Kölner Pirate SummitWie die Veranstalter durch Corona zur Online-Event-Agentur wurden
- Der Kölner Event-Veranstalter „Pirate X“ ist vor allem bekannt für die Organisation des bekannten Start-up-Festivals Pirate Summit.
- Als in der Corona-Krise die Umsätze wegbrachen, mauserte er sich zur Online-Event-Agentur. Zu den Kunden zählt auch ein Dax-Konzern
- Der Pirate Summit wird derweil digital stattfinden.
Köln – „Im März und April hatten wir einen Umsatzeinbruch von 100 Prozent“, sagt Felix Josephi. Unglücklich wirkt der Chef des Event-Veranstalters Pirate-X jedoch nicht, als er im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von den Auswirkungen der Corona-Krise auf das Geschäft des Unternehmens berichtet.
Denn Pirate-X hat sich in kürzester Zeit zur Online-Event-Agentur gemausert, veranstaltet für Kunden wie die Nürnberger Messe und den Dax-Konzern Henkel digitale Konferenzen – und hat die noch vor wenigen Monaten verloren gegangene Umsätze wieder reingeholt.
Erst verlegt, dann abgesagt
Pirate-X ist auch jetzt noch vor allem bekannt für das renommierte Start-up-Festival Pirate Summit, das eigentlich jedes Jahr Gründer aus der ganzen Welt im Ehrenfelder Szeneclub Odonien zusammenbringt. Die Gründerkonferenz zeichnet sich zum einen dadurch aus, dass vorher streng ausgewählte Start-up-Gründerinnen und -Gründer mit Gleichgesinnten und Investoren zusammengebracht werden, zum anderen durch seine lockere Atmosphäre, ausschweifende Partys mit Live-Bands und Feuerzeremonien. 1200 Menschen dürfen jedes Jahr teilnehmen, die mehrere Hundert Euro teuren Tickets sind begehrt, zu den Sponsoren gehören große Namen wie Deutsche Bank, Comdirect, Deutsche Telekom, KPMG und EY.
Infos zu Pirate Live
Pirate Live ist eine Online-Konferenz, die vom 31. August bis 4. September für junge, innovative Start-ups, Investoren und alle an Unternehmertum interessierten Personen kostenlos zugänglich ist. Beim Event unter dem Motto „Solve Real Problems“ (Löse echte Probleme) ist der „Kölner Stadt-Anzeiger“ Medienpartner.
Als Redner sind bereits zahlreicher Gründerinnen und Gründer sowie Risikokapitalgeber angekündigt. Auch Paul Watson, Gründer der Tierschutzvereinigung Sea Shepherd, nimmt teil.
Teil der Konferenz sind auch die Start-up-Safari Rheinland mit Gründern aus Köln, Düsseldorf, Aachen und Bonn sowie die Verleihung des Awards „Out of the Box“ für das beste digitale Start-up NRWs. Infos und kostenlose Anmeldung unter:
pirate-x.com/piratelive
Dieses Jahr aber gibt es keinen Pirate Summit. Erst wurde das Event von Juni auf September verlegt, dann ganz abgesagt. „Im März dachten wir noch, wir holen unsere Veranstaltungen im dritten und vierten Quartal nach“, erzählt Josephi: „Aber daraus wird natürlich nichts.“ Pirate-X warf vor wenigen Monaten die gesamte Jahresplanung über Bord, meldete Kurzarbeit an, sagte nach und nach alle eigenen Events ab, auf das Gesamtjahr gerechnet drohte ein Umsatzverlust von 85 Prozent.
Beschlossen, aktiv zu werden
„Dann haben wir uns entschieden, nicht mehr nur zu reagieren und abzuwarten, sondern aktiv zu werden“, sagt Josephi: „Auch jetzt gibt es ja einen großen Bedarf an Wissensaustausch, an Vernetzung und Plattformen, die genau das bieten.“ Investoren bräuchten weiterhin Deals, Start-ups wiederum Investoren, Gründer den Kontakt zueinander, um zu lernen und sich gegenseitig zu helfen. „Also haben wir uns so richtig in das Thema Digital-Events reingefräst“, sagt der Kölner.
In den nach Abzug der Kurzarbeitszeit verbliebenen Stunden teilen sich die Angestellten in Teams auf, fragen sich, wie echte, persönliche Treffen in den digitalen Raum verlagert werden können, was Teilnehmern, Veranstaltern und Sponsoren geboten werden muss, welche Plattformen sich dafür eignen. Bereits im April veröffentlicht Pirate-X seine Antworten auf diese Fragen in einem Guide, einer Wissenssammlung, die kostenfrei zum Download steht.
Echte Konferenz
Wichtig sei vor allem, eine echte Konferenz im digitalen Raum zu organisieren und kein Webinar, bei dem ein Redner eine Stunde spricht, die Teilnehmer hören zu und schlafen im Idealfall nicht auf ihrem Schreibtischstuhl ein. Interaktivität sei daher noch viel wichtiger als bei einem analogen Vortrag. Das reiche vom Lautstellen aller Mikrofone, damit eine Zuhörerin beispielsweise merke, dass weltweit viele andere ebenfalls alleine vor dem PC sitzen und Wissen erlangen wollen, bis zu kurzweiligen Quizformaten.
„Wie bei einer echten Konferenz wollen wir auch dafür sorgen, dass sich virtuell genau die Leute miteinander verbinden, die einander brauchen und sich sonst persönlich ausgetauscht hätten“, sagt Josephi. Dabei soll auch die intelligente Verknüpfung von Daten helfen: Konferenzteilnehmer geben Interessen an, was sie anderen bieten können und wonach sie gerade selber suchen. Mit Hilfe eines eigens entwickelten Chat-Programms sollen sie dann für Vier-Augen-Gespräche miteinander vernetzt werden.
„Digitale Einsamkeit abbauen“
„Es geht darum, eine Konferenzumgebung aufzubauen, die eine Plattform, die digitale Einsamkeit abbaut und auf der sich die Teilnehmer gerne sammeln“, sagt Josephi. Neben Henkel und der Nürnberger Messe, deren Events Pirate-X in der kurzen Zeit seit der Neuaufstellung bereits digital organisiert hat, gab es auch schon eigene Veranstaltungen: etwa ein virtuelles Start-up-Treffen, das eigentlich in Budapest stattgefunden hätte, und ein Innovations-Event der Versicherungsbranche. „Wir sind recht gut ausgelastet“, bilanziert Josephi und ergänzt: „Wir stellen jetzt auch wieder neue Mitarbeiter ein.“
Das neue Geschäft wächst stark, nach aktuellen Planungen kommt Pirate-X schon wieder auf 70 Prozent des Anfang des Jahres angepeilten Gesamtumsatzes. Josephi: „Wir konnten viel kompensieren, weil wir nicht mehr primär Veranstalter für eigene Projekte sind, sondern eine Event-Agentur.“
Bei der Online-Konferenz Pirate Live (siehe Infobox), einer Art digitalem Ersatz für den analogen Pirate Summit, wollen die Kölner ab 31. August viel von dem, was sie für ihre Kunden entwickelt haben, selber anwenden und auch ganz neue Funktionen erstmals ausprobieren.