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HochzeitenRomantik kann ins Geld gehen

Lesezeit 5 Minuten

Ein kostspieliges Erlebnis: Eine durchschnittliche Hochzeit kostet heutzutage einen fünfstelligen Betrag.

Köln – Glaubt man der Statistik, dann steht es in Deutschland nicht gut um die Ehe. 373655-mal wurde 2013 hierzulande geheiratet, ein Jahr zuvor gaben sich noch 387423 Paare das Jawort. Damit setzt sich der Trend aus den vergangenen Jahren fort: Seit den 80er Jahren sinkt die Anzahl der Menschen, die mit Trauschein durchs Leben gehen wollen.

Nun deutet die Tatsache, dass weniger Menschen heiraten, nicht unbedingt auf eine beziehungsunfähig gewordene Gesellschaft hin. Anders als noch in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, ist die Ehe inzwischen eben keine gesellschaftliche oder moralische Notwendigkeit mehr. Die Statistik sagt aber auch: Fast jede zweite Ehe scheitert. Im Jahr 2013 gab es in Deutschland 169800 Scheidungen. Also doch schlechte Zeiten für Romantiker?

Nicht, wenn man der Wirtschaft glauben darf. Zwar wird heute seltener geheiratet als früher, aber wenn, dann umso ausgiebiger.

Trend zur Individualität

„Der Trend geht vor allem zu immer mehr Individualität“, weiß Lisa Ernst von der Messeagentur „Trau dich“, die in ganz Deutschland Messen rund um das Thema Hochzeit veranstaltet. Das Geschäft mit der Romantik ist eine lukrative Branche. Etliche Firmen verdienen am vermeintlich schönsten Tag im Leben eines Paares.

Der Trend zu Größe und Exklusivität zeigt sich auch im Andrang auf den verschiedenen Hochzeitsmessen, die traditionell im Winter stattfinden – wer im Frühjahr oder Sommer heiraten möchte, muss dann spätestens mit der Vorbereitung beginnen.

Auf den „Trau dich“-Messen drängen sich pro Tag 2500 bis 4000 Besucher zwischen den Ständen von Brautmodengeschäften, Kosmetikinstituten, Reiseveranstaltern, Tanzschulen, Fotografen und Cateringunternehmen. Auch Pyrotechniker und Zauberkünstler bieten ihre Dienste an, und natürlich werden etliche Orte vorgestellt, die sich für ein rauschendes Fest eignen.

Nach der Trauung im Standesamt um die Ecke mit Sekt anzustoßen und danach allenfalls im Gemeindesaal zu feiern, ist vielen Brautpaaren nicht genug. Individueller heißt daher auch meist: teurer. Gerade ausgefallene Orte wie Industriedenkmäler oder Schlösser haben ihren Preis. Auch das Datum spielt eine Rolle: Besonders beliebte Termine, wie der 5. 5. 2015, können die Preise in die Höhe treiben. Viele Heiratswillige versuchen auch, sich mit einem Motto von der 08/15-Feierversion abzuheben. Die Themen dazu sind vielfältig: Ob Blume, Farbe oder Jahreszeit – Deko, Musik und Lichtkonzept werden von Eventagenturen oder Dekorationsfirmen maßgeschneidert umgesetzt.

Fünfstellig im Durchschnitt

Mit 10000 Euro müsse man für eine durchschnittliche Hochzeit schon rechnen, sagt Lisa Ernst. Wer mehr als Durchschnitt will, muss allerdings deutlich tiefer in die Tasche greifen. Ein Betrag von 14000 bis 15000 Euro sei inzwischen Standard, so Ernst.

Aber was ist am Heiraten eigentlich so teuer? Zu den Standardkosten einer Hochzeit gehören natürlich das Brautkleid und der Anzug für den Bräutigam. Je nach Marke variiert die Gesamtausstattung für den Mann zwischen 600 und 700 Euro, inklusive Schuhe. Bei Brautkleidern ist die Preisspanne deutlich größer. Zwar gibt es auch vergleichsweise billige Varianten.

„Für 500 Euro bekommt man bei uns schon ein schönes schlichtes Brautkleid“, sagt Ali Rezaei von Anna Moda. In dem Kölner Brautmodengeschäft kann aber auch viel mehr Geld loswerden. „Unsere teuersten Kleider kosten zwischen 4000 und 5000 Euro“, sagt Rezaei. „Durchschnittlich geben unsere Kundinnen 1000 bis 2000 Euro für ihr Brautkleid aus.“

Mit dem Kleiderkauf ist es meist noch nicht getan. Accessoires wie Schuhe oder eine Tasche kosten jeweils rund 200 Euro, ein Schleier je nach Aufwand bis zu 600 Euro. Dazu kommen die Trauringe: Je nach Material und Größe rund 1200 Euro pro Ring.

Und auch wenn die Trauung selbst in eher schlichtem Rahmen abläuft – auf eine Party wollen die wenigsten verzichten. Tatsächlich ist die Feier meist das Teuerste an der ganzen Hochzeit. Pro Gast kosten Essen und Getränke zwischen 25 und 80 Euro. Die Wolkenburg, eine in Köln beliebte Hochzeitslocation, bietet Pauschalangebote an. Beim Arrangement „Klassik“, dem einfachsten der Hochzeitspakete, kostet eine Acht-Stunden-Feier mit 50 Gästen einschließlich Verpflegung und Raummiete um 10600 Euro.

Haben Sie mitgerechnet? Bis zu diesem Punkt kostet die Hochzeit bereits 15100 Euro. Und immer noch fehlen Musik, Dekoration, Fotograf und Hochzeitstorte. Von individuellen Extrawünschen ganz zu schweigen.

Oft steigen die Preise zusätzlich, sobald bei Preisverhandlungen von Hochzeit die Rede ist. Aus gutem Grund: Wenn es um das Fest der Feste geht, fällt vielen das Feilschen deutlich schwerer als sonst.

Trotz stolzer Preise findet in der Wolkenburg an nahezu jedem Wochenende mindestens eine Hochzeit statt – oft feiern aber auch drei Gesellschaften am gleichen Tag in den verschiedenen Festsälen.

Finanzdienstleister profitieren

Nicht alle Paare können die Kosten für eine Hochzeit von ihren Ersparnissen bestreiten. Nicht wenige nehmen extra einen Kredit auf. Und so sind unter den rund 30 Branchen, die bei den „Trau dich“-Messen ausstellen, auch Finanzdienstleister, die dafür sorgen wollen, dass am Tag der Tage das Geld nicht knapp wird.

Brautpaare, die keinen fünfstelligen Betrag für den schönsten Tag im Leben beiseitegelegt hat, aber auch nicht verschuldet ins Eheleben starten will, bleibt nichts anderes übrig, als die Individualität auf billigere Weise einzubringen. Die verrückteste Hochzeitsvariante, die Lisa Ernst jemals erlebt hat, fand unter Wasser statt. „Das Jawort gab sich das Brautpaar mit Hilfe von Schildern. Das war schon eine besonders schräge Zeremonie.“ Kostengünstig ist die Variante außerdem: Der Eintritt in ein städtisches Freibad kostet pro Person zwischen vier und sechs Euro. Gruppenrabatt ist möglich.