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DeepseekChinas Billig-KI schüttelt Börse durch – Rekord-Verlust für Nvidia

Lesezeit 4 Minuten
Praktisch über Nacht ist Deepseek zum Renner im App Store geworden. /

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Weltweit rutschen Kurse der Tech-Aktien ab. Auslöser ist das KI-Modell eines chinesischen Start-ups.

Die KI-Euphorie an den Börsen hat einen herben Dämpfer bekommen. Am Montag rutschten die Kurse auf breiter Front, nachdem ein chinesisches Start-up die Strategien der großen US-Konzerne infrage gestellt hatte: Das KI-Modell von DeepSeek arbeitet angeblich sehr viel billiger. Nun wachsen Zweifel, ob sich die gewaltigen Investitionen der Tech-Konzerne in Künstliche Intelligenz lohnen.

Seit Herbst 2022 beherrscht das Zukunftsthema Künstliche Intelligenz die Börsen. Damals kam ChatGPT heraus, ein sogenanntes Sprachmodell, das leicht zu bedienen ist. Es kann zum Beispiel auf Basis von Vorgaben oder Fragen ausformulierte Texte und Antworten erstellen. ChatGPT gilt als erster Schritt zum massenhaften und alltäglichen Einsatz von Künstlicher Intelligenz.

Seitdem boomen Aktien der Unternehmen, die vom KI-Einsatz profitieren könnten: Entwickler von Spezialchips wie Nvidia, Internetkonzerne wie Microsoft, Amazon, Meta, Alphabet und Apple, Netzwerkausrüster, aber auch Spezialisten für Energietechnik – denn Training und Anwendung von KI-Systemen brauchen enorme Mengen Strom.

Rekord-Wertverlust für Nvidia

Entsprechend liest sich die Liste der Börsenverlierer vom Montag. Der US-Technologieindex Nasdaq 100 startete am Nachmittag mit mehr als 3 Prozent Verlust in den Handel. Auf dem Papier haben die dort gelisteten Unternehmen damit rund 800 Milliarden Dollar an Wert verloren. Ein großer Teil davon entfällt auf das bisher wertvollste Unternehmen der Welt: Der Nvidia-Kurs brach um nahezu 20 Prozent ein. Das entsprach einem Wertverlust von mehr als 500 Milliarden Dollar. Dennoch war das US-Chipunternehmen damit immer noch rund drei Billionen Dollar wert.

In den vergangenen Monaten hatte der Boom bei Künstlicher Intelligenz den Aktienkurs von Nvidia immer weiter nach oben getrieben. Die Chipsysteme des Konzerns spielen eine Schlüsselrolle vor allem beim Training von KI-Modellen. Dafür waren bisher gewaltige Mengen an Computer-Leistung notwendig - und Anleger gingen davon aus, dass der weitere Ausbau Nvidia noch mehr Geschäft beschert.

Auch Siemens Energy bricht ein

Im Dax verlor Siemens Energy bis zum Nachmittag rund 20 Prozent, nachdem der Hersteller von Gasturbinen und Windrädern zuletzt ebenfalls vom KI-Hype profitiert hatte. Weitere Verlierer in Deutschland waren Siemens und Infineon.

Zwei Jahre lang ging es mit den Technologieaktien steil bergauf, und so sind viele auch nach diesem Absturz noch hoch bewertet. Im Gegensatz zu früheren Börsenkorrekturen geht es jetzt nach Meinung von Fachleuten aber um grundsätzliche strategische Fragen. „Die KI-Welt erlebt einen Moment des Umbruchs, der als Wendepunkt in die Geschichte eingehen könnte“, glaubt etwa Salah-Eddine Bouhmidi, Analyst beim britischen Finanzdienstleister IG Group.

In der vergangenen Woche hat DeepSeek sein neues Modell für Künstliche Intelligenz veröffentlicht, am Montag stand das frei verfügbare Programm bereits weit oben in den Download-Charts. Im Qualitätsranking der kanadischen University of Waterloo für KI-Modelle hat sich DeepSeek unter den ersten zehn platziert, und der bekannte Technologieinvestor Marc Andreessen verbreitete beim Kurznachrichtendienst X: „DeepSeek R1 ist eine der erstaunlichsten und beeindruckendsten Errungenschaften, die ich je gesehen habe.“

Ähnliche Leistung mit weniger Aufwand

Offenbar erreichen die Chinesen vergleichbare Leistungen wie die Konkurrenz mit sehr viel weniger Aufwand und Kosten. So behauptet das Unternehmen, das Training des Systems habe lediglich 5,6 Millionen Dollar gekostet. Den selbst lernenden Systemen beizubringen, was sie „wissen“ sollen, ist aufwendig und kostet normalerweise ein Vielfaches.

Laut DeepSeek wurden auch weniger von den teuren Nvidia-Chips gebraucht als etwa bei ChatGPT. Und während das US-System von Microsoft kontrolliert wird, ist DeepSeek eine offene Plattform: Das von einem chinesischen Finanzinvestor gegründete Start-up hat den Quellcode veröffentlicht und bisher keinen bekannten Plan für ein Geschäftsmodell.

DeepSeek stellt Strategie infrage

Konzerne wie Microsoft oder Meta dagegen investieren neuerdings jährlich zweistellige Milliardenbeträge in Aufbau und Training ihrer KI-Systeme. Sie erhoffen sich davon in der Zukunft mehr und lukrativeres Geschäft auf ihren Plattformen. Vorerst profitieren allerdings vor allem ihre Lieferanten wie der Chipentwickler Nvidia, der Chiphersteller TSMC und die Ausrüster von Netzwerken und Rechenzentren.

Skeptiker zweifeln schon länger: „Wir haben Bedenken wegen der Rendite von Künstlicher Intelligenz, denn die massiven Investitionen in Prozessoren haben bisher zu wenig Ertrag gebracht“, schreibt Edison Lee, Analyst beim Investmenthaus Jefferies. Die US-Konzerne kämen nun unter Druck, ihre Investitionen zu rechtfertigen. „Die Billig-KI aus China könnte die Margen der hoch bewerteten KI-Unternehmen an der Nasdaq und auch in Europa untergraben“, warnt Jochen Stanzl, Analyst bei CMC Markets.

USA können China nicht bremsen

Der Erfolg von DeepSeek dürfte auch die US-Politik beschäftigen, die China beim KI-Thema unbedingt in Schach halten will – unter dem alten und dem neuen Präsidenten. Joe Biden hatte sie bereits den Export von Chips und anderer Hochtechnologie nach China massiv eingeschränkt. Donald Trump kündigte sofort nach Amtsantritt zusammen mit drei Konzernen ein Programm für KI-Infrastruktur in den USA an, in das insgesamt 500 Milliarden Dollar fließen sollen.

Nun stellt sich die Frage, ob dieser Aufwand wirklich gebraucht wird. Und ausgerechnet Bidens Exportbeschränkungen könnten den Fortschritt in China beflügelt haben: Der Rest der Welt habe seine KI-Modelle ohne Rücksicht auf die Kosten optimiert, erklärt Jefferies-Experte Edison Lee. „China ist der einzige Markt, wo wegen der Chipknappheit auf Effizienz geachtet wird.“