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Kölner Pionier Forest Gum„Viele wissen nicht, dass in Kaugummis Plastik enthalten ist“

Lesezeit 5 Minuten
Portraitbild des Forest-Gum-Gründers Thomas Krämer.

Der Kölner Thomas Krämer hat das Kaugummi-Start-up Forest Gum vor fünf Jahren gegründet. Heute gibt es sein Produkt in rund 15.000 Läden.

Wie ein Rewe-Kaufmann aus Köln den Erfolg ins Rollen brachte und warum Forest Gum selbst einen Wald bewirtschaftet, erzählt Gründer Thomas Krämer im Interview.

Herr Krämer, Sie haben mit Forest Gum im Jahr 2019 den ersten plastikfreien Kaugummi in Deutschland auf den Markt gebracht. Beim vorigen Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatten Sie gerade versucht, große Kunden zu gewinnen. Wie haben sie die von einem Produkt überzeugt, das mit herkömmlichem Kaugummi wenig zu tun hat?

Thomas Krämer: Wir haben im Herbst 2019 im Rahmen einer Crowdfunding-Kampagne Geld eingesammelt. Darüber hatte das Fernsehen berichtet – und einen Tag später rief Rewe Rahmati vom Zülpicher Platz bei uns an. Der Inhaber sagte: „Ihr kommt aus Köln und ich kenne euch nicht. Wie kann das sein?“ Er nahm uns in sein Sortiment auf, kurz danach haben wir mit Rewe-West zusammengearbeitet, danach mit allen anderen Rewe-Regionen. Dann kamen der vor allem in Norddeutschland bekannte Drogeriemarkt Budnikowsky dazu, die Kette Müller, und plötzlich klopfte Rossmann an. Das war ein großer Schritt, es gibt immerhin knapp 2300 Märkte deutschlandweit. Der Schneeball ist immer größer geworden. So groß, dass wir sogar bei DM gelistet wurden. Das ist alles innerhalb von drei Jahren passiert.

Es ist nicht leicht, bei Platzhirschen wie DM gelistet zu werden. Warum hat das ausgerechnet Forest Gum geschafft?

Es lag vor allem an unserem Produkt. Die nachhaltige Botschaft, die Verpackung und das Design sind zwar eine nette Geschichte, aber der Handel entscheidet sich am Ende des Tages für gute Produkte. Die Konkurrenz gerade im Süßwarenregal ist groß, da muss das Produkt gut genug sein, um bestehen zu können. Ein erstes Listing kriegt man nur für wenige Monate, wenn das Produkt nicht funktioniert, ist man direkt weg vom Fenster. Aber natürlich hat auch unser Narrativ geholfen: Mit plastikfreien Kaugummis haben wir ein Thema angesprochen, das viele Einkäufer nicht auf dem Schirm hatten. In herkömmlicher Kaugummimasse ist Erdöl verarbeitet – eine plastikfreie Alternative war also eine Marktlücke.

Unser Marktanteil im gesamten Kaugummimarkt liegt zwar im einstelligen Prozentbereich, wir sind aber das erfolgreichste und das am besten distribuierte plastikfreie Kaugummi in Deutschland.
Thomas Krämer, Gründer und Geschäftsführer von Forest Gum

Forrest Gum: Nicht vergleichbar mit herkömmlichem Kaugummi

Nach einem Selbsttest muss ich ehrlich sagen: Mit herkömmlichem Kaugummi ist das nicht zu vergleichen. Der Geschmack hält nicht so lange, die Konsistenz ist anders und Blasen machen kann man auch nicht.

Unsere Kunden mögen die Erfrischung, den Geschmack und die Konsistenz. Das ist zumindest das Feedback, das wir bekommen. Aber es stimmt: Man kann unsere Kaugummis nicht direkt mit einem synthetischen Kaugummi vergleichen, auch nicht mit synthetischen Aromen. Das ist eine andere Kauerfahrung. Wer unsere Kaugummis mag, tut das, weil sie natürlicher schmecken. Die Leute merken, es ist kein chemisches Produkt, sondern ein natürliches.

Mittlerweile gibt es Forest Gum in 15.000 Geschäften in Deutschland zu kaufen.

