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Chef von Kölner Zurich-Versicherung„Die Flutdemenz ist die eigentliche Gefahr für die Zukunft“

Lesezeit 5 Minuten
Das Bild zeigt einen Blick auf die nur noch mit einem Brückenbogen vorhandene Steinbogenbrücke über dem Fluss Ahr neben einer asphaltierten Straße. Im Vordergrund steht ein orangefarbener Bagger, rechts sind Häuser zu sehen. Das Bild ist aus der Luft, aber aus niedriger Höhe aufgenommen.

Bagger reißen die 300 Jahre alte Nepomukbrücke im Ahrtal ab. Das Wahrzeichen von Rech wurde vor zwei Jahren durch die Flutkatastrophe schwer beschädigt.

Carsten Schildknecht erklärt im Interview, warum Riester-Kunden sich nicht sorgen müssen, wenn sie auf ihre Versicherungsauszüge schauen.

Herr Schildknecht, Corona, Flutkatastrophe und Ukraine-Krieg – wie ist die Zurich-Versicherung bislang durch die Krisen gekommen?

Carsten Schildknecht: Wir sind sehr gut durch dieses von Polyrisiken geprägte Umfeld gekommen. Dadurch, dass wir schon 2018 eine neue Strategie und einen internen Kulturwandel eingeleitet haben, der auch flexibleres Arbeiten von zuhause möglich gemacht hat, waren wir zu Beginn von Corona sehr gut vorbereitet. Auch die Folgen des Ukraine-Krieges wie Lieferkettenprobleme oder Inflation haben wir gut gemanagt.

Wie fällt Ihr Rückblick im Detail aus?

In den letzten vier Jahren sind wir schneller gewachsen als der Markt, haben solide Ergebnisse erwirtschaftet, die Kosten gesenkt und die Effizienz gesteigert. Gleichzeitig haben wir sowohl die Kunden- als auch die Mitarbeiterzufriedenheit deutlich verbessert.

Wie teuer war die Flut nach Tief Bernd für die Zurich?

Das Extremwetterereignis Bernd war 2021 in jeder Hinsicht belastend. Vor allem für die betroffenen Menschen in der Region. Hier waren wir als Versicherer, aber auch als Teil der Gesellschaft gefragt und haben bestmöglich geholfen – auch durch den persönlichen Einsatz vieler Mitarbeiter vor Ort. Auf der Kostenseite hat uns „Bernd“ mit mehreren hundert Millionen Euro belastet. Auch wenn ein Teil davon rückversichert war, hat dieses Ereignis dazu geführt, dass unser Ergebnisziel für 2021 um rund 30 Millionen Euro verfehlt wurde. 2022 sind wir dann aber wieder auf Kurs gewesen und haben ein Rekordergebnis erzielt.

Die Flutdemenz ist die eigentliche Gefahr für die Zukunft
Carsten Schildknecht, Vorstandschef der Zurich-Versicherung

Welche Lehren wurden aus der Flutkatastrophe gezogen?

Historisch betrachtet war „Bernd“ keineswegs ein unerwartbares Ereignis und auch kein „Worst-Case-Szenario“. Es gab schon früher ähnliche Situationen, im Jahr 1910 sogar deutlich höhere Pegelstände. Daraufhin wurde damals entschieden, dass in den betroffenen Gebieten nicht mehr gebaut werden darf. Diese Entscheidung geriet aber offenbar in Vergessenheit, denn in den letzten einhundert Jahren wurden immer mehr Flächen versiegelt und die Bebauung rückte an vielen Orten dichter an den Flusslauf. Das war vielfach ausschlaggebend für die verheerenden Zerstörungen. Die historischen Erfahrungen müssen konsequent in Bebauungs- und Flächennutzungspläne Einfluss finden. Die Flutdemenz ist die eigentliche Gefahr für die Zukunft.

Carsten Schildknecht ist seit Februar 2018 Vorstandschef der Zurich Deutschland Versicherung mit Sitz in Köln.

Zurich-Deutschlandchef Carsten Schildknecht

In Folge wird nun über eine verpflichtende Elementarschadenversicherung für Hauseigentümer diskutiert. Sind Sie dafür?

