Kriselnder NRW-StahlgigantThyssenkrupp fliegt aus dem Dax – die Hintergründe
- Thyssenkrupp soll aus dem Dax fliegen.
- Großaktionäre fordern die Zerschlagung.
- Ein Überblick, wie es zu der Krise kommen konnte – und ein Blick in die Geschichte.
Essen – Die Geschichte Thyssenkrupp startet im 19. Jahrhundert. Thyssen und Krupp sind über 100 Jahren Industriegiganten im Revier, erbitterte Rivalen, ihre Chefs werden „Ruhrbarone“ genannt. Doch die engere Geschichte beginnt 1997. Im März wird durch eine Indiskretion bekannt, dass der Essener Industriekonzern Krupp-Hoesch die doppelt so große und wirtschaftlich weitaus stärkere Thyssen AG schlucken will. Eine derartige „feindliche Übernahme“ hat es in Deutschland noch nie gegeben.
Die Thyssenbelegschaft ist alarmiert, fürchtet den Abbau Tausender Jobs. Die Landesregierung verhindert den Kauf. Aber Gerhard Cromme, Vorstandsvorsitzender von Krupp, hat sein Ziel erreicht: Eine Diskussion kommt in Gang, die in Gespräche über eine gemeinsame Zukunft übergeht. Am Ende einigt man sich friedlich. Im November 1997 geben die Stahlgiganten Thyssen und Krupp ihre Fusion bekannt. Thyssenkrupp startet offiziell 1999.
Zwei alte Rivalen zogen Strippen
Hinter den Kulissen hatten zwei alte Rivalen die Strippen gezogen. Auf Krupp-Seite Berthold Beitz, Statthalter und Generalbevollmächtigter des 1967 gestorbenen Alleininhabers Alfried Krupp von Bohlen und Halbach. Mit der Kruppstiftung, die Beitz leitet, ist er der mächtigste Aktionär im „neuen“ Stahlkonzern. Auf Thyssen-Seite Günter Vogelsang. Im Düsseldorfer Sternerestaurant Victorian besiegeln die Ehrenvorsitzenden der Aufsichtsräte die Fusion.
Eine Zeit lang gilt die Konstruktion der beiden Senioren als geniale List. Denn die Krupp-Stiftung hält zunächst 25,14 Prozent der Aktien und verfügt über ein Entsenderecht für drei Aufsichtsräte, so dass einschließlich der Arbeitnehmerseite eine Dreiviertel-Mehrheit im Aufsichtsrat stets gesichert sind. Die Fusion sichert aus heutiger Sicht zunächst die unabhängige Existenz von Thyssenkrupp. Doch kämpft der Konzern mit vielen Problemen: Ein riesiger Schuldenberg, weltweite Überkapazitäten auf dem Stahlmarkt und viele hausgemachte Probleme.
Vorstandschef verzockt sich
Im Jahr 2010 verzockt sich der damalige Vorstandschef Ekkehard Schulz, genannt „Eiserner Ekki“, in den USA und Südamerika. Durch den Bau eines neuen Stahlwerks in Brasilien, das immer teurer wird, verzeichnet Thyssenkrupp Verluste. Abschreibungen folgen, unter dem Strich stehen acht Milliarden Euro minus.
Nachfolger Heinrich Hiesinger versucht, den größten deutschen Stahlkocher umzubauen, doch das geht nur schleppend – auch ein Resultat der Beitzschen Konstruktion. Denn die Krupp-Stiftung bremst Vieles, am Ende sogar den Sanierer Hiesinger selbst. 2018 verliert er den Rückhalt des Großaktionärs.
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Auch beim aktuellen Vorstandschef Guido Kerkhoff läuft es nicht rund. Er sitzt auf einem Berg von mehr als fünf Milliarden Euro Schulden. Im Mai verbot die EU-Kommission die Fusion der Stahlsparte mit der des Konkurrenten Tata. Kerkhoff setzt aufs Sparen, baut 6000 der 160.000 Stellen ab. Die profitable Aufzugssparte wollte er zuerst an die Börse bringen, am Mittwoch meldete das „Handelsblatt“, Thyssenkrupp plane einen direkten Verkauf, was bis zu 15 Milliarden Euro bringen könnte. Der schwedische Großaktionär Cevian und Paul Singers Hedgefonds Elliott fordern gar eine Zerschlagung von Thyssenkrupp. Was der Tragik die Krone aufsetzt. Nach 31 Jahren fliegt die Aktie des Unternehmens nun aus dem Dax, weil die Börsenkapitalisierung nicht mehr groß genug ist für das Spitzensegment.