Als Investor mittelständischer Industriefirmen spricht Chef von Indus im Interview über die zukünftige Energieversorgung der Industrie.
Interview zum Industriestrompreis„Es gibt ein Riesenloch in der Grundlast“
Es gab eine lange Debatte um den Industriestrompreis. Hintergrund der Debatte ist, dass viele eine Deindustrialisierung des Industrielands NRW befürchten. Das Indus-Portfolio besteht aus mittelständischen Industrieunternehmen. Wie ernst schätzen Sie die Lage ein? Ist das ein Sturm im Wasserglas oder stehen wir wirklich vor einer Deindustrialisierung?
Johannes Schmidt: Generell halte ich nichts vom Abgesang auf die deutsche Industrie. Dennoch: Diese Frage ist sicher berechtigt im Bereich energieintensiver Industrien. Hier sind die extrem hohen Stromkosten in Deutschland im europäischen und internationalen Vergleich ein immenser Nachteil für die Unternehmen vor Ort. Sie müssen sich damit befassen, wie und auch wo sie in Zukunft Ihre Wertschöpfung gestalten wollen. Damit ist es eine riesige Verantwortung der Regierenden, sei es auf Bundesebene oder auf Landesebene, jetzt zunächst Antworten darauf zu finden, wo unsere Energie in Zukunft überhaupt herkommen soll.
Wie meinen Sie das konkret?
Schmidt: Es gibt einfach ein Riesenloch in der Grundlast. Ich höre etwa von Plänen, 50 Gaskraftwerke bis zum Jahr 2032 zu bauen. Da schaue ich durchaus gespannt hin. Ein Kraftwerk in Deutschland zu genehmigen, ist ein großer bürokratischer Aufwand. Und dann gleich 50 davon. Parallel ist auch noch ein Wasserstoffpipeline-Netz aufzubauen. Das sind schon gigantische Herausforderungen, denen sich am Ende unsere ganze Gesellschaft stellen muss.
Sie haben 43 Unternehmen. Wie sind die von dieser aktuellen Entwicklung getroffen?
Gudrun Degenhart: Das Indus-Portfolio ist nicht im klassischen Sinne energieintensiv. Aber wir haben natürlich auch einzelne Unternehmen, für die die hohen Energiekosten eine große Rolle spielen. Ich denke gerade an Vulkan, ein Hersteller von metallischen Strahlmitteln zur Oberflächenbehandlung. Die Edelstahlstrahlmittel entstehen in einem Gießereiprozess. Da sehen Sie zwei Induktionsöfen in der Produktion, das ist in diesem Fall energieintensiv. Das wird jetzt für uns nicht dazu führen, dass wir den Standort verlagern. Aber es ist ein klarer Standortnachteil, den wir durch Innovation und operative Exzellenz ausgleichen müssen.
Wie bewerten Sie denn den jetzt verkündeten Industriestrompreis? Ist das das, was Ihnen gefehlt hat oder diesen Betrieben in Ihrem Portfolio gefehlt hat oder ist das eine ungerechte Subvention?
Schmidt: Wir wissen noch nicht genau, wie der Industriestrompreis aussehen soll. Es gibt ja unterschiedliche Ansätze. Da ist die Absenkung der Stromsteuer auf das europäische Mindestmaß von 0,05 Cent pro Kilowattstunde. Daneben soll es eine Förderung für besonders energieintensive Unternehmen geben. Ich gehe nicht davon aus, dass eine unserer Beteiligungen unter diese rund 350 Unternehmen fallen wird. Am Ende ist es eine große gesamtpolitische Diskussion. Es erscheint mir wenig sinnvoll, zunächst die Grundlagen einer sinnvollen und sicheren Energieversorgung zu zerstören, um dann hinterher den Strompreis nach unten zu subventionieren. Am Ende muss es die Gesellschaft teuer bezahlen. Insofern bin ich ambivalent. Für ein energieintensives Unternehmen sind die aktuellen Pläne sicher hilfreich. Ob das im Sinne der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ein sinnvoller Schritt ist, da habe ich Fragezeichen.