Man muss grundsätzlich die Gebäudeversicherung um die Absicherung von Elementarschäden erweitern, aber der Kunde sollte die Möglichkeit haben, diesen Baustein abzuwählen. Denn es muss immer einen Anreiz geben, präventive Maßnahmen zu treffen. Denn sonst fühlt sich niemand mehr verpflichtet, Risiken zu vermeiden, wenn alles durch den Versicherer abgedeckt ist.

In Gummistiefeln vor Ort zu sein bringt mehr Wählerstimmen als unpopuläre Vorkehrungen
Carsten Schildknecht, Vorstandschef der Zurich-Versicherung

Einen Großteil hat schließlich auch der Staat bezahlt…

…was zu einem Trittbrettfahrer-Problem führt. Wenn das Schadenereignis nur groß genug ist, springt die Politik mit Steuergeldern auch denen zur Seite, die nicht versichert waren. Es bringt eben mehr Wählerstimmen, mit großen Hilfsfonds und Gummistiefeln vor Ort zu sein, als im Vorfeld unpopuläre, aber letztlich wirksamere Vorkehrungen zu treffen.

Blicken wir auf die Zinsen, die nach langer Zeit nun stetig steigen. Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Geschäft?

In 2022 hatten wir steigende Zinsen, aber schwache Aktienmärkte – es waren alle Anlageklassen betroffen und ein wirklich schwieriges Jahr für alle. Aber wir sehen eine Erholung an den Märkten, wovon vor allem die Kunden der Lebensversicherung profitieren werden.

Im Moment sind viele Kunden von Riester-Renten verunsichert. Uns hat der Brief eines Zurich-Kunden erreicht, der in 2021 auf seinem jährlichen Kontoauszug einer Förderrente Invest ein Guthaben von 28.000 Euro hatte. In 2022 wurden nur noch 20.000 ausgewiesen. Er ist kein Einzelfall. Wie erklären Sie den Kunden das?

Erstmal sind bei dieser Art von Produkt alle Einzahlungen und die staatlichen Zulagen garantiert. Investiert wird in Anleihen und nun gab es im vergangenen Jahr die besondere Situation, dass die Aktienmärkte ebenso schwach waren wie die Anleihenmärkte aufgrund der steigenden Zinsen. Das findet sich dann in dem Kontoauszug. Die in der Wertbestätigung genannte Differenz von 8.000 Euro ist nur eine Momentaufnahme aufgrund der vorübergehenden Börsenflaute.

Inwiefern?

Wenn der Kunde im Vertrag bleibt, wird er zum Ende der Laufzeit mindestens seine Einlagen und die staatliche Förderung bekommen. Und es wird nun nicht nur weiter in Anleihen investiert, sondern auch wieder stärker in Aktien. Auch davon profitiert der Kunde.

Viele Versicherer sind ausgestiegen aus Riester. Ist das Modell gescheitert?

In dem langjährigen Niedrigzinsumfeld der vergangenen Jahre war Riester für die Versicherer kaum darstellbar. Es braucht eine Reform. Die Leistung sollte nicht mehr zu 100 Prozent garantiert sein und dafür mehr Invest in Aktien möglich sein. Außerdem muss das Ganze deutlich vereinfacht werden.

Was hilft aus Ihrer Sicht, die Rentenlücke zu schließen?

Für mich ist die fondsgebundene Lebensversicherung das Mittel der Wahl. Man profitiert von der Entwicklung der Aktienmärkte, kann Steuervorteile geltend machen und ist recht flexibel, da man sich Teile auszahlen lassen oder eine Teilverrentung wählen kann. Immer stärker nachgefragt werden Produkte, bei denen Kriterien der Nachhaltigkeit oder des Klimaschutzes Berücksichtigung finden. Wir spüren, dass die Menschen zunehmend nicht nur sich, sondern auch an die Zukunft kommender Generationen denken.


Carsten Schildknecht ist seit Februar 2018 Vorstandschef der Zurich Deutschland mit Sitz in Köln. Der Wirtschaftsingenieur studierte und promovierte an der TU Darmstadt. Er begann seine Laufbahn als Unternehmensberater und war im Anschluss in der Vermögensverwaltung der Deutschen Bank tätig. Danach war er Chief Operating Officer des italienischen Versicherers Generali. Die Zurich-Gruppe in Deutschland gehört zur weltweit tätigen Schweizer Zurich Insurance Group.