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Elektro-Autos„Standort attraktiver machen“ – Ford-Chef kämpft für Bau in Köln

Lesezeit 7 Minuten
Mitarbeiterin Ford Werk Köln

Eine Mitarbeiterin im Ford-Werk in Köln-Niehl arbeitet an einem Fiesta.

Köln – Der neue Ford-Chef Gunnar Herrmann über den EU-Austritt Großbritanniens, die Zukunft der E-Mobilität, autonomes Fahren und die Stärken und Schwächen des Standorts Köln

Herr Herrmann, viele, die heute noch Diesel fahren, haben nach dem Abgasskandal ein mulmiges Gefühl und wünschen sich beim nächsten Mal ein umweltbewussteres Auto. Spüren Sie eine Verunsicherung?

Ja, bei vielen Kunden ist im Moment eine gewisse Unsicherheit da, wie es mit dieser Antriebstechnologie weitergeht. Wer sich vor zwei Jahren einen Diesel gekauft hat, weil er effektiv und günstig ist, macht sich heute vielleicht Sorgen, irgendwann wegen eines Fahrverbotes nicht mehr in die Stadt fahren zu dürfen. Seit dem Abgasskandal reduziert sich die Nachfrage nach Dieselmodellen deutlich.

Bekommt das auch Ford zu spüren?

Wir können das derzeit noch etwas gelassener betrachten, weil wir einen deutlich höheren Benzin-Mix als Diesel im Verkauf haben. Sollte der Dieselmarkt weiter einbrechen, wird das natürlich auch für uns akut.

Was bedeutet das konkret?

Die Produktion in den Werken ist sehr fein ausbalanciert. Wir können nicht einfach von heute auf morgen auf mehr Benzinmotoren umstellen. Und wir müssen strategische Entscheidungen für die Zukunft treffen: Ziehen wir uns aus der Entwicklung von Dieselfahrzeugen zurück? Wie geht mit der Entwicklung der E-Mobilität weiter? Das sind Entscheidungen, die nicht nur die Fahrzeugentwicklung sondern besonders auch die Fertigung betreffen.

Wann kommt denn das erste E-Auto von Ford auf den Markt – und wird es aus Köln kommen?

Der Ford Focus Electric ist bereits seit 2013 auf dem Markt und wird in unserem Werk in Saarlouis produziert. Wir haben gerade die neue Version mit verbesserter Reichweite präsentiert. Bis 2021 werden 13 elektrifizierte Modelle dazukommen – unter anderem ein völlig neues E-CUV Crossover-Modell. Die Entscheidung, wo dieses Modell gebaut wird, ist noch nicht gefallen – aber natürlich arbeite ich hart daran, dass es aus Köln kommt. Wir wollen unseren Standort noch attraktiver machen, das ist die beste Bewerbung für die Fertigung eines neuen Modells in Köln.

Was ist denn dafür erforderlich?

Hohe Flexibilität, die Bereitschaft weiter zu lernen, auch umzulernen. Wir müssen unsere Ressourcen aus den traditionellen Bereichen in neue Bereiche verlagern. Es muss schon ein bisschen vibrieren im Unternehmen. In der Vergangenheit ging es bei uns oft um Einsparungen. Heute wollen wir eine andere Kultur schaffen. Köln ist eines der effizientesten Werke weltweit. Das ist eine gute Position. Aber wir dürfen nicht nachlassen, weiter nach Effizienzen zu suchen und noch besser zu werden.

Droht ein Stellenabbau in Köln?

Für die Produktion von E-Autos werden andere Technologien eingesetzt, vielleicht auch weniger Mitarbeiter. Können Sie ihnen die Angst vor Jobverlust nehmen?

Es wird sicherlich Veränderungen geben. Aber das ist nicht neu. Jedes neue Modell, jede neue Fertigungstechnologie erfordert ein Umdenken und Lernen. Unsere Mitarbeiter können das und haben das in der Vergangenheit immer wieder bewiesen. Wie eine solche Transformation genau aussehen wird, kann ich noch nicht sagen. Aber ich bin sicher, dass unsere Mitarbeiter hier weiter gebraucht werden. Heute bauen wir Fiesta, künftig könnten wir vielleicht auch Batteriepakete bauen. Die Roboterunterstützung bleibt natürlich erhalten. Aber man braucht immer den Mitarbeiter für entsprechende Kontrollen und besondere Jobs. Blickt man auf die Ingenieurberufe, wird es eher noch einen Zuwachs geben.

Zur Person

Gunnar Herrmann (56) machte nach dem Abitur eine Lehre als Blechschlosser bei Ford, absolvierte die Wagenbauschule in Hamburg und kehrte Mitte der 80er Jahre als Ingenieur zurück zum Kölner Autokonzern. Der Leverkusener war nach Studienjahren in England und einem längeren USA-Aufenthalt an der Entwicklung des ersten Focus beteiligt und wurde 2002 Chefentwickler der Kompaktklasse.

Seit 2012 ist er Mitglied der Geschäftsführung von Ford Europa. Zum 1. Januar 2017 wurde er zugleich Chef der Ford-Werke, die in Köln und Saarlouis mit mehr als 24 000 Beschäftigten Autos produzieren. (ksta)

Glauben Sie es ist von Vorteil, dass Ihr bisheriger Ford of Europe-Chef Jim Farley jetzt in den US-Vorstand aufgestiegen ist?

