Kritisch und flexibelDarum ist die Generation Y besser als ihr Ruf
Wer als Kind in den 1970er den Fernseher eingeschaltet hat, konnte diese Melodie rückwärts pfeifen: „Der, die, das / Wer? Wie? Was? / Wieso? Weshalb? Warum? / Wer nicht fragt, bleibt dumm!“ - Führungskräfte von heute saßen damals gebannt vor der Flimmerkiste, als die „Sesamstraße“ auf Sendung ging. Eigentlich sollten sie die „Generation Y“ bestens verstehen, denn Soziologen kleben ihr gerne das Etikett „Generation Why“ an.
Häufig ist aber das Gegenteil der Fall: „Diese Haltung stößt bei älteren Führungskräften nicht immer auf Verständnis“, sagt die Recruiting-Spezialistin Regina Bergdolt. „Ich meine die Generation der Babyboomer, die ab 1955 geboren wurde. Teilweise auch die Generation X, deren Vertreter bis 1980 zur Welt kamen.“
Und die Generation Y? Ihre Vertreter wurden nach 1980 geboren – und einige davon studieren in Mannheim „Accounting & Controlling“, und zwar an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW). Zum Beispiel sagt der 19-jährige Yanik Frank: „Wichtig ist immer die Frage: Warum ist das so?“ Denn ein Verständnis für Hintergründe sei notwendig: „Wenn wir weiterkommen wollen, müssen wir Abläufe im Unternehmen besser verstehen.“ Das habe nichts mit mangelndem Respekt vor Führungskräften zu tun.
Es sei denn - sie verfügen nicht über echte Führungsqualitäten: „Wir stellen Autoritäten schnell in Frage“, sagt Nina Held (19). Das passiere leicht, wenn sich Chefs auf eine formale Autorität berufen, ohne im Alltag das entsprechende „Standing“ zu beweisen. Und ihre Kommilitonin Amira Schäfer, 22, ergänzt: „Ich will gefordert und gefördert werden, langfristig brauche ich im Job einen persönlichen Mehrwert.“
Bergdolt ist diese Haltung sympathisch: „Immer wieder fragt sich diese Generation: Was ist der Maßstab für Erfolg? Wie sieht eine sinnerfüllte Arbeit aus?“ Autoritäten würden durchaus anerkannt, „wenn sie sich Respekt erworben haben - aber nicht um ihrer selbst Willen.“
Daher fordert die Recruiting-Fachfrau ein „neues Denken“, und zwar in ihrem aktuellen Buch Führung im Unternehmen: „Gefährlich ist es, die generationseigenen Führungs- und Wertevorstellungen allen aufzudrücken. Dann bleibt man gefangen in der ‚Denke‘ der eigenen Generation.“ Das funktioniere nicht gut in der Zusammenarbeit: „Wer will sich schon vorschreiben lassen, wie er zu denken hat? Die Unternehmen brauchen ja auch mündige und mitdenkende Arbeitnehmer.“ Ihre Konsequenz: „Statt gegen die Ansprüche der Generation Y zu kämpfen, wäre die Energie besser in einen wertschätzenden Führungsstil investiert.“
Denn die Recruiting-Spezialistin ist überzeugt: Die jungen Leute halten den anderen Generationen auch einen Spiegel vor, in dem traditionelle Vorstellungen vom Arbeitsleben zu erkennen sind: „Überstunden und Präsenz sind gut, eine wahre Karriere führt ‚kaminartig‘ nach oben, wer einen Coach braucht, hat eher ein Problem.“
Außerdem werde sichtbar, wie sehr sich Menschen an ihren Status klammern. „Viele Mitarbeiter fragen sich: Wie viele Fenster hat mein Büro? Hat mein Dienstfahrzeug genug PS?“ Das alles nimmt die „Generation Y“ wahr, denkt aber ein Stück weiter: „Die jungen Leute wollen neue Office-Konzepte und flache Hierarchien, sie möchten kreativ in Netzwerken arbeiten“, so Bergdolt.
Die Generation Y tritt in der Regel selbstbewusst auf, der demografische Wandel spielt den jungen Leuten immer mehr in die Hände. „Sie wünschen sich Perspektiven, daher die durchaus berechtigte Frage an den potenziellen Arbeitgeber: ‚Was haben Sie mir zu bieten?‘“, sagt die Recruiting-Spezialistin Regina Bergdolt.
Was ist aber mit der „ur“-deutschen Tugend des „Pflichtbewusstseins“? Bergdolt: „Das wird häufig verwechselt. Das Vorurteil lautet: Wer sich um Freiräume sorgt, zeigt kein echtes Engagement. Diese Aussage stimmt nicht, was sich schon in der Generation X beobachten lässt.“ Auch die Generation Y zeige großes Engagement im Job – und im Privatleben.
Wie groß das sein kann, hat 2013 die Elbeflut bewiesen: „Menschen nutzten soziale Netzwerke, um zu Hilfe und Spenden aufzurufen und ihre Aktionen zu koordinieren“, erinnert sich Bergdolt. Das galt besonders für die „Generation Y“: Sie bevölkerten zu Tausenden Sandgruben, brachten fremde Möbel in Sicherheit – und orientierten sich über Facebook, wo ihre helfenden Hände gebraucht wurden. Bergdolt ist sich sicher: „Da wächst keineswegs eine Gruppe von Egoisten heran.“ Vielmehr genieße die „Generation Y“ die Informationsvielfalt und Freude an der Arbeit. „Sie erlauben es sich, andere Wege zu gehen.“
Doch die Realität sieht ganz anders aus, was die „Unternehmenskultur-Analyse Deutschland 2014“ ans Tageslicht bringt. Prof. Michael Förch vom Institut für Onlinekommunikation in Erding und Sabine Gilliar von Gilliar Consulting befragten im Frühjahr 2014 rund 80 Erwerbstätige - vom Angestellten bis zum Geschäftsführer, quer durch alle Branchen und Generationen. Gilliar engagiert sich auch im Netzwerk „culture2busisness“.
