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RechtstippsWann Kinder Elternunterhalt zahlen müssen

Lesezeit 6 Minuten

Hohe Heimkosten: Nur wenn die Kinder nicht genug verdienen, sind sie nicht zum sogenannten Elternunterhalt verpflichtet.

Sogar erwachsene Kinder können ihren Eltern Unterhalt schulden. Der sogenannte Elternunterhalt wird zum Beispiel fällig, wenn ein Elternteil die Kosten für ein Heim alleine nicht übernehmen kann. In diesem Fall klopft das Sozialamt bei den Kindern an und stellt Forderungen.

Aber bin ich immer verpflichtet, den Unterhalt zu zahlen? Wie wehre ich mich gegen ungerechtfertigte Zahlungsaufforderungen? Kompakte Antworten gibt das Buch „Elternunterhalt: Wenn Eltern teuer werden“ vom Jürgen Wabbel. Der Buchautor ist Experte für Familien- und Erbrecht arbeitet in Braunschweig.

Gleich zu Beginn ermuntert der Rechtsanwalt Angehörige zum Widerspruch gegen die Unterhaltspflicht: „Sie müssen kein schlechtes Gewissen haben, wenn Sie sich gegen eine Forderung des Sozialamtes wehren und den eigenen Lebensstandard schützen wollen“, beruhigt Wabbel. Zumal andere Unterhaltsansprüche, etwa die der Kinder oder des Ehepartners, rechtlich gesehen immer Vorrang haben: „Die eigene und die finanzielle Absicherung der Familie gehen vor.“ Auch müsse für die Eltern lediglich das Existenzminimum sichergestellt werden.

Aber auch die Hilfeempfänger sollten Fehler im Vorfeld vermeiden. Der Autor warnt unter anderem davor, das Elternhaus vorschnell auf die Kinder zu übertragen, um es vor dem Sozialamt in Sicherheit zu bringen: Denn das Sozialamt kann die Immobilie zurückfordern, wenn die Schenkung weniger als zehn Jahre zurückliegt, so Wabbel. Auch wenn die Behörde von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch macht, kann sie zum Beispiel das Recht, die Immobilie umsonst zu nutzen, als Einkommen der Kinder bewerten. Bei Immobilien als Schonvermögen lauern viele Stolperfallen, die Wabbel im Einzelnen aufdröselt.

Erwachsene Kinder müssen die Heimkosten von Mutter und Vater selbst dann tragen, wenn die Eltern seit Jahrzehnten jeden Kontakt verweigert haben. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden. Ein Beamter aus Bremen muss daher 9000 Euro für das Pflegeheim seines mittlerweile gestorbenen Vaters zahlen. Beide hatten seit über 40 Jahren keinen Kontakt mehr - auf Wunsch des Vaters. Der Anwalt des Beamten kritisierte das Urteil: Der BGH habe verkannt, was ein Verhalten wie das des Vaters für einen Menschen bedeuten könne, sagte Michael Klatt aus Oldenburg. „Auch für einen Erwachsenen wie meinen Mandanten ist das eine hohe emotionale Belastung, die an psychischer Gewalt grenzt.“

Der Vater habe sich von seinem Sohn jedoch erst abgewandt, als dieser schon volljährig gewesen sei, begründete der BGH sein Urteil. Damit habe er seiner Elternpflicht im Wesentlichen genügt. Allerdings bleibt nach dem BGH-Urteil größtenteils unklar, wie es mit dem Elternunterhalt aussieht, wenn Vater oder Mutter den Kontakt zu einem minderjährigen Kind abgebrochen haben. Denn bisher gaben die Bundesrichter 2004 nur einer Frau recht, die keinen Unterhalt zahlen wollte: Sie war als Einjährige von ihrer Mutter verlassen worden.

Eine Verpflichtung zum Elternunterhalt entfällt nur, wenn das Kind nachweisen kann, dass es nicht genug verdient. Das hat das OLG Hamm entschieden (Az.: II-8 UF 14/12). In dem verhandelten Fall lebte die 93-jährige Frau in einem Altenheim. Da die Heimkosten ihr Einkommen überstiegen, zahlte die zuständige Kreisbehörde ihr monatlich Hilfe zur Pflege in Höhe von rund 1600 Euro. Daran mussten sich zwei Söhne monatlich mit rund 700 Euro beteiligen, zwei Töchter zahlten nichts, weil sie leistungsunfähig waren. Von einer weiteren Tochter verlangte die Behörde jedoch eine monatliche Zahlung in Höhe von 113 Euro. Das lehnte die Tochter ab und behauptete, ebenfalls nicht leistungsfähig zu sein.

Vor Gericht hatte die Frau damit keinen Erfolg. Sie habe ihre Leistungsunfähigkeit nicht nachgewiesen, argumentierten die Richter. Wichtige Kriterien hierfür seien etwa die Höhe von Vermögen und Einkommen. Diie Tochter habe nicht ausreichend dargelegt, welche Einkünfte aus Erwerbstätigkeit sie und ihr Ehemann erzielt hätten.

