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Schirmherr ist König Charles III.Kölner Plattform Innatura rettet tonnenweise Ware vor dem Wegwerfen

Lesezeit 5 Minuten
01.08.2023
Köln:
Juliane Kronen, Geschäftsführerin
Sachspendenlager innatura gGmbH in Gremberghoven. Das Unternehmen wird 10 Jahre alt und ist eine Plattform für die Vermittlung fabrikneuer Produkte an soziale Einrichtungen.
Foto: Martina Goyert

Innatura-Geschäftsführerin Juliane Kronen im Lager in Gremberghoven

Jährlich werden in Deutschland fabrikneue Konsumgüter im Wert von sieben Milliarden Euro weggeworfen.

Wer verstehen möchte, wozu es ein gemeinnütziges Unternehmen wie Innatura braucht, muss sich nur anhören, wie es entstanden ist. Im Jahr 2009 nämlich, als ein ehemaliger Kollege Juliane Kronen anruft und sie fragt, ob sie einen Abnehmer für 200.000 Flaschen Shampoo wüsste. Die Ware sei völlig in Ordnung, aber falsch etikettiert. Sie müsse bloß schnell und auf eigene Kosten abgeholt werden.

Juliane Kronen ist damals Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Boston Consulting. Sie greift zum Telefon. „Die Reaktion war bei den wohltätigen Organisationen, die ich angesprochen habe, immer dieselbe: tolles Markenprodukt, aber das können wir uns mit unserem Budget nicht leisten.“ Keine der Organisationen kann so große Mengen abnehmen. Am Ende muss das Shampoo entsorgt werden.

Innatura begann als Projekt bei Boston Consulting

Das beschäftigt die promovierte Betriebswirtin. Mit Kollegen grübelt sie beim Feierabendbier darüber, wie häufig Konsumgüter wohl auf diese Art entsorgt würden und wie man Hersteller und Bedürftige zusammen bringen könne. Sie sichern sich interne Projektmittel und beginnen, an einem Konzept zu arbeiten. Schnell stellt sich heraus: Es reicht nicht, bloß eine Plattform für die Vermittlung von Sachspenden bereitzustellen. Auch die physische Logistik muss übernommen werden. Es ist der Anfang von Innatura.

01.08.2023
Köln:
Sachspendenlager innatura gGmbH in Gremberghoven. Das Unternehmen wird 10 Jahre alt und ist eine Plattform für die Vermittlung fabrikneuer Produkte an soziale Einrichtungen.
Foto: Martina Goyert

Das Sachspendenlager in Gremberghoven

In diesem Sommer feiert die gemeinnützige GmbH, deren Geschäftsführerin Juliane Kronen ist, ihren zehnten Geburtstag. Heutzutage werden rund 1500 Artikel – von Körperpflegeprodukten über Windeln und Schreibwaren – im rund 3000 Quadratmeter großen Logistikcenter in Köln-Gremberghoven angeliefert, sortiert und weiter verschickt. Die Organisationen erhalten die Ware gegen eine kleine Vermittlungsgebühr, die die Ausgaben für Lager, Personal und IT deckt.

Seit der Gründung wurden laut Innatura Sachspenden im Wert von rund 50 Millionen Euro weitervermittelt, was mehr als 8000 Tonnen Abfall vermieden habe. Das ist viel, doch das Potenzial ist noch groß: Insgesamt werden laut eigener Rechnung jährlich fabrikneue Konsumgüter im Wert von sieben Milliarden Euro vernichtet. „Und das ist eine konservative Zahl“, so Kronen. Importgüter werden zum Beispiel nicht mit einbezogen.

Überproduktion ist Teil des Tagesgeschäfts

Die derzeitigen Strukturen in Handel und Industrie führen an verschiedenen Stellen zu Überproduktion und Müll. „Wenn Sie als Konsumgüterhersteller einen Platz in den Regalen des Einzelhandels haben, geben Sie den nicht her. Im Zweifel produzieren Sie mehr als gebraucht wird, um diese Regale gefüllt zu halten“, sagt Juliane Kronen.

