Viele Bauern hierzulande nutzen in ihren Betrieben immer häufiger künstliche Intelligenz (KI). Deutschland gehört in diesem Bereich zu den Vorreitern, auch der Leverkusener Konzern Bayer ist dabei.
Drohnen, Daten und KIWie digitale Technik die Landwirtschaft revolutioniert
Pflanzenschutz, Wettervorhersagen, Gesundheitsüberwachung der Tiere: Künstliche Intelligenz ist in der Landwirtschaft angekommen. „In der KI-Technik gab es in den vergangenen Jahren große Sprünge“, sagt Martin Atzmüller dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit Blick auf die Landwirtschaft. Atzmüller ist Professor am Institut für Informatik der Universität Osnabrück und leitet den Forschungsbereich „Planbasierte Robotersteuerung“ des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.
Gerade die Landwirtschaft ist seit jeher darauf angewiesen, dass Daten erhoben und ausgewertet werden. Während Bauern vor Jahrhunderten noch versuchten, vermeintlich göttliche Zeichen zu deuten, wuchs die Menge an empirisch erfassbaren Daten seit der digitalen Revolution stark an. Jetzt sollen KI-Programme präzise Vorhersagen und fundierte Entscheidungen treffen.
Atzmüller erklärt, wie Daten und der Einsatz von KI miteinander verzahnt sind: „Drohnen ermöglichen es beispielsweise, kostengünstig Karten von Landflächen zu erstellen“, sagt er. Mit diesen Karten wiederum lernten die KI-Programme, was es ihnen ermöglicht, eigenständig landwirtschaftliche Geräte zu steuern und im Notfall auf Hindernisse zu reagieren. „Das ist für Landwirte eine enorme Hilfe.“
KI soll Extremwetter prognostizieren
Dabei handelt es sich nur um einen von vielen Einsatzorten. Abseits des Feldes können KI-Anwendungen auch im Stall oder im Büro ihren Einsatz finden. Durch präzise Vorhersagen soll den Landwirten zudem geholfen werden, etwa bei Extremwetterereignissen. KI-Programme werten Satelliten- und Wetterdaten aus, berechnen Bodenfeuchte, Tagesniederschlag und Temperatur. Mit diesen Daten lernen die Programme dann wiederum, möglichst exakte und regionenspezifische Wettervorhersagen zu machen.
Auch der Leverkusener Bayer-Konzern ist seit Jahren auf dem Feld aktiv. „Wir helfen den Landwirten mithilfe von digitaler Technologie und KI, die vielfältigen verfügbaren Daten sinnvoll zu nutzen. Damit können die Landwirte sich jeden Tag informieren und damit bessere Entscheidungen treffen. Das führt zu mehr Ertrag und geringeren Kosten bei weniger Ressourcenverbrauch“, sagt Bayer-Sprecher Alexander Hennig. Für die Datenerhebungen nutzt der Konzern eine eigens entwickelte Drohnentechnologie.
Zudem verwendet Bayer ein KI-Tool, um die Pflanzdichte auf Feldern und die Ertragsinformationen zu verwalten. „Im Jahr 2015 dauerte die manuelle Dateneingabe für ein Feld acht Stunden, wobei mehr als zehn Plattformen benötigt wurden. Im Jahr 2021 konnten wir mit einer einzigen Plattform an einem Tag die Saatgut-Skripte für etwa 1000 Felder fertigstellen“, so Hennig.
Bayer kooperiert mit Microsoft
Die Saatgutproduktion von Bayer wird ebenfalls mithilfe von KI-Modellen optimiert, die Informationen darüber liefern, wo, wann und mit welcher Dichte gepflanzt, wann bewässert und wann geerntet werden soll. So kann auf demselben Stück Land mehr produziert und gleichzeitig der Einsatz von Wasser oder Dünger reduziert werden. Das steigere die Produktivität um mehr als 30 Prozent, sagt Hennig.
Derzeit arbeitet Bayer zusammen mit Microsoft an einem generativen KI-Tool. Grundlage sind interne agronomische Daten aus den vergangenen Jahrzehnten, mit denen das Modell trainiert wurde. Es umfasst Erkenntnisse aus zahlreichen Feldversuchen und Erfahrungswerte von Bayer-Agronomen weltweit. „Das intuitive System reagiert auf menschliche Sprache und kann innerhalb von Sekunden Fachinformationen bereitstellen“, sagt Sprecher Hennig. So könne ein Landwirt künftig eine Reihe detaillierter Fragen zu den Merkmalen eines Produkts, zur Leistung unter bestimmten agronomischen Bedingungen und zu konkreten Dosierungen stellen. Statt wie bislang nach Materialien zu suchen, Kollegen zu kontaktieren, weitere Daten aus verschiedenen Quellen zu sammeln und eine Antwort zusammenzustellen, liefert das Tool von Bayer Informationen innerhalb von Sekunden, so Hennig.
„Wir sind Weltspitze“
Künstliche Intelligenz funktioniert, indem Computer mit Algorithmen Daten analysieren, Muster erkennen und darauf basierend Entscheidungen treffen oder Aufgaben erledigen. Eine wichtige Technik ist das maschinelle Lernen, bei dem KI-Modelle anhand vieler Beispiele trainiert werden, um Vorhersagen zu treffen oder Probleme zu lösen. Die KI passt sich dabei an neue Daten an, ohne explizit programmiert zu sein, und wird so immer besser in dem, was sie tut.
„Insbesondere die Region Osnabrück ist ein Hotspot für Forschung an integrativen KI-Systemen und deren Anwendung im landwirtschaftlichen Bereich“, sagt Atzmüller. Zusammen mit Hochschulen und anderen Unternehmen aus dem sogenannten „Agrotech Valley“ sei man in diesem Bereich an der Weltspitze. Und das in einem Land, in dem beim Thema Digitalisierung noch Nachholbedarf herrscht.
Dass Landwirtschaftsbetriebe immer häufiger KI-Programme einsetzen, zeigt eine repräsentative Befragung von 500 landwirtschaftlichen Betrieben des Branchenverbands Bitkom. Für die Betriebe sei das eine Rechnung, die aufgeht; auch Experte Atzmüller spricht von reduziertem Personalbedarf. „Allerdings muss die Ausbildung von Landwirten unbedingt auf diese neuen Systeme abgestimmt werden“, sagt er. In der Zukunft würden viele weitere Entwicklungen aus der Forschung in die Anwendung gehen, dann brauche es geschultes Personal, das mit den neuen Systemen umgehen kann.
Die Umwelt kann profitieren
Und auch die Umwelt profitiere davon. „KI wird die Landwirtschaft insgesamt nachhaltiger machen, da optimierte Prozesse Ressourcen sparen“, sagt Atzmüller. Ein konkretes Beispiel sei die Unkrautentfernung, mit der sich auch das Forschungszentrum beschäftigt: Die KI könne auf Feldern zwischen Unkraut und Beikraut unterscheiden, sodass gezielt gespritzt werden könne. Stehengelassene Beikräuter fördern demnach die Artenvielfalt und Biodiversität. Eine Technik also, die dem Menschen beim Kampf gegen den Klimawandel helfen könnte. Und das zu respektablen Teilen als „made in Germany“.