Die Rekordpreise bei der Schokolade spüren die Deutschen beim Ostereinkauf. Der Grund dafür liegt in Westafrika. Schoko-Fans müssen sich auf Bitteres gefasst machen.
Süßes zu den FesttagenKakao-Krise in Westafrika lässt Schoko-Hasen schrumpfen

Viele der in Deutschland produzierten Schoko-Osterhasen werden im Supermarkt verkauft, ein großer Teil wird jedoch auch ins Ausland exportiert.
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Wer dieses Jahr Schokolade fürs Osternest kauft, zahlt deutlich mehr und bekommt weniger. Rekordpreise für Kakao auf dem Weltmarkt schlagen sich bei Schoko-Hasen, -Küken und Co. nieder. „Wir sehen den Schokoladenmarkt vor einer Teuerungswelle, wie sie in der jüngeren Geschichte kaum vorgekommen ist“, warnt US-Investmentbank J.P. Morgan.
Im Supermarktregal: Weniger für mehr
Nach Daten des Statistischen Bundesamts bekommen die Verbraucher in Deutschland für jeden Euro ein Drittel weniger Schokolade als vor fünf Jahren. Der beliebte „Goldhase“ von Lindt schlägt erstmals mit über 4 Euro zu Buche. Tafeln sind im Schnitt fast ein Drittel teurer als im Vorjahr, wie Zahlen des Marktforschers NIQ für das erste Quartal zeigen. Die Alpenmilch-Sorte von Ritter Sport kostet statt 1,49 nun 1,89 Euro. Und Verbraucherschützer kürten „Milka“ des Konzerns Mondelez jüngst zur „Mogelpackung des Monats“: Während die lila Tafel von 100 auf 90 Gramm schrumpfte, wuchs der Preis von 1,49 auf 1,99 Euro.
Die Zeiten günstigen Kakaos sind Experten zufolge wohl endgültig vorbei. Westafrika, wo gut drei Viertel aller Bohnen herkommen, spürt den Klimawandel. Wetterextreme, Schädlinge und Misswirtschaft treiben den Preis. Die Ernte in Ghana brach 2024 um fast die Hälfte ein – die schlechteste in zwei Jahrzehnten – und erholt sich in diesem Jahr weniger als erhofft. Auch die Elfenbeinküste meldete herbe Rückgänge. Die Tonne Kakao wurde 2024 für bis zu rund 12.000 Euro gehandelt, sechsmal so teuer wie vor wenigen Jahren.

Mit knapp 1,3 Tonnen Kakao verdienten Kakaobauer Samuel Davor in der Saison 2023/2024 rund 2400 Euro.
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Auf dem Feld: Vielleicht bald gar nichts mehr
Ortsbesuch in Ghana: Samuel Davor, 67, steht mit einer Sichel zwischen 900 Kakaobäumen in einem Dorf im Westen des Landes. Statt neun Säcken Bohnen lieferte diese Parzelle letztes Jahr fünf. Mit knapp 1,3 Tonnen Kakao, die seine Anbauflächen insgesamt abwarfen, verdienten seine Frau und er rund 2400 Euro. Davon leben auch seine zehn Kinder. Kakaobauer will kaum eines von ihnen werden – die 18-jährige Regina, die in den Ferien aushilft, schneidert lieber.
Kakao ist empfindlich. Zu heiß, zu feucht, zu wenig Regen, zu viel Wind: Alles kann die Ernte ruinieren. Das Wetter in Westafrika, wo sich Wüstenwind und Regenmonate abwechseln, war lange perfekt. Nun wird es unberechenbar. „In 20 oder 30 Jahren kommt möglicherweise gar kein Kakao mehr aus Westafrika“, sagt der britische Rohstoffexperte Tedd George. „Selbst bei moderaten Erwärmungsszenarien wird es zu trocken und zu aufwendig.“
In diesem Jahr regnete es in Ghana zu spät und zu wenig. Vor der letzten Saison kam der Regen zu früh, Pilze und Schädlinge machten sich in Davors Bäumen breit. In Ghana mussten vorletztes Jahr nach Brancheninformationen rund 13 Millionen erkrankte Kakaobäume abgeholzt werden. Bis neue Bäume Früchte tragen, dauert es bis zu fünf Jahre. Überalterten Bestand rechtzeitig zu ersetzen, können sich viele Bauern nicht leisten.