Würden Sie sagen, dieser relativ strikte Kohleausstieg in NRW im Reviervertrag war ein Fehler? Hätte man angesichts der aktuellen Lage sagen müssen, kommt, ein paar Jahre mehr Kohle?
Schmidt: Wir setzen ganz intensiv auf regenerative Energien, das ist auch notwendig und zu begrüßen. Wenn Sie sich aber technisch tiefer mit der Energieversorgung auseinandersetzen, stellt sich das Problem der Grundlast. Diese müssen sie bereithalten, auch wenn die Sonne nicht scheint. Oder wenn es windstill ist. Da klafft in Zukunft eine große Lücke. Was forciert wurde durch die Stilllegung der Atom- und Kohlekraftwerke, das sind ja Grundlastkraftwerke. Da ist die Politik sicher zu kurz gesprungen. Wenn Engpässe entstehen, wird man auch in Richtung Kohle noch einmal nachdenken müssen. Überlegungen, die ohne Zweifel kontraproduktiv sind im Hinblick auf die Emissionsreduzierung. Aber volkswirtschaftlich scheinen sie noch alternativlos. Denn wenn die Grundlast fehlt, bringen wir Instabilitäten ins Netz. Das wäre für ein hochindustrialisiertes Land wie Deutschland fatal.
Wenn Sie sich als Industrieunternehmen jetzt mal was wünschen sollten, sagen wir mal von der nordrhein-westfälischen Politik oder von der Bundespolitik, was wäre das?
Degenhart: Planbarkeit wäre eine gute Basis. Wir brauchen von der Regierung, sei es auf Landesebene, sei es auf Bundesebene, einen klaren und realistischen Fahrplan. Damit klar wird, in welche Richtung es geht. Dann können wir uns als Industrie darauf einstellen. Das ist ja auch eine besondere Fähigkeit des Mittelstands. Durch das aktuelle Urteil des Verfassungsgerichts hat sich die bereits komplizierte politische Gemengelage natürlich noch potenziert. Selbst beschlossene Maßnahmen zum Thema Klimaschutz hängen aktuell in der Luft. Unabhängig davon gilt: Eine langfristig orientierte Standort- und Industriepolitik würde uns sehr helfen. Weil Investitionsentscheidungen, die sie als Unternehmen treffen, nun einmal langfristig orientiert sind. Außerdem würde es helfen, wenn es sehr viel weniger Bürokratie gäbe.
Indus ist ein Konglomerat aus 43 Beteiligungen, die operativ nichts miteinander am Hut haben. Nach welchen Kriterien erwirbt Indus so ein mittelständisches Unternehmen? Ist das wie beim Aktiendepot eines Sparers, der unterschiedliche Papiere kauft, um Risiko zu streuen?
Schmidt: Der Vergleich mit dem Depot ist insofern sinnvoll, als dass wir ein sehr breit diversifiziertes Portfolio haben. Diese Diversifikation ist Teil der Indus-DNA. Übergreifend gilt: Wir erwerben mittelständische produzierende Unternehmen. Sie sind sehr erfolgreich in einer bestimmten Nische unterwegs und können dadurch entsprechend hohe Erträge erwirtschaften, die am Ende zum Erfolg von Indus beitragen. Mit unserem Strategie-Update PARKOUR perform haben wir eine Konzentration auf die Industrietechnik vorgenommen: Wir fokussieren uns dabei auf die drei Segmente Infrastructure, Engineering und Materials.
Was steckt hinter den Anglizismen?