Etwas Besseres hätte uns eigentlich nicht passieren können. Er weiß, wie wir in Deutschland und Europa ticken und was wir hier entwickelt und geleistet haben.

Blicken wir noch mal auf das Zukunftsthema E-Mobilität: Wo steht Deutschland im internationalen Vergleich?

In Fragen der Technologie sind derzeit fast alle Hersteller gleichauf. Und auch die Chinesen sehen hier derzeit eine Riesenchance, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Für alle gilt aber, dass die Produkte noch nicht profitabel sind, auch wenn die Preise für die Batterien in den vergangenen Jahren deutlich gesunken sind. Die Entwicklung ist sehr kapitalintensiv. Und in Deutschland sind sicher auch die Hochschulen und Universitäten gefordert, zum Thema Batterie-Technologien stärker zu forschen und auszubilden.

Der Aachener Professor, der bereits den E-Scooter für die Deutsche Post/ DHL entwickelt hat, stellt gerade ein E-Auto für unter 16 000 Euro vor. Werden sich solche Modelle durchsetzen?

Wenn man in großen Volumina bauen will, braucht man Standards. Alle Quereinsteiger, sogar die inzwischen etablierten Anbieter, bekommen irgendwann das Problem, dass dann Kunden vorfahren, die ihren alten Wagen in Zahlung geben wollen, bevor sie einen neuen kaufen und die zum Service nicht viele Kilometer fahren möchten. Man braucht also ein gutes Händler- und Servicenetz. Und das ist aufwendig und nicht eben mal zu etablieren.

Aufstrebende Technologie: Autonomes Fahren

Ein zweiter großer Trend ist das autonome Fahren. Wie stehen Sie denn persönlich dazu?

Ich benutze sämtliche Assistenzsysteme, die wir anbieten. Da bin ich verspielt und nutze gern die Technologie, die wir gerade entwickelt haben. Ich fahre selbst auch gerne richtige Sportwagen wie unseren Ford Mustang. Immer autonom zu fahren– von dieser Idee haben sich derzeit eigentlich alle in der Autoindustrie verabschiedet, weil es zu viele Szenarien gibt, in denen das Auto völlig autonom nicht mehr fahren würde.

Neben den technischen, gibt es auch politische Herausforderungen wie den Brexit.

Der Ausstieg von Großbritannien aus der EU tut uns richtig weh, denn in Großbritannien sind wir Marktführer. Viele unserer Motoren kommen aus England und viele der in den deutschen Werken gefertigten Autos liefern wir wieder nach England. Damit zahlt man zum Beispiel künftig zweimal Zoll. Derzeit haben wir einen Marktanteil in Großbritannien von 14 Prozent und er wird sicherlich sinken. Allein 600 Millionen Euro Zusatzkosten müssen wir derzeit aufgrund der Abwertung des britischen Pfunds ausgleichen. Die Zölle sind dabei noch gar nicht eingerechnet.

Blicken wir noch mal auf den Standort Köln. Was macht ihn insgesamt attraktiv, wo hapert es?

Grundsätzlich ist der Standort aufgrund seiner geografischen Lage einzigartig. Rund ein Viertel unserer Produktion wird mit dem Schiff nach Rotterdam transportiert. Für ein Werk mitten in einem Land ist das phänomenal. Ein weiteres Viertel wird über die Schiene transportiert. Noch besser entwickelt werden müssten Industrieparks, in denen sich Anbieter neuer Technologien etablieren können. Das bedeutet engere Zusammenarbeit und kürzere Wege zu unseren Fertigungsstätten.

Setzen Ford die Verkehrsprobleme zu?

Ford in Köln wird täglich von 600 Lastwagen angefahren, die Material liefern. Allein durch die Umfahrung der Leverkusener Brücke entstehen uns rund eine Million Euro Mehrkosten im Jahr. Wenn ein Unfall passiert und die Autobahn gesperrt wird, haben wir ein echtes Problem. Dann müssen wir die Teile gegebenenfalls einfliegen und es wird richtig teuer.

Sie hatten eine Fährverbindung für Mitarbeiter über den Rhein angeregt. Was ist daraus geworden?

Die Pläne sind ausgearbeitet, wir haben alle Genehmigungen. Aber sie sind leider nicht bezahlbar: fünf Euro pro Fahrt und Mitarbeiter – das geht nicht. Sollte der Bau einer neuen Brücke ins Stocken geraten, holen wir die Pläne jedoch wieder aus der Schublade. Wir haben viele interne Maßnahmen getroffen, um die Arbeitszeiten flexibler zu gestalten und die Möglichkeiten moderner Kommunikation besser zu nutzen. Viele Mitarbeiter haben kreative eigene Lösungen gesucht. Das entlastet unsere Mitarbeiter und übrigens auch den Verkehr auf der Brücke. Selbst auf Direktorenparkplätzen stehen jetzt manchmal Fahrräder.

Auf Ihrem Platz aber nicht?

(lacht:)Nein, noch nicht. Ich ringe mit mir. Ich habe ein schönes Fahrrad und hätte auch eine schöne Strecke von Leverkusen aus ins Büro. Mein Problem ist: Es passt oft nicht in meinen Tagesplan und ich habe eigentlich keine Lust, mich im Büro umzuziehen.