Zu heiß, zu feucht, zu wenig Regen, zu viel Wind: Alles kann die Kakaoernte ruinieren.
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Vom Bauer zum Händler: Mit jeder Stufe teurer
Von den Supermarktpreisen bekommen Kakaobauern gerade einmal neun Prozent, heißt es in einer Studie von 2022, die die britische NGO Oxfam zitiert. Ghanas Bauern verdienen einem neuen Oxfam-Bericht zufolge im Schnitt weniger als die Hälfte dessen, was sie zum Überleben bräuchten. „Kakao ist ein Markt, in dem die Erzeuger ein sehr wertvolles Gut produzieren, aber nur einen sehr kleinen Anteil an der tatsächlichen Wertschöpfung erhalten“, sagt auch Agrarrohstoff-Strategin Tracey Allen von der US-Investmentbank J.P. Morgan.
Ghanas Kakaobehörde kauft den Bauern die Bohnen für etwa 70 Prozent des erwarteten Preises für die Saison ab. In diesem Jahr sind das etwa 3.000 Euro pro Tonne – mehr als je zuvor, aber noch deutlich weniger, als momentan an den Börsen erzielt wird. Die Kakaomasse wird Marktexperten zufolge für rund 20.000 Euro weiterverkauft. Der Supermarktpreis für eine Tonne „Goldhase“ von Lindt & Sprüngli liegt bei rund 43.000 Euro. Man habe die Preissteigerungen weitergeben müssen, teilte eine Sprecherin mit. Der Schweizer Schokoladenkonzern machte 2024 dennoch 715 Millionen Euro Reingewinn.

Rund 80 Prozent des Kakaos in Deutschland kommt aus der Elfenbeinküste und Ghana.
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An Westafrikas Kakao führt kein Weg vorbei
Die Branche ist sich der Lage bewusst und steckt Geld in Nachhaltigkeits-Programme wie das der NGO Rainforest Alliance, die in Ghana mit gut einem Drittel der Kakaobauern zusammenarbeitet. Samuel Davor hat mit ihrer Hilfe schattenspendende Bäume und Nutzpflanzen angepflanzt, die Böden mit Kakaoschalen-Kompost verbessert und Bienenstöcke angelegt. Die Idee: höhere Erträge, weniger Abholzung, zusätzliche Einnahmequellen. Davor sagt, das helfe ihm, aber er wünscht sich schlicht höhere Preise. Die Organisation Oxfam fordert mehr direkte Zahlungen von Herstellern und Supermärkten.
An Westafrika führt nach Angaben der Branche erst mal kein Weg vorbei. Rund 80 Prozent des Kakaos in Deutschland kommt aus der Elfenbeinküste und Ghana. „Schon allein wegen der großen Importmengen und des Anpflanzungszeitraums wäre ein kurz- oder mittelfristiger gravierender Wechsel aus diesen beiden Ländern als Hauptlieferanten für Deutschland unrealistisch“, heißt es vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie (BDSI). „Im Übrigen ist durch die EU-Entwaldungsverordnung die Neupflanzung von Kakao in neuen Anbaugebieten stark eingeschränkt.“
Weniger Schoko-Hasen – oder weniger Schoko im Hasen
Für Schokoladen-Liebhaber sieht Kakaoexperte Tedd George ein erschreckendes Szenario: Die Süßigkeit selbst könnte sich ändern. „Sie wird immer noch genauso aussehen und schmecken, aber sie wird weniger und schlechteren Kakao enthalten“, meint er. Hersteller experimentieren schon jetzt mit Rezepten, um Kakaobutter etwa durch Baumwollsamenöl zu ersetzen.
Chocolatiers beeilen sich zu betonen, dass das trotz der Preislage nicht zur Debatte stehe. „Dass sich mit diesen Ersatzprodukten Schokolade machen lässt, die die damit verbunden Genussmomente auslöst, sehen wir aktuell nicht“, sagt eine Sprecherin von Ritter Sport. „Trotz Kostendruck halten wir an der hohen Qualität unserer Premiumprodukte fest“, teilt Lindt & Sprüngli mit.
In Deutschland wirken sich die Preise aber schon jetzt auf den Schokoladenkonsum aus. Nach Zahlen des Marktforschers NIQ wurde zu Jahresbeginn 10 Prozent weniger Tafelschokolade und 20 Prozent weniger Pralinen verkauft. Die deutschen Süßwarenhersteller produzierten nach Angaben des Verbands BDSI aufgrund der Preise nur 228 Millionen Schoko-Osterhasen – 12 Millionen weniger als 2024. (dpa)