Die Frage nach dem „Warum?“ stellt die Generation Y mit vollem Recht. Der Grund: Der Aussage „Entscheidungen werden nachvollziehbar, transparent und fair vermittelt“ wollten nur 23,4 Prozent der Befragten zustimmen. Die restlichen Teilnehmer bewerteten kritisch, wie die Transparenz in ihrem Unternehmen aussieht.
„Unsere Ergebnisse haben keinen repräsentativen Anspruch, lassen aber eine klare Trendanalyse zu“, sagt Studienautor Förch. Generell zeige sich, dass die „Generation Y“ auch für ältere Mitarbeiter spricht, wenn sie unter anderem Transparenz in Unternehmen einfordert. „Die älteren Generationen sollten dankbar sein, wenn die jungen Leute auch für sie auf die Barrikaden gehen“, so Förch.
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Ältere Mitarbeiter haben häufig den Spruch zu hören bekommen: „Lehrjahre sind keine Herrenjahre!“ Dazu Bergdolt: „Deshalb sind diese Generationen sehr geduldig mit ihrem Arbeitgeber und stellen Karrieremodelle wie Hierarchien weniger in Frage.“ So wechselten Babyboomer im Schnitt nur alle zehn bis 15 Jahre ihren Arbeitsplatz. Erstaunlich, denn in der „Unternehmenskultur-Analyse“ heißt es: Nur 46 Prozent der Befragten würden ihren Arbeitgeber weiterempfehlen; 54 Prozent stimmten dieser Aussage lediglich teils/teils oder gar nicht zu. „Diese Zahlen verdeutlichen, wie wenig Arbeitnehmer emotional an ihren Arbeitgeber gebunden sind“, erklärt Sabine Gilliar.
Die Generation Y lässt sich da viel weniger gefallen: „Für mich ist die Tätigkeit entscheidend, nicht der Arbeitgeber“, sagt der duale Student Yanik Frank. Und Nina Held stellt fest: „Ich bin nicht schüchtern und will gerne beweisen, dass ich etwas kann.“ Wichtig sei ihr bei der Arbeit, „den Horizont zu erweitern.“ Auch Amira Schäfer betont: „Ich gebe viel im Job, und möchte dafür auch etwas zurückbekommen.“ Kein Wunder, dass diese Generation bereit ist, viel schneller ihren Arbeitgeber zu wechseln.
Mehr Feedback, mehr Work-Life-Balance
Ein starker Kontrast zeigt sich ebenfalls beim Thema „Feedback“: „Nur 36,4 Prozent der Befragten erhalten regelmäßig eine Rückmeldung zu ihrer Arbeitsleistung, etwa als Lob oder Hinweis auf Verbesserungspotenziale“, berichtet Gilliar. Hinzu kommt: Nur 33,8 Prozent kommen zu der Einschätzung, ihre Führungskraft würde die Unternehmenswerte glaubwürdig vorleben. So gewinnen klassische Unternehmen nicht den „War for Talents“, denn: „Die jungen Leute wünschen sich regelmäßig Feedback: Findet das Mitarbeiter-Gespräch eher ritualmäßig einmal im Jahr statt, fehlt zwischendurch die Orientierung“, erklärt Bergdolt.
Bevor also Personaler in den Schützengraben steigen, sollten sie die „Unternehmenskultur-Analyse 2014“ lesen: Eine Frage lautete, wie es um die körperliche und geistige Gesundheit am Arbeitsplatz bestellt ist. Nur 46,8 Prozent waren zufrieden, 53,2 Prozent sahen deutliche Probleme. Passend dazu ergab sich aus den Antworten, dass lediglich 48,1 Prozent ihren Job in der vereinbarten Wochenarbeitszeit erledigen können. Keine guten Arbeitsbedingungen für die Generation Y: „Die jungen Leute nehmen das Thema Work-Life-Balance ernst, auch, weil sie sich oft Familie wünschen“, so Bergdolt.
Work-Life-Balance? Dazu meint der duale Student Christoph Hohenfeld (19): „Die Grenzen bei der Arbeit verschwimmen, manchmal lässt sich schwer nachvollziehen, was man gearbeitet hat.“ Dazu tragen Smartphones viel bei, weshalb er und seine Altersgenossen auch „Digital Natives“ genannt werden. Nicht immer zu ihrer große Freude: „Das Abschalten fällt schwer“, sagt Yanik Frank, „auch durch die ständige Erreichbarkeit.“ Eigentlich käme die Devise zu kurz: „Arbeiten, um zu leben.“ Da holt die Realität die Ideen der „Generation Y“ schnell wieder ein.
Übrigens: Die „Sesamstraße“ ist längst in der „Generation Y“ angekommen. „Tausend tolle Sachen, die gibt es überall zu sehen - manchmal muss man fragen, um sie zu verstehen!“ - diese Zeilen trällert seit 2012 eine prominente Vertreterin dieser Generation: die ESC-Siegerin Lena Meyer-Landrut.
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