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Kommentar

Kommentar zum Elterngeld
Gleichstellung erreichen wir nicht mit Elterngeld für Spitzenverdienende

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Lesezeit 3 Minuten
01.07.2023, Berlin: Eine Mutter hält ihr Kind an der Hand. Im Zuge des Sparkurses beim Bundeshaushalt könnte es zu Änderungen beim Elterngeld kommen. Wie der «Spiegel» meldete, sollen künftig nur noch Eltern mit einem Jahreseinkommen von bis zu 150 000 Euro Anspruch auf das Elterngeld haben. Die Ausgaben 2024 sollen demnach im Vergleich zu diesem Jahr um 290 Millionen Euro auf knapp 8 Milliarden Euro sinken. Zunächst seien auch Leistungskürzungen beim Elterngeld im Gespräch gewesen, schreibt das Magazin. Diese habe das Paus-Ministerium jedoch vermeiden können, indem es den Kreis der Berechtigten eingeschränkt habe. Foto: Fernando Gutierrez-Juarez/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Bundesregierung will die Einkommensgrenze fürs Elterngeld senken.

Das Geld im Bundeshaushalt ist nicht unendlich. Bei der wohlhabendsten Minderheit zu sparen, ist richtig, sagt unsere Autorin.

Für das Elterngeld gilt bislang eine Grenze des zu versteuernden Einkommens von 300.000 Euro jährlich. Haushalte, die darüber liegen, haben kein Recht auf die staatliche Unterstützung in Höhe von maximal 1800 Euro im Monat. Nun soll die Einkommensgrenze halbiert werden. Ist der Plan gerecht oder falsch? Tim Attenberger, Leiter der Lokalredaktion Köln, hält die Pläne für eklatant falsch. Eliana Berger, Redakteurin im Wirtschaftsressort, hält dagegen:

Vereinfacht gesagt ist der Bundeshaushalt ein Topf, in den wir alle Geld einzahlen, um es am Ende gemeinsam so auszugeben, dass es der Gesellschaft am meisten nutzt. Bestes Beispiel: Neu im diesjährigen Haushalt ist die geplante Kindergrundsicherung, die Kinderarmut besser bekämpfen soll.

Grenze des Bruttoeinkommens dürfte bei 180.000 Euro liegen

Doch das Geld im Topf ist nicht unendlich. Wir müssen priorisieren. Ressourcen müssen dorthin fließen, wo sie am dringendsten benötigt werden. Und dabei stellt sich die Frage: Ist der einkommensstärkste Teil der Bevölkerung wirklich derjenige, der staatliche Unterstützung am dringendsten benötigt?

Die Obergrenze für den Bezug von Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro zu versteuerndes Einkommen zu senken, mag auf den ersten Blick wie ein echter Einschnitt klingen. In der Praxis sind jedoch nur ein bis zwei Prozent aller Paare mit Neugeborenen betroffen – auch, weil das erlaubte Bruttoeinkommen durch steuerliche Abzüge eher bei 180.000 Euro liegen dürfte. So hat es die Forschungsgruppe Gender Economics am DIW Berlin ausgerechnet.

98 bis 99 Prozent haben weiter Anspruch auf Elterngeld

Andersherum gesagt: Die übrigen 98 bis 99 Prozent haben weiter Anspruch auf Elterngeld. Wir sprechen hier also nicht von einem Einschnitt für die Mittelschicht. Wir sprechen von einer wirklich sehr kleinen, wirklich sehr gut verdienenden Gruppe. Das Elterngeld ist eine staatliche Unterstützungsleistung und es sollte auch so behandelt werden: indem es dort eingesetzt wird, wo es einen Unterschied macht. Zur Debatte stand bei den Haushaltsverhandlungen auch, die Höhe des Elterngeldes in seiner Gesamtheit zu senken. Das wäre eine Katastrophe gewesen für die vielen Familien, die durchrechnen müssen, ob sie sich ein Kind leisten können. Die Entscheidung, stattdessen am wohlhabenden Ende zu sparen, ist richtig.

Das Elterngeld in Gänze ist ein starkes Symbol für Gleichstellung. Doch das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nicht die Ursachen von Ungleichheit zwischen den Geschlechtern bekämpft. Diese Ungleichheit besteht, weil Frauen statistisch betrachtet bei gleicher Arbeit weniger verdienen als Männer. Weil sie in den Augen der Gesellschaft noch immer primär verantwortlich für Erziehung sind. Diese Probleme an der Wurzel zu bekämpfen, sei es mit Lohntransparenzgesetzen oder Quoten, tut hundertmal mehr für Gleichstellung als den einkommensstärksten zwei Prozent der Eltern Zugang zu Elterngeld zu ermöglichen.

Perfektes Rezept für schnelle Empörung

In der Politik ist es seit jeher unpopulär, einst eingeführte staatliche Zuwendungen wieder zurückzufahren. Denn oberflächlich betrachtet gibt es nur Verliererinnen und Verlierer: An einer Stelle wird Geld weggenommen – aber es gibt keine sichtbaren Profiteure, weil niemand merkt, wo es stattdessen hinfließt. Es ist das perfekte Rezept für schnelle Empörung.

Doch diese Betrachtungsweise ist nun einmal verkürzt. Wir müssen in der politischen Diskussion hinterfragen dürfen, ob das Geld in unserem Topf wirklich am sinnvollsten verteilt wird. Prüfen, wo die Steuergelder, die wir alle zahlen, den größten Effekt haben. Wer sie am dringendsten braucht. Und das sind nicht die Wohlhabendsten in der Gesellschaft.