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Einkaufen mit HandicapSo bereitet sich der Handel auf eine alternde Gesellschaft vor

Lesezeit 3 Minuten

Zu kleine Preisschilder sind beim Einkaufen ein Problem für ältere Menschen.

  1. Die Gesellschaft wird immer älter – wie reagiert der Einzelhandel in Köln und Region auf diese Entwicklung?
  2. Zum Beispiel mit Schulungen im Lernladen in Aachen. Dort können angehende Einzelhandelsleute ausprobieren, wie es sich anfühlt, an grauem Star erkrankt zu sein oder ein Muskelzittern zu haben.
  3. Lesen Sie hier auch weitere Folgen unserer Wirtschafts-Serie „Marktplatz”, in der wir Trends und Entwicklungen im Handel in Köln und Region erklären.

Aachen/Köln – Die Aufgabe klingt einfach: fünf vorgeschriebene Artikel in unter einer Minute in den kleinen, roten Einkaufskorb legen. Patrick Dohmen steht im Sense-Lernladen, einem nachgebauten Mini-Supermarkt im Aachener Berufskolleg für Wirtschaft und Verwaltung, und stoppt die Zeit. Drei Kursteilnehmer versuchen sich an der Aufgabe – am Ende hat nur einer mit der Zartbitter-Schokolade einen Zufallstreffer gelandet. Der Einkaufszettel, den Dohmen den Schülern gezeigt hat, war auf Arabisch geschrieben.

„Auf den Preisschildern an den Regalen standen die Produktbezeichnungen in arabischer Sprache“, erklärt Dohmen, Gründer des Europäischen Kompetenzzentrums für Barrierefreiheit, die Übung. „Ihr hättet nur die Schriftzeichen vergleichen müssen. Instinktiv schauen wir aber nur auf die Produkte.“ Das hätten auch Studien bewiesen. Was Dohmen mit dieser Übung zeigen will: Barrierefrei ist nicht nur rollstuhlgerecht. Auch Sprach-, Lern- und Sehschwierigkeiten sind Gründe, wenn Menschen beim Einkaufen Produkte nicht finden.

Ein Zukunftsthema für den Handel

Für solche Einschränkungen möchte Dohmen sensibilisieren, in dem er Teilnehmer seiner Schulung möglichst viel ausprobieren lässt. Mit speziellen Brillen lässt sich grauer Star simulieren. Zwei Handschuhe geben kleine Stromschläge ab und lassen erahnen, wie schwer es ist, mit einem Muskelzittern an der Kasse das Kleingeld aus dem Portmonaie zu holen. Über 3200 Auszubildende verschiedener Berufe – darunter viele angehende Einzelhandelskaufleute – hat Dohmen im Lernladen bereits geschult. „Personal mit Verständnis und ohne Berührungsängste macht bei Barrierefreiheit enorm viel aus“, ist sich der gelernte IT-Betriebswirt sicher – und das werde im Hinblick auf den demografischen Wandel immer relevanter.

Anfragen beim Handelsverband und Supermarktketten bestätigen, dass die alternde Gesellschaft als Zukunftsthema im Einzelhandel längst angekommen ist. „Einkaufen sollte für jeden möglich sein, dabei haben wir Senioren genauso im Blick wie Mütter mit Kinderwagen und Kunden im Rollstuhl“, sagt Handelsverbandssprecherin Carina Peretzke. Breite Gänge, Ebenerdigkeit und gute Beleuchtung sind für die Märkte von Rewe, Edeka und Real längst selbstverständlich und gehören zu den Leitlinien.

Etwa 1300 zertifizierte Geschäfte in NRW

Auch hohe Regale, kleine Preisschilder und laute Musik, zum Beispiel im Fall von Autisten, erschweren das Einkaufen. Mit dem Siegel „Generationenfreundliches Einkaufen“ zertifiziert der Handelsverband seit 2010 bundesweit Supermärkte und Einzelhändler, die in dieser Hinsicht vorbildlich sind. Etwa 1300 Geschäfte in NRW seien geprüft und ausgezeichnet worden, etwa jeder zweite Rewe-Markt hat das Siegel bekommen.

Die ausgezeichneten Märkte werben unter anderem mit rutschfesten Böden und Möglichkeiten zum Ausruhen. Für viele sei der orange Aufkleber an der Tür auch eine Marketing-Strategie. „Natürlich ist das Siegel ein Wettbewerbsvorteil“, sagt Verbandssprecherin Peretzke. Sie sagt auch: Die Kunden bleiben länger, sind zufriedener und kommen wieder, schließlich sind die Maßnahmen für alle Menschen – ob mit oder ohne Einschränkung – komfortabel. Wie viel Umsatzgewinn „generationenfreundliche“ Geschäfte aber tatsächlich haben, lässt sich nicht beziffern.

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Dohmen schätzt, dass barrierefreies Einkaufen durch den demografischen Wandel in der Zukunft bis zu 50 Prozent ausmachen könnte. Von den oft gepriesenen digitalen Lösungen wie Hilfsapps oder Online-Bestellsystemen, die das Einkaufen im stationären Handel überflüssig machen, hält er nicht viel. „Auch die Senioren der Zukunft werden grauen Star haben“, sagt er. „Und viele wollen auf den Einkauf nicht verzichten, weil sie sonst den ganzen Tag alleine Zuhause sitzen.“ Inklusion heißt für Dohmen aber: Eine Gesellschaft, an der alle im gleichen Maße teilnehmen.