternehmen (56,9 Prozent) war der Anteil etwas größer als bei kleinen und mittleren Unternehmen (KmU, 53,9 Prozent). Deutschlandweit waren im Vergleich dazu nur 43 Prozent der KmU und 49,1 Prozent der Großunternehmen betroffen. Einzelne Wetterereignisse wie Stürme und Hochwasser können oft nicht direkt auf den Klimawandel zurückgeführt werden. Belegt ist allerdings, dass sie bedingt durch diesen häufiger auftreten.

Weit verzweigte Wertschöpfungskette erhöht Risiko

Eine mögliche Erklärung für die stärkere Betroffenheit der NRW-Unternehmen ist der industrielle Schwerpunkt im Bundesland: „In Nordrhein-Westfalen sind viele exportorientierte Industrieunternehmen mit weit verzweigten Wertschöpfungsketten angesiedelt“, sagt Studienautorin Susanne Schlepphorst. „Dadurch könnten sie potenziell häufiger betroffen sein.“ Denn je mehr Partner in unterschiedlichen Regionen ein Unternehmen hat, desto größer auch die Gefahr, dass einer von ihnen von einem Extremwetterereignis betroffen ist. Empirisch belegen lässt sich diese These mit Blick auf NRW allerdings nicht.

Zählt man auch die veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen – zum Beispiel neue Regularien und ein verändertes Verhalten der Konsumentinnen und Konsumenten – zu den Klimawandelfolgen dazu, sehen sich in NRW sogar 60 Prozent der KmU und mehr als 70 Prozent der Großunternehmen als betroffen an. Nur 12,2 Prozent der KmU und zwei Prozent der Großunternehmen rechnen dagegen damit, auch zukünftig keine Auswirkungen zu spüren. Deutschlandweit ist dieser Anteil spürbar größer. Besonders stark betroffene Branchen sind Schlepphorst zufolge das Gastgewerbe, die Gesundheitsbranche, Energie- und Wasserversorger und landwirtschaftliche Betriebe.

Energiepreise treiben die Unternehmen am meisten um

Als größte Herausforderung des Klimawandels betrachten die NRW-Unternehmen die Erhöhung der Energiepreise (72,2 Prozent). An zweiter und dritter Stelle folgen zusätzliche Bürokratie (57,3 Prozent) und Unsicherheit in der Energieversorgung (56,2 Prozent). Erst auf dem vierten Rang stehen mit 36,6 Prozent die physischen Klimarisiken. „Unter den Unternehmen, die schon einmal von Extremwetterereignissen betroffen waren, war dieser Faktor aber deutlich größer“, so Schlepphorst. „Sie finden das Thema wichtiger und ergreifen auch selbst mehr Maßnahmen.“

Die am häufigsten ergriffene Maßnahme war dabei der verstärkte Einsatz digitaler Lösungen – darunter fällt zum Beispiel die Visualisierung des eigenen Stromverbrauchs oder der Einsatz von Warn-Apps für Extremwetterereignisse. Viele der übrigen Maßnahmen sind laut Schlepphorst klassische unternehmerische Tätigkeit: Die Unternehmen passen ihre Produkte und Dienstleistungen an, erschließen neue Kundengruppen und schließen Versicherungen ab. „Das erfordert hohe Investitionen, aber die zu tätigen ist auch ihre Aufgabe.“

Kommunen und Kammern sollen sensibilisieren

Sie ist skeptisch, was eine finanzielle Unterstützung durch die Politik betrifft, zum Beispiel in Form von Förderprogrammen. Die Praxis zeige, dass dann die Preise für diese Investitionen stiegen. Wichtig sei, dass die entsprechenden Kommunen und Kammern Sensibilisierungs- und Aufklärungsarbeit leisteten.

Als größtes Hindernis für die bessere Absicherung vor Klimarisiken geben die Unternehmen andere betriebliche Herausforderungen an. Mehr als 40 Prozent beklagen außerdem fehlende finanzielle Mittel.

Für die Studie wertete das IFM 1300 Fragebögen und ergänzende Interviews aus. 257 der befragten Unternehmen stammten aus Nordrhein-Westfalen. Laut IFM gibt es bislang erst wenig Forschung zum Umgang deutscher Unternehmen mit Klimarisiken.