„Kein Sexismus“Was die Generation Z von ihren künftigen Arbeitgebern fordert
Diversität ist Studierenden heute viel wichtiger als früheren Generationen. Vier junge Menschen zwischen 20 und 27 Jahren erzählen, was sie von Unternehmen verlangen, um sich als Arbeitnehmende wertgeschätzt zu fühlen.
„Migrationshintergrund ist mein Potenzial und kein Manko“
Studentin Maryam Khoshoei (24) will Wertschätzung erfahren:
„Ich bin in England geboren, als Kind nach Deutschland gekommen und in Köln aufgewachsen. Mein Vater kommt aus dem Iran, meine Mutter aus Kolumbien. Früher habe ich mich oft als Außenseiterin gefühlt. Deshalb ist es für mich heute umso wichtiger, im Arbeitsumfeld integriert zu sein und mich zugehörig zu fühlen. Dafür muss ich nicht ausschließlich mit jungen Leuten zusammenarbeiten. Ich profitiere gerne auch von den Erfahrungen Älterer im Team. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich am liebsten in einem Unternehmen Fuß fassen, das divers aufgestellt ist. Auch wenn ich mich in homogenen Teams gut zurechtfinde, diverse Teams wirken auf mich lebendiger und scheinen mehr spannende Gesprächsthemen bereit zu halten. Ich suche deshalb bei meinen Bewerbungen gezielt nach großen Unternehmen, in denen Diversity gelebt wird. Als Praktikantin bei der Deutschen Post, der Telekom und auch bei McKinsey habe ich mich sehr wohl gefühlt. Solche Unternehmen haben einfach genügend Ressourcen, um in Vielfalt zu investieren – anders als kleine Start-ups.
Je größer das Unternehmen, desto höher ist die Chance, dass dort etwas für Diversität getan wird. Zum Beispiel, dass ein Unternehmen Netzwerktreffen unterstützt: Frauennetzwerke, Netzwerke für Menschen mit Behinderung, für Muslime und Juden. Ich möchte mit unterschiedlichen Nationalitäten zusammenarbeiten, mit verschiedenen Altersgruppen, Bildungshintergründen und Geschlechtern. In einem bunt gemischten Team fühle ich mich wohler, weil ich weiß, dass man mich und meine Bedürfnisse dort eher versteht. Beispielsweise habe ich eine Weile lang an Depression gelitten. Das Thema „mental health“, also geistige Gesundheit am Arbeitsplatz ist mir persönlich ein sehr wichtiges Anliegen geworden. Nächsten Monat beginne ich dazu den Masterstudiengang „Gesundheit und Diversity in der Arbeit“. Depressionen und weitere psychische Erkrankungen werden meiner Erfahrung nach im Arbeitsumfeld oft stigmatisiert. Mir ist es wichtig, dass es auch für solche Aspekte in Unternehmen Netzwerke gibt und das Thema ernst genommen wird, so dass man sich gegenseitig unterstützen kann. Ich denke, in einem diversen Team ist man in solchen Situationen einfach besser aufgehoben, weil dort eher ein Verständnis dafür herrscht, dass jeder Mensch individuelle Problemlagen hat. Das bedingt auch ein anderes Denken darüber, was unter „Leistung“ zu verstehen ist. Einschränkung werden eher akzeptiert.
Es freut mich, wenn ich merke, dass ich aufgrund meines Hintergrunds einen Mehrwert in das Unternehmen mit einbringen kann. Beispielsweise wenn meine Chefin mich danach fragt, wie sie am besten Menschen mit Migrationshintergrund in das Team integrieren kann. Dort, wo ich arbeite, möchte ich auch Aufstiegschancen haben. Wenn es in einem Unternehmen keine Frauen in Führungspositionen gibt, ist das ein schlechtes Zeichen für mich.
Als Kind schien es für mich noch normal, dass man sich als ausländische Frau nicht einfach hocharbeiten kann. Ich hatte oft schlechtere Deutschkenntnisse als andere. In der Schule wurde mir deshalb das Gefühl vermittelt, dass ich nicht mithalten kann. Das hat mich eine lange Zeit gehemmt. Mittlerweile habe ich eine andere Perspektive entwickelt: Dass ich viersprachig aufgewachsen bin und einen Migrationshintergrund habe, sehe ich heute als mein Potenzial und nicht mehr als ein Manko an. Ich will, dass mein Wissen und meine Meinung am Arbeitsplatz Wertschätzung erfährt und ich ernst genommen werde, gerade als junge Frau. Deshalb freut es mich festzustellen, dass immer mehr Unternehmen Vielfalt als Chance begreifen und sich diverser aufstellen.
