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Kommentar

Krise in der Automobilbranche
VW braucht keine Hilfe – andere schon

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Lesezeit 3 Minuten
Ein Volkswagen (VW) Passat R und ein Golf GTI stehen in einer Garage im Hauptquartier in Wolfsburg.

Ein Volkswagen (VW) Passat R und ein Golf GTI stehen in einer Garage im Hauptquartier in Wolfsburg.

Der große Knall in Wolfsburg war überfällig. Viele der Probleme bei VW sind hausgemacht.

Wer die Dramen vom Dezember noch im Kopf hat, mag sich jetzt die Augen reiben: War VW nicht eben noch so gut wie pleite? Wurden nicht buchstäblich in letzter Minute Werkschließungen und Massenentlassungen verhindert? Und dann wühlt man sich durch die Zahlen der VW-Bilanz und findet zwölf Milliarden Euro Nettogewinn. Unglaublich viel Geld. Sollte das nicht reichen?

Nun ja, vorerst – aber nicht auf Dauer. Denn in weiten Teilen dieses Weltkonzerns wird praktisch nichts verdient, und Quersubventionierung aus profitablen Bereichen funktioniert nicht lange. Außerdem schrumpfen diese Bereiche. Gleichzeitig sind die Herausforderungen immens. Polster für die nächste weltpolitische Verwerfung werden gebraucht und Töpfe für Investitionen in ein halbes Dutzend neue Technologien.

Zulieferer stehen vor größeren Problemen

Der große Knall in Wolfsburg war also überfällig. Der zweitgrößte Autohersteller der Welt kann sich nicht mehr auf einem Boom in China, gnädigen Märkten im Rest der Welt und freundlichen Rabatten seiner Zulieferer ausruhen. Er muss in allen Bereichen wettbewerbsfähig sein und selbst dafür sorgen.

Das ist die betriebswirtschaftliche Seite des Problems, und Volkswagen sollte die Bewältigung leichter fallen als anderen – viele Probleme sind hausgemacht, und es gibt ja noch die zwölf Milliarden Jahresgewinn. Anderen, vor allem Zulieferern, fällt das sehr viel schwerer. Sie haben weniger Reserven, stehen aber vor den gleichen Herausforderungen. Und so summieren sich die Einzelfälle zu einem volkswirtschaftlichen Problem: Die europäische Automobilindustrie schlingert und schrumpft.

Die Transformation wurde verkorkst

Das liegt auch an einer vielfach verkorksten Transformation. Politik und Unternehmen schieben sich gegenseitig die Schuld am zähen Hochlauf der Elektromobilität zu – und haben beide Recht. Auf der einen Seite stehen lückenhafte Ladenetze, wirre Förderpolitik und wankelmütige Kommunikation. Auf der anderen finden sich hohe Preise, zum Teil hastig entwickelte Autos und uneingelöste Versprechen.

CEO Oliver Blume hat den Jahresbericht von VW in Wolfsburg vorgestellt.

CEO Oliver Blume hat den Jahresbericht von VW in Wolfsburg vorgestellt.

Das Ergebnis sind zaudernde Kunden. Der Umstieg auf die Elektromobilität braucht mehr Zeit als geplant. Die EU-Kommission reagiert darauf mit einer vorübergehenden Lockerung der neuen CO2-Regeln. Das ist ein richtiger erster Schritt. Nicht, weil VW und Co. jetzt Strafzahlungen sparen. Die könnte man ihnen durchaus zumuten. Aber es verschafft auch den Schwächeren in der Industrie ein wenig Zeit.

Festhalten am Verbrenner bringt nichts

Richtig ist aber auch, am Ziel Elektromobilität nichts zu ändern. Denn wer glaubt, ein Festhalten am Verbrenner würde Arbeitsplätze in der deutschen Autoindustrie erhalten, wird schon in wenigen Jahren böse erwachen. Der Elektroantrieb ist dann ganz praktisch die bessere Lösung – dummerweise Made in China.

Für eine neue Bundesregierung gilt deshalb die gleiche Leitlinie wie für die neue EU-Kommission: Sie sollte beim Wechsel zur E-Mobilität helfen, statt ihn womöglich in Zweifel zu ziehen.