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Erneuerbare EnergienBundesregierung will Wachstum beim Ökostrom massiv bremsen

Lesezeit 4 Minuten
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Es ist technisch extrem anspruchsvoll Windräder in der Nordsee und der Ostsee weit vor der Küste zu errichten.

  1. Die Strommenge aus erneuerbaren Energien soll im Jahr 2025 einen Anteil von maximal 45 Prozent am Stromverbrauch ausmachen.
  2. Wird die gegenwärtige Ausbaugeschwindigkeit gehalten, wird der Anteil weit darüber liegen.

Frankfurt/Main – Die Bundesregierung will den Ausbau der Ökostrom-Erzeugung ausbremsen. Maschinenbauer und die Branche der Erneuerbaren laufen dagegen Sturm.

Was hat die Regierung vor?

Die geplante Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) soll noch vor der Sommerpause auf den Weg gebracht werden. Der gerade vorgelegte Referentenentwurf beruht auf zwei Grundpfeilern: Ausschreibungen und Deckelung der Ausbaus. Erstens soll der Ausbau weitgehend über Ausschreibungen organisiert werden. Das Prinzip: Es wird eine bestimmte zusätzliche Erzeugungskapazität vom Staat vorgegeben. Unternehmen können sich dafür bewerben. Der günstigste Anbieter kommt zum Zuge. Damit sollen die Kosten, die der Stromkunde letztlich trägt, so weit wie möglich gedrückt werden. Bislang wurde der Ausbau über Einspeisevergütungen organisiert, die von der Bundesregierung festgelegt wurden. Am Ausschreibungssystem gibt es zwar auch Kritik – doch es ist erkennbar, dass Anlagenbauer und Ökostromerzeuger damit leben können.

Was ist mit der Deckelung gemeint?

Die Bundesregierung hat eine ganze Reihe von Ausbauzielen definiert - das wichtigste in der aktuellen Diskussion: Die Strommenge aus erneuerbaren Energien soll im Jahr 2025 einen Anteil von maximal 45 Prozent am Stromverbrauch ausmachen. Derzeit sind es schon etwa 33 Prozent. Klar ist, wird die gegenwärtige Ausbaugeschwindigkeit gehalten, wird der Anteil weit über den 45 Prozent liegen. Das bedeutet, die Bundesregierung will das Wachstum beim Ökostrom massiv bremsen.

Welche Erzeugungsformen würde es treffen?

Es würde alle treffen. Wobei die Dynamik bei der Photovoltaik und bei Biomasse ohnehin schon verloren gegangen ist – durch das massive Kürzen der Einspeisevergütungen. Nun würde es auch die Windkraft treffen. Bemerkenswert dabei ist, dass auch die Offshore-Branche, die Windräder im Meer baut und betreibt, massive Kritik an den Plänen der Regierung formuliert – eigentlich sollten hier relativ günstige Bedingungen geschaffen werden.

Woran stören sich die Offshore-Firmen?

„Die Ausbauziele müssen deutlich angehoben werden“, sagt Trine Borum Bojsen, Deutschland-Chefin des dänischen Weltmarktführers Dong Energy. Dem haben sich unter anderem der Maschinenbauerverband VDMA und die Arbeitsgemeinschaft Offshore-Windenergie (AGOW) angeschlossen. Unisono wird davor gewarnt, dass technischer Fortschritt abgewürgt und Tausende von Jobs in der Zulieferindustrie, die vor allem an den Küsten zu Hause ist, gefährdet werden könnten.

Wo liegt das Problem?

Die Offshore-Windenergie hatte enorme Startschwierigkeiten. Es ist technisch extrem anspruchsvoll Windräder in der Nordsee und der Ostsee weit vor der Küste zu errichten und den dort erzeugten Strom an Land zu transportieren. Voriges Jahr wurde aber ein Durchbruch geschafft. Anlagen mit einer Leistung von 2250 Megawatt wurden neu installiert – das entspricht fast zwei Atomkraftwerken. Im Jahr 2020 werden insgesamt mit großer Wahrscheinlichkeit um die 7700 Megawatt installiert sein – vor noch nicht allzu langer Zeit war für Experten eine solche Größenordnung noch unvorstellbar. Der technische Fortschritt, immer mehr Erfahrungen mit Offshore-Anlagen und Skaleneffekte machen es möglich.

Wie wird es nach 2020 weitergehen?

Bleiben die Vorgaben der Bundesregierung bestehen, können für den Zeitraum von 2020 bis 2030 jährlich im Schnitt nur noch rund 700 Megawatt hinzu kommen. Ein derart geringer Zubau gefährde den Offshore-Standort Deutschland und damit tausende von Jobs, sagt Borum Bojsen. Und sie fügt hinzu, dass damit die Chance verpasst werde, die Kosten für Offshore-Windenergie nachhaltig zu senken.

Wie teuer ist der Windstrom, der vor der Küste erzeugt wird?

Die Experten von Dong Energy rechnen vor, dass die Kosten zwischen 2011 und 2015 um etwa ein Drittel geschrumpft sind. Die modernsten Anlagen können heute elektrische Energie für zwölf Cent pro Kilowattstunde erzeugen – doch damit ist Offshore-Strom noch immer die teuerste erneuerbare Energieform. Bei Dong ist man sich sicher, aber sicher, dass die Kosten schon bald unter zehn Cent fallen können, sofern zügig weiter ausgebaut wird. Deshalb fordert Borum Bojsen ebenso wie der VDMA, dass nach 2020 jährlich mindestens 900 Megawatt hinzu kommen müssen.

Wie sieht es mit der Windkraft an Land aus?

Da sieht es ähnlich aus. Die 45-Prozent-Marke wird nur dann nicht übertroffen, wenn der Onshore-Ausbau massiv gebremst wird. Studien haben ergeben, dass nach 2018 aber nur noch Anlagen mit einer Nettoleistung maximal 1500 Megawatt hinzukommen dürften - voriges Jahr waren es 3600 Megawatt. Die Pointe hierbei: Onshore-Wind ist mit Kosten von sechs bis acht Cent pro Kilowattstunde ist günstigste regenerative Energiequelle ist auch preiswerter als Strom aus Gaskraftwerken. Die Pläne der Bundesregierung führten „energiewirtschaftlich und industriepolitisch in eine falsche Richtung“, sagt Herman Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie. „Das Beschneiden des deutschen Marktes stellt die Spitzenposition deutscher Hersteller in internationalen Märkten in Frage und bedroht Tausende von Arbeitsplätzen.“ Der VDMA fordert, dass bei Onshore-Wind jährlich in jedem Fall 2500 Megawatt hinzu kommen. Das ist auch die Menge, die sich die Bundesregierung eigentlich vorgenommen hat.