„Ich mag gemischte Teams“
Studentin Ann-Katrin (20) erlebt Sexismus:
Ich möchte mich mit meiner Arbeitsstelle identifizieren können. Arbeitssuche ist für mich wie Freundessuche. Der Vibe muss einfach stimmen. Neben meinem Studium arbeite ich schon seit Jahren in der Gastronomie. Dort habe ich das Arbeiten mit unterschiedlichsten Menschen kennengelernt und die Erfahrung gemacht: Wenn alle gleich aussehen, nur man selbst sieht anders aus oder spricht anders, kann es passieren, dass man sich unwohl und weniger akzeptiert fühlt. Deshalb gibt es mir auf jeden Fall Selbstbewusstsein, in einem divers aufgestellten Team zu arbeiten. Wenn der Thekenchef eine Glatze trägt, seine Freundin bunt gefärbte Haare hat, die Kollegin ein Kopftuch trägt und der Barista einen Vollbart, ist das ein Zeichen dafür, dass der Betrieb zu meiner Haltung passt. Ich möchte mich für meinen Job nicht verkleiden oder verbiegen müssen. Mir gefällt es, wenn jeder seinen Style mit reinbringt. Eine Raucherpause einlegen oder beten gehen, das sollte gleichberechtigt im Betrieb möglich sein.
Manchmal kommt es mir so vor, als würde bei mir sehr genau hingeschaut, wenn ich abkassiere, ob ich auch nichts einstecke oder falsch berechne – mehr als bei meinen männlichen oder älteren Arbeitskollegen. Da greifen vielleicht Vorurteile, weil ich Deutsch-Polin und eine etwas südländisch aussehende junge Frau bin.
Leider wird man als Frau beim Kellnern öfter sexistisch herabgesetzt, es werden Dinge wie „Püppchen“ oder „Liebchen“ gesagt. Ich fühle mich dann unwohl und nur wenig in meiner Arbeit wertgeschätzt. Deshalb würde ich am liebsten langfristig unter einer Frau arbeiten.
Wenn eine Frau eine Chefposition besetzt, zeigt mir das, dass das Unternehmen sie aufgrund ihrer Arbeitsweise und Kompetenz bevorzugt und nicht aufgrund ihres Geschlechts.
„Ich will keine Angst haben müssen, diskriminiert zu werden“
Kai (27), wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Anwaltskanzlei, erwartet, dass Firmen sich klar positionieren:
Ungefähr ein Viertel meiner Lebenszeit werde ich in meinem Job und im Umfeld meiner Kolleg*innen verbringen. Deshalb ist es mir sehr wichtig, in einem Unternehmen zu arbeiten, wo ich ich selbst sein kann, wo ich keine Angst haben muss, diskriminiert zu werden oder nicht ernst genommen zu werden. Warum sollte ich dieses Risiko überhaupt eingehen? Für mich als schwuler weißer Mann mit einer guten Ausbildung ergibt sich das Privileg, aus vielen Arbeitgeber*innen wählen zu dürfen. Wenn auf einer Homepage nur weiße cis Männer namens Jürgen abgebildet sind, dann spricht mich das gar nicht an. Mir ist es wichtig, dass Unternehmen sich LGBTIAQ* freundlich aufstellen. Vor allem, dass sie die Pride-Fahne nicht nur als schöne Fassade nutzen, sondern die Firma sie mit Leben füllt. Zum Beispiel, indem sie LGBTIAQ*-Netzwerke fördert, die selbstorganisiert die Unternehmenskultur mitgestalten. Auch ist es für mich sehr wichtig zu wissen: Was macht das Unternehmen für trans- und inter*-Menschen, nicht nur für Menschen wie mich? Und was passiert in Sachen Frauenförderung? In Sachen Antirassismus?
Ich finde, ein Unternehmen muss sich daran messen lassen, wie es alle Menschen behandelt, nicht nur eine bestimmte Zielgruppe, die es besonders marketingwirksam findet. Wenn ich durch ein Bürogebäude geführt werde und dabei eine genderneutrale Toilette sehe, die nicht gleichzeitig die einzige Toilette für Menschen mit Gehbehinderung ist, dann ist das für mich ein gutes Zeichen.
