Tipps von AnwältenSo kommen Sie vorzeitig an das Geld aus der Lebensversicherung
Köln – Die Corona-Krise macht sich für viele Sparer derzeit finanziell bemerkbar: Die einen haben wegen Kurzarbeit weniger Geld zum Leben, den anderen fehlt das zusätzliche Geld vom Minijob, der gestrichen wurde. Besonders hart trifft es Selbständige, die wegen Geschäftsschließungen seit Monaten keine Einnahmen mehr haben. Die Lebensversicherung zu kündigen könnte eine Hilfe sein, sollte aber gut durchdacht sein. Die Verbraucherrechtskanzlei Decker & Böse zeigte im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mögliche Alternativen auf, die kaum ein Kunde kennt.
Eine Kapital-Lebensversicherung oder private Rentenversicherung lässt sich relativ einfach beleihen. Auch der Widerruf kann eine Möglichkeit darstellen. „Vom Vertreter erfahren die Kunden von diesen Möglichkeiten normalerweise nichts, denn der Vertreter hat vor allem das Interesse, dass der Vertrag unverändert weiterläuft - denn daran hängt seine Provision“, sagen die Kölner Anwälte. Ein Überblick:
Die Kündigung
Der Lebensversicherungsvertrag endet, der Kunde bekommt den sogenannten „Rückkaufswert“ ausgezahlt. Dieser ist aber nicht das, was bereits eingezahlt wurde, sondern deutlich weniger. Über viele Jahre der Vertragslaufzeit liegt der Rückkaufswert deutlich unter der Summe der gezahlten Beiträge, da mit einem Teil der Beiträge erst einmal die relativ hohen Abschlusskosten getilgt werden müssen. Folge: Der Kunde hat nur das restliche Geld auf dem Konto, die weitere Beitragszahlung aber entfällt. Diese Beiträge stehen nun für Konsum zur Verfügung, oder können anderweitig gespart werden. Doch Vorsicht: Besonders ältere Verträge haben eine so hohe garantierte Verzinsung, wie sie heute am Kapitalmarkt kaum noch zu erwirtschaften ist. Die Verbraucherzentrale warnt ebenfalls vor einer unüberlegten Kündigung.
Die Beitragsfreistellung
Sie ist genauso verlustreich wie die Kündigung. Es wird der Rückkaufswert ermittelt, der dann wie eine Einmalzahlung in eine Lebensversicherung behandelt wird, für die keine weiteren Beiträge gezahlt werden müssen. Auch bei der Beitragsfreistellung ist das Geld für die Abschlusskosten verloren. Im Grunde hat man rückwirkend betrachtet die höheren Abschlusskosten der „großen“ Versicherung auf die nun kleinere Versicherungssumme verteilt. Bei der Beitragsfreistellung hat der Kunde lediglich die Entlastung, dass er keine weiteren Beiträge zahlen muss.
Das Policendarlehen
Wenn der Kunde zwar die laufenden Beiträge zahlen kann, aber vorübergehend einen größeren Geldbetrag benötigt, ist das eine Alternative zur Kündigung. Der Zins ist in der Regel deutlich geringer als bei einem Dispokredit, weitere Sicherheiten als die Police selbst werden in der Regel nicht verlangt. „Die Beleihung von Policen ist zum einen bei der Versicherungsgesellschaft selbst oder bei einer Bank möglich“, sagt die Verbraucherzentrale. Der Kunde kann jederzeit tilgen – macht er das nicht, verrechnet der Lebensversicherer den Darlehensbetrag bei Ablauf mit der Auszahlung.
Der Widerruf
„Noch Jahre nach Vertragsschluss ist bei zahlreichen Lebensversicherungen der Widerruf möglich, wenn bei Abschluss nicht korrekt über das Widerrufsrecht informiert wurde. Der Widerruf ist oft der Königsweg aus einem Vertrag, da bis zu 100 Prozent der Beiträge erstattet werden müssen – zuzüglich Zinsen“, heißt es von der Kanzlei Decker & Böse. Der Gewinn gegenüber der Auszahlung bei Kündigung sei fast immer erheblich.
Der Zweitmarkt:
Unter bestimmten Voraussetzungen stehen die Chancen gut, einen Aufkäufer für den eigenen Versicherungsvertrag zu finden. Beträgt der Rückkaufswert der Police mindestens 10.000 Euro und übersteigt die verbleibende Vertragslaufzeit eine bestimmte Anzahl von Jahren (15 Jahre bis 25 Jahre) nicht, hat man gute Chancen, einen Aufkäufer für den Lebensversicherungsvertrag zu finden.
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Aber: „Lassen Sie bei der Auswahl des Policenankäufers große Vorsicht walten. Auf dem Markt tummeln sich viele Firmen, die die Unwissenheit der Verbraucher ausnutzen und ihnen mehr schaden als nutzen“, warnt die Verbraucherzentrale.
Tricks, um die Versicherung über die Zeit zu retten
Das Festhalten an einer Lebensversicherung trotz privaten Finanzproblemen kann sinnvoll sein, wenn der Vertrag vor 2005 abgeschlossen wurde und deshalb noch die volle Steuerfreiheit der Kapitalerträge bei Ablauf greift. Ältere Verträge haben außerdem Mindestverzinsungen von bis zu vier Prozent des Guthabens. Bei regulärem Ablauf erhalten die Kunden darüber hinaus eine Art Treuebonus, der die Auszahlung wesentlich erhöht. Das ist vor allem dann zu bedenken, wenn es bis zum regulären Ablauf nur noch ein paar Jahre sind.
Die Stundung:
Für sechs bis zwölf Monate sind Lebensversicherer zumeist bereit, die Prämien zu stunden. In dieser Zeit zahlt der Kunde nur den geringen Risikoanteil der Prämie, damit der Versicherungsschutz bestehen bleibt. Nach Ablauf der Stundung sind die ausstehenden Beiträge nachzuzahlen – kann der Kunde das nicht, wird die Versicherungssumme reduziert oder die weiteren Beiträge werden erhöht.
Die Reduzierung:
Renten oder Einmalzahlungen können reduziert werden, wodurch sich entsprechend die Prämie verringert. Das lässt sich wie eine Teilkündigung sehen, wobei aber je nach Vereinbarung später der alte Vertrag wieder aufleben kann. Werden lediglich Zusatzleistungen gekündigt, etwa eine Unfalltod-Zusatzversicherung, sinkt die Prämie ebenfalls.
Die Verlängerung:
Der Vertragsablauf lässt sich nach hinten schieben. Statt mit dem 60. wird die Lebensversicherung dann z. B. mit dem 65. Geburtstag fällig. Dadurch sinkt bei unveränderten Leistungen die Prämie, denn der Kunde zahlt insgesamt länger Prämie. Bei einer solchen Vertragsänderung ist mitunter eine neue Gesundheitsprüfung notwendig.