Mehr als 20 Unternehmen in Köln wirtschaften nach der sogenannten Gemeinwohl-Ökonomie. Ihnen geht es nicht um Gewinn, sondern um Gerechtigkeit und Verantwortung. Kann das gelingen?
Elf Kölner Gastronomen ausgezeichnetWenn für Unternehmen das Gemeinwohl mehr zählt als der Profit

In der Flora bekamen elf Kölner Gastronomen ihre Gemeinwohl-Zertifikate verliehen.
Copyright: Heribert Rösgen
Wenn von Wirtschaftlichkeit die Rede ist, geht es schlussendlich um den Unternehmensgewinn. Die weltweite Bewegung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) sieht das anders: Sie stellt die Verfassungswerte Menschenwürde, Freiheit und Demokratie, Solidarität, soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung ins Zentrum wirtschaftlichen Handelns. Sie fußt auf einer Publikation des österreichischen Aktivisten Christian Felber.
Elf Gastronomen wurden in der Flora ausgezeichnet
Seit 2011 können sich Firmen hierzulande anhand dieser Werte überprüfen lassen. In Köln haben das schon mehr als 20 Unternehmen getan, etwa die Köln-Bäder, die Stadtentwässerungsbetriebe, der Caritasverband und die Diakonie Michaelshoven. Auch die Brauerei Zur Malzmühle und der Club Bahnhof Ehrenfeld sind dabei. Die Stadt Köln bekam vom Rat den Auftrag, interessierte Betriebe bei der Gemeinwohl-Bilanzierung zu unterstützen und zu fördern.
Am Donnerstag bekamen elf Gastronomen feierlich ihr GWÖ-Zertifikat in der Kölner Flora überreicht. Dabei hoben Kölns Umwelt-Dezernent William Wolfgramm und Köln-Business-Geschäftsführer Manfred Janssen die Bedeutung der Szene hervor: Sie sei nicht nur ein Wirtschafts-, sondern auch ein wichtiger Wohlfühl-Faktor für die Stadt.
Maureen Wolf, Mitinhaberin der Gaststätte Bei Oma Kleinmann und Sprecherin der IG Gastro betonte, dass Gastronomien Orte schaffen, an denen Menschen zusammenkommen. Alleine daraus erwachse schon eine soziale Verantwortung. Dafür biete der GWÖ-Prozess eine Art Kompass.
Betriebliche Abläufe werden neu gedacht
Wer sich auf den Zertifizierungsprozess einlässt, denkt betriebliche Abläufe neu. In die Bewertung fließen beispielsweise ethische Standards bei den Erzeugerbetrieben oder den Finanzpartnern ein, ökologische Auswirkungen bei der Produktion oder soziales Engagement und die Möglichkeiten betrieblicher Mitbestimmung. Wird bei der Bilanz ein bestimmter Punktewert erreicht, erhält das Unternehmen ein Zertifikat und das GWÖ-Siegel.
Tischlermeister Joachim Hoff aus Ehrenfeld nutzt für Termine bei Kunden ausschließlich sein Lastenrad und bevorzugt regionale Zulieferbetriebe. „Die Bilanzierung hat mir dennoch viele Hinweise gegeben, worauf ich in Zukunft achten muss“, sagt der Handwerker. Dies und die Vernetzung mit anderen GWÖ-Betrieben seien gerade für kleine Unternehmen sehr wertvoll.

Tischlermeister Joachim Hoff hat für seinen Betrieb eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt.
Copyright: Heribert Rösgen
Oliver Kirchhof, Unternehmensberater und Coach, hat in den zurückliegenden beiden Jahren ganz auf Flugreisen verzichtet. Wenn es geht, berät er online und stellt Handouts nur noch digital zur Verfügung. Seinen Mobilfunkvertrag hat er bei einem Anbieter abgeschlossen, der ebenfalls GWÖ-zertifiziert ist.
Jedes Vierteljahr trifft sich die Szene im Rheinland
Der Verein Gemeinwohl-Ökonomie Rheinland ist das Netzwerk für GWÖ-Unternehmen aus der Region. Einmal im Quartal treffen sich bilanzierte Unternehmen und solche, die es werden wollen. Zuletzt ging es beispielsweise um Kommunikationsstrategien mit Mitarbeitenden und Kunden. Treffpunkt war die Kölner Kaffee-Rösterei Schamong, die vor zwei Jahren zu den hiesigen GWÖ-Pionieren gehörte.
Martina Dietrichs, im Vorstand des Vereins, rät dazu, das Zertifikat im Kunden- und Mitarbeitergespräch zu nutzen und hervorzuheben, was das Gegenüber dadurch erwarten kann. „Jeder Kunde kann schließlich den Bilanzbericht nachlesen. Man muss sich da ja richtig ‚nackig‘ machen“, sagt Dietrichs. Es komme darauf an, ein Bewusstsein zu schaffen, gesetzte Ziele gemeinsam zu erreichen – dann ist Gemeinwohl auch gut für die Wirtschaftlichkeit.