Deniz Soruklu alias Codadrea ist Spinnen-Influencer und verdient sein Geld mit Tieren, die bei anderen Herzrasen und Schnappatmung auslösen.
Mit Angst zum ErfolgEr verdient sein Geld als Influencer und Herr über 2000 Spinnen
Deniz Soruklu ist ruhig, zurückhaltend, auf den ersten Blick verschlossen und häufig mit Spinne anzutreffen – Vogel, Spring, Keller, da macht er keinen Unterschied. Was bei anderen beim reinen Gedanken bereits Herzrasen und Schnappatmung auslöst, ist für den Essener faszinierend, schön, süß. Er hält sie in der Hand, lässt sie auf seinen Kopf krabbeln, dann setzen sie sich in seinen roten Dreads fest, mit einer Selbstverständlichkeit, wie andere von ihrem Hund abgeschleckt werden.
In einer Kellerwohnung, „klar“, wohnt der 27-Jährige mit ungefähr 200 Spinnen. Dazu hat er noch Schlangen, Skorpione, Gottesanbeter, Bartagamen, Heuschrecken, ein Chamäleon und zwei Katzen. „Seitdem ich denken kann, mag ich alle Tiere, finde ich alle Lebewesen interessant“, erklärt er. Seine erste Spinne hat er als Kleinkind in seiner Hosentasche mit nach Hause genommen, auch andere Tiere schleppte er an. Raupen habe er gerne bei der Metamorphose zugeschaut, Spinnen bei der Jagd. Tiere waren gewissermaßen seine Freunde. Er war ein Eigenbrötler.
Schon als Kind fand Codadrea alle Tiere faszinierend – inklusive Spinnen
Seine erste exotische Spinne hat er vor vier Jahren gekauft. Seitdem wurden es immer mehr. Weitere 2000 Spinnen hält Soruklu in einem Studio, die gehören zu seinem Geschäft, das mittlerweile auch aus der Zucht und dem Verkauf von exotischen Spinnen besteht. Er verdient mit den Achtbeinern sein Geld. Ein bisschen auch mit der Angst von Menschen.
Deniz Soruklu ist im Internet unter dem Namen Codadrea bekannt. Der Essener ist Spinnfluencer, einer von wenigen in Deutschland, der erfolgreichste mit deutschsprachigen Videos. Auf Tiktok folgen ihm 1,2 Millionen Menschen, auf Youtube und Instagram jeweils um 100.000. In seinen Videos zeigt er die Spinnen, erzählt von ihnen, klärt über sie und gegen Vorurteile auf. „Eigentlich muss niemand vor Spinnen Angst haben“, sagt er, „sie sind ja so klein im Verhältnis zu uns und wir können ihnen viel mehr antun als sie uns“.
Trotzdem ist die Angst vor Spinnen eine der verbreitetsten Phobien in Deutschland. Und das macht Codadrea sich zunutze, so wie es Medien schon immer machen. Durch die Angst hätten die Menschen ein gewisses Unverständnis dem Thema gegenüber. „Sie sehen eine fette Spinne, denken, sie ist giftig, gefährlich“, meint er, „Und dann kommt so ein rothaariger Typ, der einfach locker mit ihr hantiert.“ Das schockiere die Menschen, weshalb sie mehr darüber wissen wollen, denkt Soruklu.
Essener Deniz Soruklu wollte unbedingt Influencer werden
Diese Erkenntnis kam durch Zufall. Der Essener wollte schon länger Influencer werden. Doch seine Eltern wollten, dass er den schulischen Weg einschlägt. So versuchte er es mit einer Ausbildung zum Krankenpfleger und operationstechnischen Assistenten, brach ab, arbeitete im Call-Center, bei Subway, baute sich einen Instagram-Account mit 20.000 Followerinnen und Followern auf, bei dem es um Mode und sein Leben ging. Als er dann ein Video von seiner Spinne hochlud, sah er die vielen Reaktionen und es machte Klick: Die Spinnen sind der Weg zum Erfolg. „Das musste einfach klappen“, sagt der 27-Jährige.
Danach baut er seinen Tiktok Account auf, findet CGN Esports, ein Kölner E-Sports- und Streaming-Unternehmen, als Management. Das erste Video generiert direkt Hunderttausende Klicks, nach einem erneuten Upload mit verändertem Code, „damit Tiktok nicht merkt, dass es das gleiche Video ist“, schauen es mehr als 1,2 Millionen Menschen. „Da wusste ich, dass etwas, das mir so viel Spaß macht, auch so eine Reichweite generieren kann“, erinnert sich Soruklu. Und noch immer sind seine Videos über Spinnen am erfolgreichsten. Auch Schlangen würden gut geklickt.
Spinnfluencer Codadrea will Menschen die Angst nehmen
Deniz Soruklu ist es wichtig, neben dem Unterhaltungsfaktor Aufklärungsarbeit zu betreiben und den Menschen die Angst zu nehmen. Sein Wissen hat er sich selbst angelernt. „Das ist eigentlich alles ziemlich intuitiv“, meint er. Er habe heimische Spinnen beobachtet und das Wissen auf Vogelspinnen und Co. angewendet, habe Bücher gelesen, Dokus geschaut, ein Praktikum im Terrarium gemacht und immer wieder mit einem Experten beim Tierhandel Fressnapf gesprochen. Trotzdem wird er immer wieder auch kritisiert. „Experten meinen immer, die Spinnen gewöhnen sich nicht an Menschen und man soll die nicht immer auf die Hand nehmen“, berichtet Soruklu, „aber das ist totaler Quatsch“.
Seine männliche Lieblingsspinne, die brasilianische Riesenvogelspinne Shadow, sei das beste Beispiel dafür. Als er sie vor zwei Jahren gekauft habe, sei sie sehr hektisch gewesen und gesprungen, mittlerweile krabbelt sie entspannt, ruhig auf dem Influencer herum – auch während des gesamten Interviews. „Die Spinnen haben zwar keine Empathie, aber sie spüren deinen Herzschlag und ob du Angst hast oder nicht“, sagt er. Wenn der Mensch ruhig ist, würden die Spinnen das merken und übernehmen. Das bringt er auch immer Leuten bei, denen er Phobien nimmt. So bietet er das mittlerweile als Coachings an, für 399 Euro.
Auch dabei ist seine Vorgehensweise intuitiv und vor allem individuell, erklärt er. Am wichtigsten sei aber, dass die Menschen sich der Spinne stellen, sie anschauen, anfassen, ihre Komfortzone überschreiten und immer weiter gehen. In Zukunft möchte er das weiter ausbauen, sich nicht mehr nur auf Arachnophobie beschränken, sondern auch Leuten mit anderen Phobien wie vor Höhe, Schlangen, Verlust, Referaten helfen. „Ich hatte früher selbst sehr viele Ängste“, sagt Deniz Soruklu, „aber Ängste sind einfach unnötig, die braucht keiner“.