Ich schaue mir auch die Instagram Posts und Linked-In-Profile von Firmen, die mich interessieren, genau an. Dabei merke ich schnell, ob man dort wirklich gewillt ist, eine inklusive Unternehmenskultur zu gestalten oder ob das Abbild der Pride-Fahne nur dem unternehmerischen Benefit dient. Der Trend ist klar: Diverse Teams gelten als innovativ, bringen mehr Aufträge. Bestimmte Projekte werden nur an Land gezogen, wenn eine Diversitätsquote erfüllt ist. Also müssen die Unternehmen reagieren. Diversität ist dann Teil ihrer persönlichen Marke und damit müssen sie wirtschaften.
Aber auch aus einer allgemein sozialen Haltung heraus erwarte ich von Unternehmen, dass sie sich positionieren. Warum ich selbst als künftiger Diversity & Inclusion Manager zu dieser Entwicklung beitragen will? Im Alltag auf der Straße höre ich „schwul“ ab und zu noch als Schimpfwort. Auf dem Flur in der Kanzlei werde ich damit zwar nicht konfrontiert. Es gibt dennoch vereinzelt Momente auf der Arbeit, in denen ich Dialoge mitbekomme, die mich schlecht fühlen lassen: Bei einem Recruiting Event beispielsweise wurden betrunken auf der Afterwork-Party homosexuelle Stereotype ausgepackt, die mich verletzt haben.
Wenn so etwas passiert, ist es sehr hilfreich zu wissen, dass das Unternehmen, in dem du arbeitest, diese Verhaltensweisen nicht akzeptiert und dir der Rücken gestärkt wird. Die Einstellung „ist doch egal“ reicht nicht. Ich möchte, dass eine unterstützende Haltung und eine inklusive Überzeugung am Arbeitsplatz für alle Angestellten spürbar wird.
„Barriere-Armut ist mir wichtig“
Fabio (25), Student, wünscht sich mehr Sensibilität für Behinderungen:
Ich bin ein cis-Mann, habe eine queere sexuelle Orientierung, einen Migrationshintergrund und eine Sehbehinderung. Mir ist es deshalb wichtig, in einem Unternehmen zu arbeiten, das nicht nur auf einen von vielen Diversitätsaspekten sensibilisiert ist. Bei Stellenanzeigen wird mit dem Hinweis (m,w,d) oft nur auf die Vielfalt in der Geschlechtsidentifikation Bezug genommen. Warum steht in der Anzeige nicht auch: Wir sorgen für Barriere-Armut, wir fördern antirassistische Programme? Das würde mich ansprechen. Schon der einfache Satz: „Falls es Bedarfe gibt, sind wir sehr offen darüber mit Ihnen zu sprechen“, wäre bei Ausschreibungen hilfreich. Klar, bei Behinderungen sind die Hilfsmittel oft sehr individuell. Trotzdem hilft es, wenn ein Unternehmen mit moderner Technik ausgestattet ist. Wenn noch mit Windows XP gearbeitet wird, mit Papierakten und Fax, wird es für Menschen mit Sehbehinderung oft schwierig. Aber auch bei hippen neuen Start-ups muss man genau hinschauen. Eingänge und Toiletten sollten barrierefrei sein, bevor ein*e Bewerber*in auftaucht, der*die das braucht. Ich stelle mir jedes Mal die Frage, ob ich meine Behinderung in meinem Bewerbungsanschreiben erwähne.
Denn die Vorstellungen von Menschen mit einer Sehbehinderung ist oft geprägt von Klischees, die bei mir gar nicht erfüllt sind. Vereinzelt höre ich, „das geht nicht“, oder „das können wir nicht machen“, bevor ich erklären kann, was ich brauche. Von den Unternehmen erwarte ich lediglich die Bereitschaft zu kommunizieren und bestimmte Arbeitsabläufe anzupassen. Auf Bedarfe zu achten, ist nicht immer ein so großer Akt. Bei mir wäre es der Bedarf, eine E-Mail statt eines Zettels zu bekommen. Den Text kann ich dann für mich größer zoomen.
Wenn ich sehe, dass auf der Homepage eines Unternehmens auch Menschen mit Taststock oder mit Pride-Fahne abgebildet sind, finde ich das sehr ansprechend, vor allem, wenn die Fahne nicht nur innerhalb der Pride Week gezeigt wird. Wenn dann die Seite noch barrierefrei eingerichtet ist, also eine Vorlesefunktion hat, oder auch die Farbkontraste angepasst werden können, ist das Unternehmen für mich attraktiv.
Mich stört, wenn in der Kommunikation nicht gegendert wird. In einer Teamsitzung habe ich das schon einmal angemerkt, aber so etwas traue ich mich nur, wenn ich mich im Team wohl und in meiner Position geschützt fühle.