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Gaffel und ReissdorfKölsch-Brauer streiken – Wird in Köln jetzt das Bier knapp?

Lesezeit 5 Minuten
17.07.2024, Köln: Zum CSD wird die Reissdorf-Reklame am Rudolfplatz divers, Frau und Mann leuchten gleichzeitig.

Foto: Michael Bause

Reissdorf-Leuchtreklame am Rudolfplatz

Die Geschäfte der Brauereien liefen zuletzt schlecht, trotzdem wollen die Brauer mehr Geld. Argumente haben beide Seiten.

Droht Haushalten im Rheinland ein Kölschmangel? Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NNG) warnt genau davor. In etlichen Brauereien in NRW komme es in den kommenden Tagen und Wochen zu Warnstreiks, schreibt die NGG – und bei Gaffel und Reissdorf geht es am Freitag los. Bei Gaffel sind rund 130, bei Reissdorf etwa 90 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Streik aufgerufen. Für bis zu viereinhalb Stunden sollen die Beschäftigten der beiden Kölsch-Brauereien am Freitag kein Bier in Flaschen abfüllen.

Gewerkschaft will 6,6 Prozent mehr Lohn

Um ihr Kölsch müssten sich die Kölnerinnen und Kölner derzeit aber nicht sorgen, versichert Thomas Deloy: „Ich kann definitiv verneinen, dass das Bier knapp wird“, sagt der Marketing-Chef von Gaffel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Die Lager sind voll und der Betrieb wird nicht stillstehen.“ Ein entscheidender Teil der Belegschaft werde überhaupt nicht streiken, ist sich Deloy sicher.

Marc Kissinger, Geschäftsführer der NGG in Köln, geht hingegen davon aus, dass tatsächlich viele Mitarbeitende streiken werden, „weil sie es wichtig finden, ein Zeichen zu setzen.“ Diese Rückmeldung habe er beim Besuch des Gaffel-Betriebs am Donnerstag erhalten.

Im Streit um einen neuen Tarifvertrag fordert die NGG für alle Arbeitenden vom Sudkessel über das Labor bis zum Fasskeller für dieses Jahr ein Lohn-Plus von 6,6 Prozent, mindestens aber 280 Euro mehr pro Monat bei Vollzeitkräften. „Davon profitieren dann vor allem auch die, die nicht weiter oben auf der Lohn-Leiter stehen“, sagt Marc Kissinger, Geschäftsführer der Gewerkschaft in Köln. „Außerdem sollen auch die Azubis mehr bekommen: 130 Euro pro Monat.“

In den nordrhein-westfälischen Brauereien habe sich „einiges an Ärger zusammengebraut – vor allem auch bei Gaffel und Reissdorf in Köln“, sagt Kissinger, der den Brauereien vorwirft, beim Lohn „gewaltig auf die Bremse“ zu treten. „Damit provozieren sie jetzt einen Knoten in der Bierleitung.“

Der Lohn für Brauerinnen und Brauer orientiert sich am Tarifvertrag Rheinisch-Westfälische Brauereien. Demnach verdienen sie seit dem 1. Dezember 2024 bis zu 4225,50 Euro monatlich.

„Die Zeiten sind nicht zum Totlachen“, antwortet Michael Hollmann am Donnerstag auf die Frage nach der Lage der Brauereien. Er ist Chef des NRW-Brauereiverbands und führt die älteste Altbierbrauerei der Welt, die 1266 gegründete Privatbrauerei Bolten im niederrheinischen Korschenbroich. 75 Menschen arbeiten dort, 70 weitere in der dazugehörigen Gastronomie. „In der Gastro, in der in der Regel Bier getrunken wird, sind die Menschen sehr zurückhaltend“, sagt Hollmann. „Die Leute halten ihr Geld zusammen, sind verunsichert und vorsichtig. Das spüren wir auch.“

