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Schweden wütend auf DeutschlandStrompreis erreicht Rekordhoch – Stahlwerk stoppt Produktion

Lesezeit 5 Minuten
Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen sind vor dem Abendhimmel zu sehen. Zuletzt sorgte eine „Dunkelflaute“ für hohe Preise am Strommarkt. (Symbolbild)

Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen sind vor dem Abendhimmel zu sehen. Zuletzt sorgte eine „Dunkelflaute“ für hohe Preise am Strommarkt. (Symbolbild)

Am Donnerstag schnellten die Strompreise in extreme Höhen. Aus Skandinavien kommt Kritik an Deutschland.

Ein Rekord-Strompreis hat am Donnerstag (12. Dezember) für reichlich Wirbel auf dem Energiemarkt gesorgt. Am Abend schnellte der Strompreis am tagesaktuellen Markt auf 936 Euro pro Megawattstunde – und erreichte damit einen neuen Höchstwert. Sogar auf dem Höhepunkt der Energiekrise hatten die Preise nicht höher als 900 Euro gelegen.

Die hohen Preise haben mitunter konkrete Konsequenzen: Ein Elektrostahlwerk in der sächsischen Stadt Riesa hat wegen der hohen Strompreise bereits am Mittwoch die Produktion gestoppt, berichtete das „Handelsblatt“. Am Freitag haben sich die Preise auf dem Strommarkt unterdessen wieder normalisiert.

Dunkelflaute sorgt für kurzzeitigen Rekord-Stormpreis

Verantwortlich für den zwischenzeitlichen Rekordpreis war eine sogenannte Dunkelflaute, erklärte das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz am Donnerstag im sozialen Netzwerk X, wo es großen Wirbel um den hohen Strompreis gegeben hatte.

„Die hohen Preise in einzelnen wenigen Stunden ergeben sich durch ein seltenes Zusammenkommen mehrerer Faktoren“, erklärte das Ministerium. Demnach habe eine Windflaute geherrscht, die zu 85 Prozent weniger Windstrom-Produktion geführt habe als der „sonst in dieser Jahreszeit übliche Durchschnitt“, hieß es weiter. Auch der Gaspreis sei zuletzt gestiegen, erklärte das Ministerium. Zudem sorge die kalte Witterung für einen „derzeit vergleichsweise hohen“ Stromverbrauch in Deutschland.

Ministerium: Keine Auswirkung auf Jahresdurchschnittspreis

„Es handelt es sich hier um sehr wenige teure Stunden. Sie wirken sich daher nicht nennenswert auf den Jahresdurchschnittspreis von Strom aus“, erklärte das Ministerium weiter. Der durchschnittliche Strompreis der letzten zwölf Monate habe bei rund 75 Euro pro Megawattstunde gelegen – und damit deutlich unter den Preisen aus den Vorjahren. So habe der Durchschnittspreis 2023 noch bei 95 Euro gelegen. Nach Beginn von Russlands Krieg gegen die Ukraine und der folgenden Energiekrise lag der Durchschnittspreis 2022 demnach sogar bei 235 Euro.

Das zwischenzeitliche Preishoch in den letzten Tagen sorgte unterdessen auch im europäischen Ausland für Wirbel. „Die Achterbahnfahrt der Strompreise ist furchtbar“, schrieb die stellvertretende schwedische Ministerpräsidentin und Energieministerin Ebba Busch im sozialen Netzwerk X. Durch die Abschaltung von Kernkraftwerken sei der Strompreis heftigen Schwankungen ausgesetzt, kritisierte die Schwedin.

Ärger in Schweden über deutschen Atomausstieg

„Wenn der Wind nicht weht, bekommen wir mit diesem gescheiterten Stromsystem hohe Strompreise, wie die deutschen Strompreise zeigen“, schrieb Busch mit Blick auf Deutschland und den kurzzeitigen Rekordpreis auf dem Strommarkt. Schweden tue deshalb „alles, um das Stromsystem wieder aufzubauen“, die Planungen für neue Kernkraftwerke in dem skandinavischen Land würden vorangetrieben, versicherte Busch.