Ich muss mich immer mal wieder kneifen. Wir haben seit dem Jahr 2019 rund zwölf Millionen Packungen Kaugummi verkauft. Unsere Verpackungen basieren auf Papier, allein dadurch haben wir schon fast 60 Tonnen Plastik eingespart. Die Verpackung ist sogar kompostierbar und kann von Würmern auf dem heimischen Kompost zersetzt werden. Das hat uns der Tüv zertifiziert. Es gibt also durchaus einen Markt dafür, immer mehr Menschen wollen nicht auf Plastik kauen und entscheiden sich bewusst für natürliche Alternativen. Unser Marktanteil im gesamten Kaugummimarkt liegt zwar im einstelligen Prozentbereich, wir sind aber das erfolgreichste und das am besten distribuierte plastikfreie Kaugummi in Deutschland.


Thomas Krämer ist gelernter BWLer. Nach dem Studium verschlug es ihn in die Autoindustrie, bevor er beschloss, in eine völlig neue Richtung gehen. So kam er das erste Mal mit sozialen und nachhaltigen Produkten in Kontakt, arbeitete mit der Wasserinitiative „Viva con Agua“ und landete schließlich in einem Agrarwissenschaftsstudium. Dort hörte er von Kaumasse aus Plastik – und von Chicle, der natürlichen Variante, auf der einst schon die Mayas kauten. Die Idee ließ ihn nicht los und so begann Krämer, selbst zu tüfteln. Vier Jahre lang werkelte er an dem Projekt, bis er 2019 Forest Gum gründete.


Verdienen Sie mit Ihren Kaugummis Geld?

Wir sind auf dem Weg dahin. Ín diesem Jahr wollen wir den Breakeven schaffen. Wir haben bislang weder die Preise erhöht, noch haben wir in irgendeiner Art und Weise sonst an den Kosten geschraubt. Dass wir nun bald profitabel sind, liegt daran, dass wir auf Sicht fahren und enkelfähig wirtschaften. Auf lange Sicht werden wir es aber gewinnseitig nicht mit den großen Firmen aufnehmen können, denn auf Plastik zu verzichten ist teuer. Ja, das Unternehmen muss sich selbst tragen, aber wir wollen vor allem nachhaltig wirtschaften.

Sie haben gemeinsam mit dem Ökosystemdienstleister Woodify aus Bonn hundert Hektar Wald in Engelskirchen von der Gemeinde gepachtet. Ist das Teil Ihres Narrativs?

Wir haben den Wald für 30 Jahre gepachtet, weil wir vor unserer Haustür etwas für das Klima tun wollen. Wir lassen den Wald in Ruhe. Dafür gibt es sogar einen wissenschaftlichen Begriff: die „Pronaturierung“. Der Wald erholt sich über natürliche Prozesse, sammelt Kraft und hat mit mehr Energie eine bessere Aussicht, sich mit dem Klima zu verändern und grün zu bleiben. In unserem Wald wollen wir nicht eingreifen, wenn ein Baum umfällt, bleibt er liegen. Denn darum geht es uns: den Wald als eine wichtige Lebensgrundlage für uns zu erhalten - auch wenn das Klima „ins Rutschen“ gekommen ist...

Thomas Krämer hat in Engelskirchen ein Stück Wald gepachtet.

Thomas Krämer hat in Engelskirchen ein Stück Wald gepachtet.

Wie geht es für Forest Gum in den kommenden Monaten weiter?

Im Frühjahr sind wir mit Fruchtgummis gestartet und arbeiten an neuen Sorten. Wir bekommen auch viele Anfragen aus dem Ausland, fokussieren uns aber erst mal auf den deutschen Markt. Der ist immerhin der größte in Europa und spannend, weil die Kunden offen sind für natürliche Alternativen. Hier wollen wir erstmal unsere Hausaufgaben machen und dann in den kommenden Jahren schauen, in welche internationalen Märkte kann es gehen. Unser langfristiges Ziel ist, dass natürliches Kaugummi an jeder Kasse in Deutschland steht. Dafür müssen wir noch mehr Leute erreichen. Viele wissen nämlich nicht, dass in Kaugummis überhaupt Plastik enthalten ist. Das wollen wir vor allem über das Produkt an der Kasse und über die Kommunikation auf der Packung schaffen. Deshalb brauchen wir die Sichtbarkeit an der Kasse.