Deutschlandweit hätten die Brauereien im ersten Quartal dieses Jahres 7,3 Prozent weniger Bier abgesetzt, die Gastronomien sogar 9,8 Prozent weniger. „Wir kämpfen mit erhöhten Energie- und Rohstoffkosten“, sagt Hollmann. „Wir haben ein Angebot gemacht, dass wir vertretbar finden.“ 2,2 in diesem und zwei Prozent im nächsten Jahr haben die Arbeitgeber der Gewerkschaft sowohl in der ersten als auch der zweiten Verhandlungsrunde angeboten. Auch das schmerze die Brauereien schon, sagt Hollmann: „Wenn genug Geld verdient würde, wären Lohnerhöhungen kein Thema, aber die Zeiten sind schwierig. Die Mitarbeiter müssen Essen und Miete zahlen, das ist klar, aber wir können nur das anbieten, was möglich ist.“

Kölschabsatz um 2,5 Prozent gesunken

Christian Kerner, Geschäftsführer des Kölner Brauerei-Verbands, berichtet dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von einem leicht gesunkenen Kölschabsatz im vergangenen Jahr um 2,5 Prozent auf rund 1,42 Millionen Hektoliter – das entspricht 142 Millionen Litern. Im Jahr 2019 wurden im Durchschnitt noch 1,785 Millionen Hektoliter Kölsch produziert. Einer der Gründe sei der ziemlich verregnete Sommer 2024 gewesen, der oft nicht gerade zum Ausflug in den Biergarten lockte. Gaffel-Manager Thomas Deloy stimmt zu: „Im letzten Jahr fehlten Frühling und Sommer, die ganze Bierbranche hatte kein hervorragendes Jahr. Im Moment ist gutes Wetter, das hilft unserem Geschäft.“

„Das erste Quartal des laufenden Jahres war positiv“, sagt auch Kölschverband-Chef Christian Kerner, „insbesondere weil die Karnevalssession durch einen der spätest möglichen Rosenmontage besonders lang war.“ Allerdings sei der April 2025 für die Kölschproduzenten wenig erfreulich gewesen. „Die Aussichten sind insgesamt zurückhaltend, wir sehen ein zunehmend zurückhaltendes Konsumverhalten in Bezug auf Bier insgesamt“, so Kerner weiter.

Gewerkschafts-Chef Marc Kissinger weiß um die Argumente der Brauereien gegen Lohnerhöhungen und hält dagegen: „Die Preise für Mieten, für Energie, für Lebensmittel sind drastisch gestiegen. Um die Kostensteigerungen abzumindern, ist es nötig, einen sicheren Tariflohn zu haben.“ Und angesichts der extrem hohen Lebenshaltungskosten sei die Forderung von 6,6 Prozent in diesem Jahr nicht. Das zweistufige Angebot der Brauereien empfindet er als nicht ausreichend. „Unser Wunsch ist, dass wir eine vernünftige Lösung hinkriegen, wir sind aber in der letzten Verhandlungsrunde nicht ernst genommen worden“, sagt Kissinger.

Das empfindet auch Christian Pohlen so, er ist Betriebsrat bei Reissdorf und Mitglied der Tarifkommission. „Die Gespräche waren freundlich, aber für uns nicht zielführend, weil das Angebot sehr schlecht war“, berichtet er von den Verhandlungen. „Wir machen einen Warnstreik, um zu zeigen, dass wir bereit sind. Wir wollen Druck auf die Arbeitgeber ausüben.“ Pohlen rechnet mit einer hohen Streikbeteiligung bei Reissdorf.

Am Freitag gibt es vor dem Gaffel-Werkstor in Porz um 9.45 Uhr eine Kundgebung der Gewerkschaft mit anschließendem Protest-Umzug. Bei Gaffel wird von 9.30 bis 12.30 Uhr gestreikt, bei Reissdorf von 8.45 Uhr bis 13.15 Uhr. Am Mittwoch, 28. Mai, treffen sich Gewerkschaft und Arbeitgeber zur dritten Verhandlungsrunde.