Zuvor hatte die schwedische Ministerin bei einem Auftritt bereits davon gesprochen, sie sei wegen des Atomausstiegs „wütend auf die Deutschen“. Die Entscheidung in Berlin habe schließlich auch nachteilige Auswirkungen für Europa. „Sie haben eine Entscheidung für ihr Land getroffen, zu der sie das Recht haben. Aber es hat sehr schwerwiegende Folgen, auch für die Wettbewerbsfähigkeit der EU, denn wir sehen, dass die deutsche Wettbewerbsfähigkeit deutlich gesunken ist“, zitierte die „Bild“-Zeitung die Schwedin.

Hoher Strompreis auch in Norwegen: „Eine absolut beschissene Situation“

In Norwegen zeigte man sich zuletzt ebenfalls unglücklich mit den Strompreisen in der EU – und will nun über eigentlich geplante Stromleitungen nach Dänemark und Deutschland noch einmal nachdenken. Auch in Norwegen erreichte der Strompreis am Donnerstag den höchsten Stand seit 2009 - und verzwanzigfachte sich im Vergleich zur Vorwoche. „Es ist eine absolut beschissene Situation“, erklärte Norwegens Energieminister Terje Aasland.

Hintergrund der angespannten Lage ist ein Rückgang wetterunabhängiger Stromerzeugungskapazitäten in Deutschland. 2024 wurden über vier Gigawatt an Braunkohle- und Steinkohlekraftwerken abgeschaltet. 2022 waren bereits die letzten Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen worden. So hatte es die damals von der Union geführte Regierung nach dem Atom-Unglück im japanischen Fukushima beschlossen.

Habeck begräbt Pläne nach Widerstand von Union

Eine von der Bundesregierung geplante kurzfristige Abhilfe wird es vorerst derweil nicht geben. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) begräbt seine Pläne für ein neues Kraftwerksgesetz in dieser Legislaturperiode. Die Umsetzung des geplanten Gesetzes zur Förderung neuer Gaskraftwerke sei leider nicht mehr möglich, dazu fehlten die erforderlichen Mehrheiten, teilte das Wirtschaftsministerium mit.

Aus Kreisen des Ministeriums hieß es, die Unionsfraktion habe klargemacht, dass sie das Gesetz und den zügigen Zubau der Kraftwerke ablehne. Nach dem Bruch der Ampel-Koalition im November haben SPD und Grüne keine Mehrheit im Parlament mehr.

Kraftwerksgesetz: „Umsetzung ist nun leider nicht mehr möglich“

Die Umstellung des Stromsystems auf erneuerbare Energien erfordere den Zubau von flexiblen Kapazitäten, teilte das Ministerium weiter mit. „Für den Zubau dieser flexiblen Kraftwerkskapazitäten lag ein fertiges Gesetz auf dem Tisch – das Kraftwerkssicherheitsgesetz – es ist mit der EU-Kommission verhandelt“, sagte ein Sprecher. „Die Umsetzung ist nun leider nicht mehr möglich, dazu fehlen die erforderlichen Mehrheiten. Deshalb konzentrieren wir uns jetzt auf das, was machbar ist.“

Die neuen Gaskraftwerke sollen künftig einspringen, wenn der Strombedarf durch erneuerbare Energien nicht zu decken ist – in „Dunkelflauten“, wenn keine Sonne scheint und kein Wind weht. Die Gaskraftwerke sollen später auf klimafreundlicheren Wasserstoff umgestellt werden. Das Ministerium schätzte die Kosten für die staatliche Förderung auf etwa 17 Milliarden Euro über einen Zeitraum von 2029 bis 2045.

Erste Ausschreibungen zum Bau neuer Kraftwerke sollte es eigentlich im ersten Halbjahr 2025 geben, so lautete das Ziel des Ministeriums. Erste neue Kraftwerke sollten 2030 in Betrieb genommen werden. Diese Ziele sind nun nicht mehr zu halten. (mit dpa)