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BundestagswahlUnternehmen der Region fordern Tempo und klaren Kurswechsel

Lesezeit 4 Minuten
ARCHIV - 18.06.2024, Rheinland-Pfalz, Dörth: Ein Auszubildender zum Mechatroniker bearbeitet in einer Ausbildungswerkstatt an einem Schraubstock ein Werkstück. (zu dpa: «Maschinenbauer halten Belegschaft stabil - noch») Foto: Oliver Berg/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

In Deutschland muss es wirtschaftlich endlich wieder bergauf gehen, fordern die Unternehmen der Region.

Selten waren sich die Unternehmen so einig in ihren Forderungen an die neue Bundesregierung. Die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen, müsse Priorität sein.

Nach der Bundestagswahl fordert Deutschlands Wirtschaft von der künftigen Bundesregierung einen deutlichen und schnellen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik. Neben den großen Verbänden in Berlin ist der Wahlausgang am Montag auch das zentrale Thema bei den Unternehmen in Köln und der Region.

„Es braucht einen wirklichen Neubeginn“, erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Nach zwei Rezessionsjahren in Folge müsse „die gefährliche Abwärtsspirale aus ausbleibenden Investitionen und Wachstumsschwäche gestoppt werden“, forderte BDI-Präsident Peter Leibinger. Die Unternehmen erwarteten schnelle Entlastungen von Bürokratie und einen „mutigen strategischen Plan für mehr Investitionen“ statt kleinteiliger Rezepte zur Linderung von Symptomen. Nötig seien auch „zeitnahe Entlastungssignale im Energiebereich“.

Reformkurs für mehr Investitionen

Ganz oben auf der Agenda der künftigen Regierung müsse Wachstum stehen, verlangte die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK). Präsident Peter Adrian erklärte: „Die Unternehmen in Deutschland erwarten einen Reformkurs für mehr Investitionen und bessere Rahmenbedingungen für nachhaltiges Wachstum, Innovation und Wettbewerbsfähigkeit.“ Ralf Stoffels, Präsident von IHK NRW, sagt zum zum Wahlausgang: „Wir können uns in NRW keinen Stillstand mehr erlauben. Daher ist es jetzt wichtig, in ein sofortiges Handeln zu kommen, um die dringend notwendigen Impulse für das Wirtschaftswachstum auf den Weg zu bringen und die Wirtschaftspolitik wieder in den Fokus zu rücken. Die wirtschaftliche Stärke entscheidet über die Zukunft unseres Landes und stärkt unsere Demokratie.“

„Bezahlbare Energie, eine gezielte Fachkräftesicherung und ein wirtschaftsfreundliches Steuer- und Abgabensystem“ verlangte ebenso Handwerkspräsident Jörg Dittrich. Die für eine Regierungsbildung infrage kommenden Parteien müssten „unverzüglich“ vom Wahlkampfmodus mit seinen inhaltlichen Abgrenzungen auf einen „Regierungsbildungsmodus“ umschalten. Und Kölns Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer ergänzt: Die neue Bundesregierung muss die Wirtschaft spürbar entlasten, um die Wende zu schaffen und unser Land wieder nach vorne zu bringen. Das bedeutet vor allem konsequentere Maßnahmen zum Abbau von Berichts- und Dokumentationspflichten und eine Rückkehr zur Abgabengrenze von 40 Prozent."

Ausscheiden der Liberalen wird bedauert

Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger richtete seine Forderungen direkt an den Wahlgewinner und möglichen nächsten Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU). Deutschland brauche eine „echte Wirtschaftswende“, erklärte Dulger. Er bedauerte das Ausscheiden der FDP: „Mit einer starken liberalen Stimme wäre diese Wende einfacher gewesen.“

Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, sagte, die Unternehmen könnten „die hohen Energiepreise, die überbordende Bürokratie sowie die Steuern und Abgaben in aktueller Form nicht mehr tragen“. Es brauche Maßnahmen, „die kurz-, mittel- und langfristig Entlastung versprechen“. Köln größter privatwirtschaftlicher Arbeitgeber, der Autobauer Ford, wollte sich nicht zum Ausgang der Wahl äußern. Die deutsche Tochter des US-Konzerns ist bei politischen Themen traditionell sehr zurückhaltend.

