Der Helios-Leuchtturm zeugt von einer Zeit, in der das Industrieunternehmen Ehrenfeld zum Vorreiter der Elektrotechnik macht. Ein Blick in die Geschichte.
Kölner Marken-SerieWie Helios vor 130 Jahren Köln und Europa elektrifizierte

Der Helios-Leuchtturm war eine Test- und Vorführanlage für Leuchtfeuer in Köln.
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Wenn in Köln von Helios die Rede ist, denken viele an laute Musik und tanzende Menschen im gleichnamigen Ehrenfelder Club. Auch der Heliosturm ist als Wahrzeichen über die Grenzen des Veedels hinaus bekannt, doch was es mit dem Bauwerk und der Firma auf sich hat, dürften die wenigsten wissen. Der Leuchtturm zeugt von einer Zeit, in der das Industrieunternehmen Helios den einstigen Fabrikort zum Vorreiter der Elektrotechnik macht.
25 Mann fertigen in Ehrenfeld Telegrafen
Die Geschichte der Helios AG beginnt vor mehr als 150 Jahren. 1882 gründete sich die „Commanditgesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau B. Berghausen & Co.“ mit 25 Mann. Sie fertigten in Köln Anlagen zur elektrischen Kommunikation. 1884 geht aus dem Betrieb die „Helios, Aktiengesellschaft für elektrisches Licht und Telegraphenbau in Ehrenfeld und Köln“ hervor.

So sah es damals in der Ehrenfelder Fabrik aus.
Copyright: Stiftung Rheinisch-Westfälisches Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA)
Treibende Kraft hinter der technologischen Entwicklung ist dem Historiker Werner Hübschmann zufolge der leitende Ingenieur Carl Coerper. Er erkennt das Potenzial von Wechselstrom und sichert Helios zahlreiche Patente. In der Praxis gibt es allerdings noch keine Wechselstrommotoren, der Schritt ist mit enormem unternehmerischem Risiko verbunden. Industriegrößen wie Siemens & Halske oder AEG setzen währenddessen weiter auf den erprobten Gleichstrom. Historiker berichten von der sogenannten „Transformatorenschlacht“, die zwischen den Gleichstrom- und Wechselstrombefürwortern entbrannt war.
Helios kaufte Patente von Nikola Tesla
Um dafür zu sorgen, dass Helios aufseiten des Wechselstroms unangefochten blieb, kaufte das Unternehmen auch Patente für mehrphasigen Wechselstrom des US-Amerikaners Nikola Tesla. Damit wollte man verhindern, dass die Konkurrenz doch noch auf den Wechselstrom-Zug aufspringen kann. Im Unterschied zum einphasigen Wechselstrom bringt mehrphasiger Wechselstrom konstante Leistung und kann für große Anlagen verwendet werden. Noch heute ist er Standard.
Den größten Triumph der Unternehmensgeschichte feiert das Unternehmen Anfang der 1890er-Jahre: Helios stattete das erste große Elektrizitätswerk Deutschlands mit Wechselstromsystemen aus. Zuvor gab es vor allem Gaskraftwerke, Gleichstrom kam für die Kraftwerke nicht infrage: Denn damit konnte der Strom Historiker Horst Wessel zufolge nur bis zu drei Kilometer weit transportiert werden, die Elektrizitätswerke hätten also mitten in der Stadt stehen müssen.

Eine Wechselstrommaschine mit 1500 PS.
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Das Kölner Elektrizitätswerk mit Wechselstrom hingegen konnte am Stadtrand errichtet werden, am Zugweg in der Kölner Südstadt. Denn mit entsprechenden Leitungen kann man den Strom theoretisch unbegrenzt transportieren. Mittlerweile liefert das Kraftwerk in der Südstadt Fernwärme.
Kölner Technik auch in Amsterdam und St. Petersburg
Helios verbaute seine Technik allerdings nicht nur in Köln, sondern auch in Kraftwerken in Amsterdam, Dresden und St. Petersburg. Aus dem 25-Mann-Betrieb war bis 1900 ein Unternehmen mit 1000 Mitarbeitern geworden. Neben großen Werkshallen ragte in Ehrenfeld der Leuchtturm empor – erbaut 1894 für Werbezwecke und um Leuchtfeuer zu testen. Helios lieferte an Kunden in aller Welt, unter anderem nach Südamerika oder in afrikanische Kolonialgebiete.
Coerper schien den richtigen Riecher gehabt zu haben. Doch die Konkurrenz holte in Sachen Wechselstrom auf, sie verwendete auch Teslas Technik – ohne dafür zu zahlen. Helios zog vor Gericht, verlor aber alle Prozesse. Das Reichsgericht beschloss 1898, dass die Teslapatente in Deutschland nicht mehr gültig seien, das öffentliche Interesse an der Technologie sei schlicht zu groß. Denn Helios hatte die Patente für mehrphasigen Wechselstrom seit drei Jahren nicht mehr genutzt.
Aber nicht nur die verlorenen Prozesse führten zum Fall des Sonnengottes. Die große Konkurrenz auf dem Markt sorgte für enormen Druck: Laut Wessel gründeten Helios und viele andere elektrotechnische Unternehmen immer weiter neue Firmen, um Projekte zur Elektrifizierung der Städte zu finanzieren. Vor Ort agierten sie als Betreiber, doch Gewinne erzielten sie mit den Projekten kaum. Reserven hatten sie nicht gebildet, um neues Geld zu erhalten, verkauften sie Aktien.
Das System kollabierte durch Überproduktion und den starken Wettbewerb, und einige Unternehmen gingen bankrott. Die Industriegrößen AEG und Siemens kauften Helios schließlich auf, um das Unternehmen stillzulegen und auszuschlachten. Damit war 1905 Schluss für den einstigen Pionier - der Leuchtturm allerdings gehört weiterhin zu Ehrenfeld.