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Geothermische UntersuchungenErdwärme könnte das Heizen im Rheinland revolutionieren

Lesezeit 4 Minuten
Der Bogen der Uferbereiche am Flussverlauf der Rheindeiche an der Brücke der Bundesstraße 288 in Krefeld

Auch in die geothermischen Untersuchung einbezogen: Der Bogen der Uferbereiche am Flussverlauf der Rheindeiche an der Brücke der Bundesstraße 288 in Krefeld.

In welchen Regionen von NRW ist klimaneutrale Versorgung mit geothermischer Wärme möglich? Es gibt vielversprechende Ergebnisse von Bodenuntersuchungen.

So ändern sich die Zeiten. In den 1960er Jahren, zur Hoch-Zeit von Kohle und Stahl im Ruhrgebiet, haben Wissenschaftler in Nordrhein-Westfalen sich schon einmal mit Tiefenerkundungen auf die Suche gemacht – damals ging es um mögliche Öl- und Gasvorkommen. Das Ergebnis war ernüchternd. 20 Jahre später, nach dem Schock durch die Ölkrise, gab es sogar ein bundesweites Projekt quer durch ganz Deutschland.

Seit 2021 läuft an Rhein und Ruhr ein dritter Versuch. Diesmal geht es um eine Energieform, witterungsabhängig, die zu jeder Tages- und Nachtzeit und stabilen Preisen verfügbar ist und überdies wenig Flächen verbraucht. „Im Rheinland bieten die mitteltiefe und tiefe Geothermie große Chancen für eine klimafreundliche Wärmeversorgung.“ Mit dieser positiven Prognose will NRW-Klimaschutzministerin Mona Neubaur (Grüne) Mut machen, dass bei der Energiewende mittelfristig ein neuer Player ins Spiel kommen könnte.

An 7000 Stationen Schallwellen aufgezeichnet

Mit 4,9 Millionen Euro hat die Landesregierung seit 2021 seismische Untersuchungen im Münsterland und im Rheinland und die Aufbereitung und Modellierung der gewonnenen Daten gefördert. Allein im Rheinland haben Spezialfahrzeuge, sogenannte Vibrotrucks, an mehr als 1700 Messpunkten im Oktober 2022 Schallwellen in den Boden geschickt, deren Reflexionen an knapp 7000 Stationen aufgezeichnet wurden.

Mit Spezialfahrzeugen, sogenannten Vibrotrucks, werden Schallwellen in den Boden geschickt und deren Reflexionen aufgezeichnet. Foto: GD NRW

Mit Spezialfahrzeugen, sogenannten Vibrotrucks, werden Schallwellen in den Boden geschickt und deren Reflexionen aufgezeichnet. Foto: GD NRW

Wie bei einer Ultraschalluntersuchung entsteht auf diese Weise ein genaues Bild des Untergrunds bis in eine Tiefe von 3500 Metern. Die drei Messlinien zwischen Viersen, Krefeld, Düsseldorf und Duisburg sind insgesamt rund 70 Kilometer lang.

Doch was haben die Experten des Geologischen Dienstes NRW eigentlich genau gesucht? Es geht vor allem um ausreichend große und wasserführende Kalksteinformationen im Untergrund. „Wenn Wasser in diesen Formationen in großer Tiefe fließt, hat es eine gewisse Temperatur“, sagt Bettina Dölling vom Geologischen Dienst. „Je tiefer man kommt, desto wärmer ist das Wasser.“ Der geothermische Gradient beträgt drei Grad pro 100 Meter. „Man kann davon ausgehen, dass das Wasser in 1000 Metern Tiefe 30 Grad warum ist, in 2000 Metern 60 Grad.“

Der Ausbau der geothermischen Nutzung zählt seit März 2019 zu den Kernaufgaben des Geologischen Diensts. Damals hat der Landtag beschlossen, mithilfe seismischer Messungen von der Erdoberfläche aus ein möglichst exaktes Bild des Untergrund zu erstellen und wasserführende Gesteinsschichten zu erkennen.

