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Brauerei aus dem BergischenZunft-Kölsch will mit neuem Chef nach Köln expandieren

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Die Geschäftsführer der Erzquell-Brauerei Sebastian Brack und Tina Haas

Die Geschäftsführer der Erzquell-Brauerei Tina Haas und Sebastian Brack.

Die Erzquell-Brauerei ist die einzige, die mit Zunft ein Kölsch außerhalb Kölns brauen darf. Wieso das erlaubt ist - und wie die Brauerei den Kölner Markt erobern will. 

Köln ist Kölsch. Und damit verbinden die Kölner oft eine der großen, traditionsreichen Marken. Gaffel, Früh und Reissdorf dürfte jeder Kölner kennen. Doch auch die kleineren wie Malzmühle, Sünner oder die diversen Kölsch-Marken des Oetker-Konzerns wie Dom-Kölsch sind vielen ein Begriff. Aber Zunft-Kölsch? „Vielen Kölnern unter 40 ist das heute fast kein Begriff mehr“, sagt Tina Haas, eine der zwei Personen, die nun die Geschäfte bei Zunft-Kölsch führen.

Dabei ist das für Kölsch-Verhältnisse etwas herbere Zunft keineswegs eine Neuerscheinung, ursprünglich wurde die Braumanufaktur im Jahre 1900 von Ernst Kind als „Adler Brauerei GmbH“ gegründet. Nachdem der Zweite Weltkrieg überstanden war, wurde die Brauerei wieder aufgebaut und modernisiert. Zwischenzeitlich schlossen sich die Adler Brauerei aus Wiehl mit der Erzquell-Brauerei aus dem Siegtal zusammen. Und irgendwann in der Mitte der 1950er Jahre, wahrscheinlich 1956, brachte man zum ersten Mal Zunft-Kölsch auf den Markt.

Da wir schon vor dem Stichtag Kölsch gebraut haben, gilt für uns Bestandsschutz
Tina Haas, Erzquell-Geschäftsführerin

Aber ein Kölsch, das nicht aus Köln kommt, ist das nicht verboten? Ja, da war was. Die Kölsch-Konvention regelt verbindlich, welches Bier sich Kölsch nennen darf und welche Wettbewerbsregeln für die im Kölner Brauerei-Verband organisierten Kölschbrauer gelten. Diese Regeln wurden am 31. Mai bzw. 5. Juni 1985 vom Bundeskartellamt genehmigt und daraufhin im Bundesanzeiger veröffentlicht. Darin steht, dass Kölsch grundsätzlich nur in Köln gebraut werden darf. Aufs Kleingedruckte kommt es also an. „Da wir schon vor dem Stichtag Kölsch gebraut haben, gilt für uns Bestandsschutz“, sagt Tina Haas.

So kommt es, dass 50 Kilometer vom Kölner Dom entfernt im oberbergischen Wiehl-Bielstein bis heute legal ein Kölsch gebraut wird. Und das ist bei weitem kein Nischenprodukt, wie viele Kölner glauben mögen. Zunft-Kölsch ist im Oberbergischen, Rheinisch-Bergischen und im Rhein-Sieg-Kreis eine weit verbreitete Kölsch-Marke, vielleicht die dominierende. An Dutzenden Kneipen an Wupper, Agger und Sieg prangt das Logo von Zunft-Kölsch. Kaum ein Schützenfest in Wipperfürth, Bergneustadt oder Gummersbach kommt ohne Zunft aus. Auch in Bonn und Wuppertal ist Zunft verbreitet. Und mit Erzquell-Pils, das in einer separaten Brauerei im rheinland-pfälzischen Mudersbach gebraut wird, ist die Firma die einzige Kölsch-Brauerei, die auch ein Pils im Sortiment hat - zur Freude vieler Gastronomen. Wie hoch der Bierausstoß ist, wollen die Brauer nicht sagen. Aber beim Kölsch sei man fünfstellig, insgesamt sechsstellig, was die Hektoliterzahl angeht.

Erstmals externe Geschäftsführer

In Köln derweil ist Zunft-Kölsch eine Rarität. Noch, muss man sagen. Denn Tina Haas will mit ihrem neuen Geschäftsführer-Kollegen Sebastian Brack nach Köln expandieren. Brack ist ein Novum in der langen Geschichte der familiengeführten Erzquell-Brauerei. Nach mehr als 100 Jahren ist somit familienexterner Co-Geschäftsführer an Bord. Der Getränkespezialist und Multi-Start-up-Unternehmer Brack freut sich auf seine neue Aufgabe. „Es reizt mich sehr, in einer so traditionsreichen Familienbrauerei die Zukunft mitgestalten zu können“, so Brack zu seinem Wechsel von Berlin nach Bielstein.

Bislang war vor allem Erzquell-Patriarch Axel Haas, Vater von Tina Haas, das prägende Gesicht der größten bergischen Brauerei. Am Freitag, 30. Mai, wird Axel Haas 80 Jahre alt und sich mehr aus dem aktiven Geschäft zurückziehen. Im ländlichen Wiehl ist Haas eine bekannte Unternehmerpersönlichkeit. Tina Haas ist seit rund zehn Jahren in der Geschäftsführung mit dabei.

Zunft gibt es in Zollstock und Ehrenfeld

Erste Schritte zur Rückkehr auf den Kölner Markt sind bereits gemacht, wie Tina Haas und Sebastian Brack im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ erläutern. „Ab dem 1. Juni wird Zunft-Kölsch auf der Sonnenterrasse der Kölner Galeria [früher Kaufhof; Anm. d. Red] ausgeschenkt“, sagt Brack. Außerdem gibt es Zunft im „Refugium“ in Köln-Zollstock und in den „Hängenden Gärten“ im Kölner Stadtteil Ehrenfeld.

In ihrer bergischen Heimat pflegen die Macher von Zunft und Erzquell vor allem Werbung mit starkem Regionalbezug. Es gibt auch ein Bergisches Spritz, diverse Sorten Bergisches Landbier und der Rosenmontag wird in der Wiehler Brauerei mit den Kunden gefeiert. Das grün-weiße Brauereilogo greift mit schwarz, weiß und grün die Farben der bergischen Fachwerkhäuser auf, sicherlich kein Zufall.

Aber will man mit dem bergischen Image die Millionenstadt Köln aufrollen? Haas und Brock geben sich selbstbewusst: „Wir werden auf keinen Fall verbergen, dass wir aus dem Bergischen sind.“ Gerade in Corona-Zeiten hätten viele Kölner das Grün des Bergischen besucht und den benachbarten Landstrich so kennen und lieben gelernt, meint Haas. Dabei setze man auch darauf, dass das Wasser des Zunft-Kölsch aus einer eigenen Quelle kommt.

Ein historisches Vorbild für den Plan der Bergischen gibt es jedenfalls. In den 1980er Jahren verdrängten die großen sauerländischen Brauereien die des Ruhrgebiets fast vollständig. Die Bergleute entdeckten die Sauerländer Biere wie Warsteiner oder Veltins bei Kuren oder Wochenend-Ausflügen. Die Brauereien warben und werben mit Bildern von Wald, Talsperren und grünen Landschaften. Heute steht in Schalke die Veltins-Arena, Warsteiner ist eine der größten Brauereien Deutschlands, die Biere aus dem Ruhrpott sind heute nur noch Nischenprodukte.