Außerdem müssten viele Produkte, die in den Einzelhandel kommen – zum Beispiel Windeln und Kosmetik – bei Anlieferung noch etwa drei Jahre haltbar sein. „Das heißt, es werden permanent Sachen entsorgt, die nur noch zweieinhalb Jahre haltbar sind.“

Es wäre sinnvoll, diese Fristen zu hinterfragen, so Kronen. Sie beschreibt, dass es darüber hinaus große Unterschiede im Agieren von kleinen und großen Unternehmen gäbe: „Viele kleine Hersteller sind von Anfang an stärker auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Wenn sie beispielsweise die Verpackung ändern, lassen sie die alte Ware langsam ausschleichen.“ Große Unternehmen machten dagegen häufig einen sogenannten harten Relaunch. „Da darf dann am gleichen Tag die alte Verpackung nicht mehr im Regal stehen. Das ist in der Premiummarkenführung übliche Praxis.“

Entsorgung ist günstiger als die Spende

Dass diese Unternehmen die Ware bislang nicht häufiger spenden, hat einen einfachen Grund: Die Entsorgung ist günstiger. „Wenn Unternehmen Produkte spenden, werden diese behandelt, als hätten sie sie verkauft. Sie müssen also Umsatzsteuer abführen und können das auch nur in Teilen über die Spendenquittung kompensieren.“ Das Thema stehe seit Jahren auf der politischen Agenda, doch getan habe sich bislang noch nichts.

Dennoch hat Innatura in den vergangenen Jahren rund 225 Hersteller- und Handelsunternehmen als Partner gewinnen können, darunter Beiersdorf, Procter & Gamble und Amazon Deutschland. Die Plattform profitiert davon, dass das Thema Nachhaltigkeit so breit diskutiert wird.

„Heutzutage rufen die Unternehmen uns an und sagen: Wir haben hier was, das wollen wir nicht wegwerfen“, sagt Kronen. „Aber wir haben 225 Spenderunternehmen bei zwei Millionen Unternehmen in Deutschland – da gibt es natürlich noch ein bisschen Potenzial.“

Der König von England ist Schirmherr

Die promovierte Betriebswirtin wird häufig gefragt, wann sie, die Unternehmensberaterin, beschlossen habe, „endlich etwas Sinnvolles zu tun“. „Aber das ist Quatsch, die Beratung hat total Spaß gemacht.“ Doch als sie einmal die Dimension des Wegwerf-Problems erkannte und das interne Projekt weiter voranschritt, habe sie nicht mehr weitermachen können wie bisher. Tatsächlich spielt in diesem Prozess auch eine Figur eine Rolle, die man an dieser Stelle nicht unbedingt erwarten würde: der heutige britische König Charles III.

Denn im frühen Projektstudium stoßen Juliane Kronen und ihre Kollegen auf die gemeinnützige Organisation In Kind Direct International, deren Schirmherr König Charles ist – und deren Konzept schließlich als Vorbild für Innatura fungiert. Das Team um Juliane Kronen möchte zum internationalen Kooperationspartner werden, fragt an, ob der damalige Prinz seine Schirmherrschaft ausweiten würde.

„Ich musste dann zu einem sehr interessanten Bewerbungsgespräch mit dem Chairman of the Prince’s Charities“, erzählt Kronen. Dort sei sie unter anderem gefragt worden, ob sie sich als Beraterin die logistische Arbeit zutraue. „Ich habe ihm gesagt, ich bin im Studium Tankwagen gefahren, den Know-How-Transfer vom Flüssiggut zum Stückgut würde ich mir noch gerade so zutrauen.“

Einige Woche später gibt es Post: His Royal Highness wäre erfreut, die Schirmherrschaft zu übernehmen.

Innatura war von Anfang an ein ehrgeizig gedachtes Projekt – und ist es bis heute. „Unser Anspruch ist nicht, ein paar Tonnen hier und ein paar Tonnen da zu retten“, so Kronen. „Wir wollen es zum selbstverständlichen Bestandteil guter Unternehmensführung machen, sich des Angebots von Innatura zu bedienen.“