Im Ruhrgebiet warmes Grubenwasser nutzen

Aus den Daten, die im Rheinland und im Münsterland gewonnen wurden, können Geowissenschaftler in einem komplexen Verfahren detaillierte zweidimensionale Untergrundbilder erstellen und daraus ableiten, in welcher Tiefe und mit welcher Mächtigkeit sich Kalkformation befinden, in denen man hochtemperiertes Tiefenwasser vermuten kann.

Die Forscher gehen mit den Messungen auch der Frage nach, ob nicht auch in den Hohlräumen des stillgelegten Steinkohlebergbaus im Ruhrgebiet beträchtliche Wärmeressourcen schlummern. Das hat eine Potenzialstudie „Warmes Grubenwasser“ ergeben. Dafür wurde die geologische Beschaffenheit des Bodens in einer Tiefe bis 6000 Meter untersucht.

Die geologischen Aufnahmen dienen also dazu, ein besseres Verständnis vom Aufbau des Untergrunds zu erhalten. Die Erkundungen umfassen das Alter, die Lagerungsverhältnisse und Eigenschaften der Gesteine im Untergrund, die Rohstoffsuche, die Standhaftigkeit des Bodens und Untersuchungen zur Tiefenlage und Qualität des Grundwassers.

Das Ziel ist klar: Die Daten sollen Aufschluss darüber geben, an welchen Stellen es sich lohnt, mit Tiefenbohrungen nach dem geothermischen Potenzial für die Beheizung von Gebäuden zu suchen.

Ergebnisse werden am 7. Juni vorgestellt

Auch wenn der Geologische Dienst die Ergebnisse für das Rheinland erst am 7. Juni im Ausschuss für Planung des Regionalrats in Düsseldorf vorstellen wird, gibt sich Klimaschutzministerin Neubaur schon jetzt optimistisch.

„Die ersten Auswertungen der seismischen Messungen des Geologischen Dienstes sind vielversprechend und zeigen, dass im Rheinland gute Potenziale für die klimaneutrale Wärmeversorgung vor Ort vorhanden sind“, sagt Neubaur. „Das Land liefert mit dieser Erkundung eine sehr gute Grundlage für Akteurinnen und Akteure vor Ort, die Wärmewende jetzt mit heimischen Ressourcen rasch voranzubringen und sich von Energielieferungen unabhängiger zu machen – bei minimalem Eingriff in die Natur.“

Bundesweit könnte nach Schätzungen von Professor Ingo Sass, Leiter der Sektion Geoenergie am Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam, mit unterirdischen Wasservorräten ein Viertel des gesamten Wärmebedarfs in Deutschland gedeckt werden.

Investoren in Geothermie-Kraftwerke können die Daten nutzen

Das Land sei in Vorleistung gegangen und habe die Untersuchungen bezahlt, sagt Bettina Dölling vom Geologischen Dienst. „Wenn ein Investor beispielsweise am Niederrhein plant, ein Geothermie-Kraftwerk zu errichten, liefern wir ihm erste Anhaltspunkte, in welche Tiefe er vordringen und mit welchen Dimensionen er rechnen muss. In der Regel müssen dann dreidimensionale Bilder erstellt werden und auch um Probebohrungen wird man natürlich nicht herumkommen. Das dauert schon mehrere Jahre.“

Der technische Vorgang zur Nutzung der Geothermie ist relativ einfach. Natürlich vorkommendes Tiefenwasser wird durch eine Förderbohrung an die Oberfläche gepumpt. Dort gibt das heiße Wasser seine Energie über Wärmetauscher beispielsweise an ein Wärmenetz, ein Wohnquartier, einen Industriebetrieb oder ein Gewächshaus ab und wird anschließend wieder in die Tiefe geleitet.