Mehr Tempo auch bei Digitalisierung

Deutlich äußert sich dagegen Telekom-Chef Tim Höttges: „Wir brauchen jetzt schnell eine handlungsfähige Regierung, die die wichtigen Themen anpackt. Ich bin optimistisch, dass das gelingt.“ Die Telekom habe zehn Punkte zur Digitalpolitik vorgeschlagen, die jetzt umgesetzt werden könnten. „Dazu zählen ein echtes Netzausbaubeschleunigungsgesetz und neue Abschreibungsmöglichkeiten für digitale Investitionen sowie eine bessere Unterstützung für Start-ups“, so Höttges.

Schnelligkeit fordert auch der Covestro-Vorstandschef Markus Steilemann: „Schnelles Handeln ist jetzt notwendig, um fundamentale Strukturreformen und Bürokratieabbau auf den Weg zu bringen.“ Er gratulierte Friedrich Merz und der CDU/CSU sowie allen Abgeordneten des neuen Bundestags zur gewonnenen Wahl. Die Bundestagswahl habe Deutschland politisch neu sortiert – mit klaren Gewinnern, herben Verlusten und einigen Überraschungen. Covestro appelliert an die Parteien, sich ihrer staatspolitischen Verantwortung zu stellen, um schnell einen Grundkonsens zu finden, auf dem der Wirtschaftsstandort Deutschland wieder zu alter Stärke erwachsen kann.

Von einem Sprecher des Lanxess-Konzerns hieß es: „Angesichts der zahlreichen politischen Herausforderungen muss sich jetzt schnellstmöglich eine stabile Regierungskonstellation formieren, die dann zügig ins Handeln kommt. Eine Priorität der künftigen Regierung muss die Wirtschaft sein. Wir brauchen jetzt schnell bessere Rahmenbedingungen für die Industrie, damit Deutschland wieder international wettbewerbsfähig wird.“

Der Vorstandschef des Kölner Motorenbauers Deutz, Sebastian Schulte, warnt: „Die deutlichen Zuwächse an den extremen Rändern sollten uns als Land und auch als Wirtschaftsstandort sehr nachdenklich stimmen.“ Die gute Nachricht sei, dass Deutschland mit einer möglichen Zwei-Parteien-Koalition deutlich stabilere Verhältnisse erwarten können. „Das braucht es jetzt. Dieses Land kann mehr – wir müssen jetzt nur mutig Veränderungen angehen und vor allem Geschwindigkeit aufnehmen“, so Schulte.

Sorge vor weiterem Erstarken der AfD

Auch Kölns Messe-Chef Gerald Böse bewertet die Zwei-Parteien-Koalition positiv. „Die CDU-SPD-Zweier-Konstellation, die sich herauskristallisiert, macht die Regierungsbildung leichter und der Koalitionsvertrag lässt sich hoffentlich schneller verhandeln. Das ist auch bitter nötig.“ Es werde jetzt mehr Pragmatismus als Idealismus die Politik in Berlin bestimmen. Die Erfahrung aus jahrzehntelanger Regierungsarbeit von CDU und SPD sei in diesen Zeiten extrem wichtig. „Dass sie gemeinsam eine stabile Mehrheit haben, nicht auf Stimmen vom linken oder rechten Rand angewiesen sind, ist entscheidend“, so Böse.

Genauso entscheidend für die nächsten Jahre sei es, dass die neue Regierung die tatsächlichen Sorgen und Nöte von Wirtschaft und Bevölkerung ernst nimmt – und Lösungen präsentiert. „Die demokratische Mitte, und da baue ich ausdrücklich auch auf Bündnis 90/Die Grünen, hat nur noch eine Legislaturperiode lang die Chance, das Erstarken extremer Parteien zu stoppen.“