Degenhart: Das Segment Infrastructure umfasst, wie der Name schon sagt, Unternehmen aus dem Bereich Infrastruktur und Bau – hierbei aber stärker im Bereich der Zulieferung als im Bereich der Bauausführung. Das Segment Engineering adressiert den klassischen Maschinen- und Anlagenbau, besonders Zukunftsthemen wie die Automatisierungstechnik, Sensorik und Mess- und Regeltechnik. Im Segment Materials, das ich seit dem ersten Oktober verantworte, finden sich Unternehmen mit umfassender Material- und Werkstoffkompetenz. Etwa im Bereich der Metallerzeugung und -bearbeitung, aber auch für medizinische Verbrauchsmaterialien und Hilfsmittel.
Infrastructure, sagen Sie, ist Bau. Ist das Ihr Sorgenkind gerade?
Schmidt: Nein, ich würde Infrastructure nicht als Sorgenkind bezeichnen. Wir verdienen hier Geld. Wir haben gerade unsere Zahlen zum dritten Quartal veröffentlicht. Ja, von einem hohen Niveau aus kommend spürt das Segment Infrastructure die aktuelle konjunkturelle Schwäche. Insbesondere die Unternehmen, die unmittelbar in den Neubau zuliefern, also etwa ein Drittel der Gesamtaktivitäten dieses Segments. Daneben haben wir den stabilen Bereich der energetischen Sanierungen rund um Gebäudeisolation oder energieeffizientes Heizen und Wärmepumpentechnologie. Das Zukunftsfeld GreenTech entwickelt sich generell gut. Und der dritte Teil in diesem Segment ist der weiterhin hochaktuelle Bereich Infrastrukturnetze, wie etwa der Glasfaserausbau. Das Segment Infrastructure ist also in sich auch diversifiziert, sodass wir die Rückgänge im Neubau gut kompensieren können.
Wie geht es im Baubereich weiter?
Schmidt: Wir haben gesehen, dass gerade im dritten Quartal eine Stabilisierung eingetreten ist. Die Talsohle scheint erreicht, auch bei den neubaunahen Themen. Deshalb schauen wir optimistisch ins nächste Jahr.
Wer vor fünf Jahren eine Indus-Aktie gekauft hat, hat heute noch die Hälfte seines Geldes. Wie erkläre ich das meinem Leser?
Schmidt: Die Kursentwicklung der letzten Jahre ist auch dadurch geprägt, dass wir uns – aufgrund deutlicher Belastungen in diesem Bereich – von unseren Automotive-Zulieferern trennen mussten. Mit den Verkäufen der letzten beiden Autozulieferer zur Jahresmitte 2023 haben wir dieses Kapitel abgeschlossen. Die Stärke des aktuellen Portfolios ist nun wieder sichtbar. Wir schauen jetzt nach vorne. Wenn sich die Stimmung an der Börse gegenüber kleinen und mittleren Werten wieder ein wenig ins Positive dreht, wird das, denke ich, auch am Indus-Kurs deutlich sichtbar werden. Wir haben nach neun Monaten ein Ergebnis pro Aktie aus den fortgeführten Bereichen von 2,63 Euro. Wir werden im Gesamtjahr sicher drei Euro übertreffen. So kann sich jeder selbst überlegen, was ein angemessener Kurs sein könnte.
Haben Sie schon Dividenden-Ideen?
Schmidt: Wir haben noch keine Guidance für die Dividende herausgegeben, aber wir werden uns bei der Dividende nicht lumpen lassen.
Wie wichtig ist NRW in Ihrem Portfolio?
Degenhart: NRW ist unsere Homebase mit dem Sitz in Bergisch Gladbach. In Nordrhein-Westfalen hat alles begonnen. Hier liegen 15 unserer Beteiligungen, so etwa Betomax in Neuss, Heiber + Schröder in Erkrath oder Peiseler in Remscheid. Hier haben wir auch einiges investiert in den letzten Jahren. Ich denke an den Neubau unserer ASS in Overath, die eine komplett neue Fabrik bekommen hat, direkt an der A4 gelegen. Nordrhein-Westfalen ist nach wie vor ein attraktiver Industriestandort.