Künftig werden wir keine eigenen Autos mehr fahren, sagt Mobilitätsexperte Wolfgang Ketter von der Universität Köln. Wie sich das auf unseren Alltag auswirkt, wie die Wirtschaft auch über den Mobilitätssektor hinaus von KI profitiert und was dafür nun passieren muss.
Interview mit Kölner MobilitätsexperteWie Künstliche Intelligenz Verkehr, Logistik und Industrie verändert
Herr Ketter, Sie forschen zur Mobilität der Zukunft. Zunächst ganz allgemein: In welche Richtung entwickeln wir uns da?
Ketter: Wenn es optimal läuft, haben wir in einer nachhaltigen Zukunft die C.A.S.E.-Mobilität: connected, autonomous, shared, electric. Das bedeutet: hohe Konnektivität innerhalb des Autos und mit anderen Fahrzeugen, autonomes Fahren, Autos werden geteilt und fahren elektrisch. Wenn ich nur einen Verbrenner durch ein E-Auto ersetze, reduziert das zwar Emissionen, aber nicht die Staus. Ein privates Auto steht 95 bis 97 Prozent der Zeit einfach nur herum. Diesen Platz könnte man in den Städten viel effektiver nutzen, daher wird man künftig keine eigenen Autos mehr fahren.
Wann sehen Sie diese Zukunft?
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Technisch wäre das heute schon möglich. Man bräuchte dafür aber ein hervorragendes digitales Breitband- und mobiles Internet, weil die Autos der Zukunft miteinander kommunizieren müssen. Tatsächlich ist aber selbst in den Städten zum Teil schlechter Empfang. Wenn man die Energiewende in den Griff kriegen will und damit einhergehend die Verkehrswende, dann müssen wir in Deutschland massive Investitionen tätigen.
Kommen Menschen, die die Unabhängigkeit des Autofahrens bevorzugen, und Menschen, die auf die ökologischen Vorteile des Bahnfahrens plädieren, durch geteilte Autos ideologisch näher zusammen?
Das ist denkbar. Vorstellbar ist, dass es künftig große Fahrzeugflotten von verschiedenen Firmen gibt, bei denen man sich einkaufen kann – auch auf verschiedenen Qualitätsebenen, die es erlauben, dass derjenige, der viel Geld ausgeben will, auch in einem gehobenen Auto unterwegs sein kann. Vorstellbar ist auch, dass es durch autonome Fahrzeuge weniger Verkehrstote gäbe, denn Verkehr und Fehler würden reduziert. Der Mensch überholt viel zu knapp und verstößt gegen Regeln, aber die automatisierten Fahrzeuge müssen sich an Regeln halten.
Wolfgang Ketter ist Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsinformatik für eine nachhaltige Gesellschaft an der Universität zu Köln und Mitglied des Global Future Council on Energy and Mobility des Weltwirtschaftsforums. Sein Fokus liegt auf der künftigen nachhaltigen Energie- und Mobilitätslandschaft und den Möglichkeiten von Künstlicher Intelligenz im Zusammenhang mit Logistik, Kommunikationselektronik und Verkehr.
Blicken wir auf die Logistik. Durch Onlinehandel gibt es zwar weniger Individualverkehr in die Stadtzentren hinein, aber mehr Lieferverkehr. Kann Künstliche Intelligenz (KI) diese Situation entzerren?
Die Logistikbranche profitiert von KI sehr. Interessant ist etwa das Start-up Greenplan, eine Ausgründung aus des Logistikkonzerns DHL. Greenplan hat eine Software entwickelt, die mit mathematischen Methoden und KI die Auslieferung auf der letzten Meile optimiert, etwa indem die Zustellroute verbessert werden und der Verkehr entlastet wird.
NRW ist Industrieland, das produzierende Gewerbe liegt auf Platz zwei der CO2-intensiven Branchen. Kann KI diese Bilanz verbessern?
Im produzierenden Gewerbe kann man KI sehr stark nutzen, um Angebots- und Nachfragemodelle zu bauen, zum Beispiel über Wetterprognosen Produktionen dann planen, wenn sie mit erneuerbarer Energie möglich sind. Die Zukunft der energieintensiven Industrie ist ein zweischneidiges Schwert. Der Stromverbrauch geht um das Drei- bis Vierfache nach oben, wenn man Verbrenner durch E-Autos ersetzt. Diese Energie muss man zunächst produzieren. Die metallverarbeitende, sehr energieintensive Industrie wird eher weiter ins Ausland abwandern, denn in Deutschland haben wir mit die höchsten Stromkosten in Europa, allein zwei Drittel davon sind Steuern und Netzentgelte.
Die Landwirtschaft ist auf Platz drei der CO2-Emittenten. Profitiert auch sie von KI?
Im Agrarbereich kann KI mit Drohnen dafür sorgen, dass Düngemittel, die einen hohen CO2-Abdruck verursachen, gezielter eingesetzt werden. Man kann die Umweltbelastung mithilfe von KI also wirklich verringern. KI in Form von Drohnen kann man übrigens auch für Wartungen von Hochspannungsleitungen und Windparks in der See sehr gut nutzen. KI wird für alle Lebensbereiche relevant werden. Das sieht man auch daran, dass dieses Jahr zum ersten Mal KI-Forscher mit dem Nobelpreis für Physik und Chemie ausgezeichnet worden sind. Zum Beispiel haben die Forscher Demis Hassabis und John Jumper 2020 das KI-Modell „AlphaFold2“ entwickelt. Dieses Modell kann beispielsweise bei der Klärung von Antibiotika-Resistenzen helfen oder beim Einsatz von Enzymen zum Abbau von Kunststoffen.