Nach Angaben der Deutschen Stiftung Patientenschutz zahlen die Kommunen jährlich 3,2 Milliarden Euro für die Pflege. 64 Millionen Euro und damit 1,74 Prozent der gesamten Kosten zahlen demnach die Angehörigen. Doch die Fälle strittigen Elternunterhalts könnten sich in nicht all zu ferner Zukunft doch noch bei den Gerichten häufen: „Die Generation der Scheidungskinder wird langsam erwachsen, ihre Eltern, zu denen teilweise aufgrund der Scheidung ein schwieriges Verhältnis besteht, altern“, sagt Birgit Niepmann vom Deutschen Familiengerichtstag. Viele könnten sich der Unterhaltspflicht mit dem Argument zu entziehen versuchen, das Verhältnis zu den Eltern sei zerrüttet.

Auch der Auskunftspflicht zum Vermögen und der Berechnung des Unterhalts sowie der Freibeträge widmet der Rechtsanwalt jeweils ein Kapitel. Gut zu wissen für verheiratete Angehörige: „Zu Angaben über Einkünfte und Vermögen Ihres Ehe- oder Lebenspartners sind Sie nicht verpflichtet“, erklärt Wabbel. Selbst dann nicht, wenn das Formular des Sozialamtes dies zu verlangen scheine.

Die Freibeträge (auch: Selbstbehalt) der Kinder betragen mindestens 1600 Euro für Alleinstehende und insgesamt 2880 Euro für Verheiratete - diese Beträge können sich noch erhöhen, wenn Kinder zu versorgen sind. Dabei gilt es zu beachten, dass auch das eigene Vermögen für den Unterhalt eingesetzt werden muss, zum Beispiel Eigentumswohnungen, Bankguthaben, wertvoller Schmuck oder Aktien. Nichtsdestotrotz sollten sich Unterhaltspflichtige nicht mit dem Mindest-Freibetrag zufrieden geben sondern ihre regelmäßigen Ausgaben und besondere Belastungen genau auflisten, rät der Rechtsanwalt.

Familieneinkommen für Unterhalt nutzen?

Bei einem verheirateten Unterhaltspflichtigen hängt seine Leistungsfähigkeit vom gesamten Familieneinkommen ab. Das heißt: Wenn das unterhaltspflichtige Kind nicht viel Einkommen hat, das Schwiegerkind aber gut verdient, wird es schnell mit zur Kasse gebeten: „Das dem Ehepartner theoretisch zustehende Taschengeld wird von den Sozialämtern häufig dazu genutzt, ein eigentlich nicht vorhandenes Einkommen zu konstruieren“, berichtet Wabbel. Auch das sollte man nicht widerspruchslos hinnehmen.

Fazit: In zehn kurzen Kapiteln führt der Autor ohne viel Fachchinesisch in das komplexe Thema ein und verschafft dem Leser so einen guten Überblick. Abgerundet wird das 128 Seiten schlanke Buch durch eine Checkliste und drei Musterschreiben an das Sozialamt. Aktuelle Urteile kommen jedoch kaum vor, obgleich der Ratgeber bereits in zweiter Auflage erschienen ist.

In der Regel geht es um Kosten für die Pflege. Laut dem aktuellen Pflegereport der Krankenkasse Barmer GEK lag der monatliche Eigenanteil in der stationären Pflege bei Pflegestufe III 2011 im Schnitt bei 1802 Euro. Die Einkünfte und das Vermögen vieler Rentner reicht häufig nicht aus. „Im Durchschnitt bleiben etwa 1000 Euro ungedeckt“, erklärt Schausten. Diesen Betrag übernehmen zunächst die Sozialhilfeträger. „Doch dann schauen die Behörden, wie sie das Geld zurückbekommen und wenden sich an die Kinder.“

Zahlen müssen meist Verwandte in gerader Linie, in der Regel also die Kinder. Geschwister, Cousins, Cousinen, Onkel und Tanten sind in der Seitenlinie verwandt und daher nicht unterhaltspflichtig. Bei Verheirateten wird der Partner in die Rechnung einbezogen und sitzt damit mit im Boot. „Hier spielt immer das Familieneinkommen eine Rolle“, erklärt Schausten. Bei nicht verheirateten Paaren hingegen zählt nur das Einkommen des Kindes.

Die Sozialhilfeträger verlangen von den Kindern Auskunft über deren Einkommen und Vermögen. Aufgelistet werden zum Beispiel das berufliche Einkommen, aber auch Immobilienbesitz oder Kapitalvermögen. „Die Angaben müssen vollständig und richtig sein“, sagt Schausten. Werden Einkünfte oder Vermögensteile verschwiegen, wird das in der Regel als Betrug gewertet. „Und der ist strafbar.“ Allerdings zählt nicht nur das Einkommen, auch Ausgaben werden berücksichtigt. Gegengerechnet werden zum Beispiel Miete, Unterhaltsverpflichtungen für eigene minderjährige Kinder, Kosten für den Immobilienkredit oder Aufwendungen für die Altersvorsorge.

Ihr gesamtes Einkommen müssen Kinder nicht für den Elternunterhalt einsetzen. „Es gibt einen Selbstbehalt“, erklärt Rechtsanwalt Schausten, der Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein ist. Für Verheiratete liegt dieser derzeit bei 2880 Euro monatlich, bei Alleinstehenden bei 1600 Euro. Auch eine selbst genutzte Immobilie muss in der Regel nicht verkauft werden.