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Manager-KrankheitenHat Ihr Chef auch die Alphatier-Tollwut?

Lesezeit 10 Minuten

Vorsicht, tollwütiges Alphatier! Karriere-Trainer Klaus Schuster beschreibt in seinem witzigen Buch alle Diagnosen, mögliche Therapien und die ganze Prävention für Manager-Krankheiten.

Gerade eben hat man sich noch ganz nett beim Mittagessen in der Kantine mit seinem Vorgesetzten unterhalten. Doch schon Sekunden später brennt die Luft, und der Boss explodiert! „Der Typ ist doch krank!“, denken Sie sich. Richtig! Die Diagnose lautet: Alphatier-Tollwut. Oder ist es doch Cäsaren-Wahn?

Manager-Coach Klaus Schuster kennt die Antwort. In seinem amüsant geschriebenen Buch „Manager-Krankheiten“ (Redline Verlag) hat der erfahrene Job-Trainer alle gängigen Krankheitsbilder der Führungskräfte gesammelt. Und damit sind nicht etwa Burn-out, Tinnitus, Magengeschwüre oder Kreuzweh gemeint.

„Manager leiden an Krankheiten, an denen sich die moderne Medizin bislang die Zähne ausbeißt: Gerade noch redet man ganz normal mit dem Kerl, und fünf Sekunden später hat er Zypern ruiniert“, beschreibt Schuster im Vorwort eine Erfahrung, die viele Mitarbeiter täglich mit ihren Bossen machen. Diese Unberechenbarkeit mache sie so gefährlich – sowohl die Krankheit, als auch die infizierten Führungskräfte.

Auf witzige Weise schildert der Autor verschiedene „Diagnosen“ aus seinem Arbeitsalltag und die dazu passende (Eigen-)Therapie, Prävention bzw. Immunisierung. Wir stellen einige ausgewählte Krankheitsbilder und mögliche Heilmethoden vor:

Alphatier-Tollwut

Symptomatik: Der Chef faltet seine Sekretärin zusammen, weil sie sich in einem Brief vertippt hat. Sie entschuldigt sich, trotzdem brüllt er sie an und macht sie zur Schnecke: „Ich fasse es nicht! Jeder Azubi hätte das bemerkt!“ Hinterher sagt die Sekretärin zu einer Kollegin: „Was ist das für ein Unmensch? Ich hab doch schon den Fehler eingestanden, und der trampelt immer noch auf mir rum. Der ist doch krank!“ Natürlich. Aber wie heißt seine Krankheit?

Ursachen: „Dieser Chef ist ein Alphatier“, diagnostiziert Schuster. Eigentlich passten Alpha-Fauna und Management nicht zusammen. Denn Alphatiere wollen nicht managen – sie wollen gewinnen, und zwar immer und deutlich. „Wenn sie dann gewinnen, empfinden sie das (unbewusst!) als so geil, so irre, so adrenalingeladen, dass sie leicht in Blutrausch geraten und nicht mehr aufhören können zu gewinnen“, so der Coach.

Nachgeben oder einlenken würden Alphatiere nie, sondern auch mal bis zur Erschöpfung verbal auf am Boden Liegende einprügeln. „Im Tierreich löst der als Unterwerfungsgeste dargebotene Hals beim Duell-Gewinner eine Beißhemmung aus – bei menschlichen Alphatieren den Blutrausch.“

Fremdtherapie: Ist leider zwecklos. Das Alphatier muss selbst erkennen, wie falsch sein Verhalten ist. Der Grund: „Niemand würde einem amoklaufenden Rottweiler „Pfui, Bello!“ zurufen – also versuchen Sie das lieber nicht mit einem menschlichen Rottweiler“, erklärt Schuster. Das funktioniere nur, wenn Sie der Silberrücken-Alpha sind – aber warum sollten Sie das tun? „Das würde Ihnen als Zeichen von Schwäche ausgelegt, und die Horde der bislang untergeordneten Alphas würde Sie massakrieren.“ Höflichkeit, Freundlichkeit und Menschlichkeit würden bei Alphatieren nicht als edle Tugenden, sondern als Schwäche gelten.

Cäsaren-Wahn

Symptomatik: Samstagabend hat sich der Angestellte gerade erst gemütlich gemacht, da bimmelt eine SMS. Es ist sein Chef, der simst: „Schalten Sie Ihren PC ein, ich habe Ihnen eine Mail geschickt!“ Solche Fälle gibt es immer häufiger. Wurde man den Arbeitgeber fragen, warum er das verdiente Wochenende stört, würde er im Brustton der verfolgten Unschuld beteuern: „Was haben Sie denn? Es eilte – und eine halbe Stunde Wochenendarbeit hat noch keinem geschadet! Sie können das ja als Überstunde aufschreiben!“

Ursache: „Cäsaren-Wahn ist die Berufskrankheit im Management schlechthin, weil die Ansteckungsgefahr im Seuchengebiet exorbitant ist – und die Seuche ist überall“, weiß Schuster. Wer auch nur eine Woche das Kommando bzw. das Sagen habe, sei danach zwangsläufig infiziert. Deshalb erwische der Wahn auch viele Eltern, Lehrer oder Trainer.

Fremdtherapie: Die alten Römer kannten das Problem. Deshalb fuhr beim Triumphzug immer ein Staatssklave auf dem Wagen des Feldherrn mit. Der Sklave deklamierte während des kompletten Zugs ununterbrochen auf Latein: „Sieh dich um und bedenke, dass auch du nur ein Mensch bist!“ Heute jedoch rechtfertigen sich die Bosse in 80 Prozent der Fälle mit Sätzen wie: „Ich trage die Verantwortung, ich sage, wo’s langgeht!“ oder „Ich habe doch keinen Feldwebelton an mir!“ bzw. „Seien Sie nicht so wehleidig! Unser Umgangston ist rau, aber herzlich!“

Da hilft nur eine Eigentherapie mit den vier „Immun-Mantras“:

- Mantra I: „Die Leute sind immer empfindlicher, als du annimmst.“

- Mantra II: „Hart in der Sache – aber stets höflich zum Menschen!“

- Mantra III: „Ein Großer, der einem Kleinen keinen Respekt zeigt, ist nicht wirklich groß.“

- Mantra IV: „Auch wenn es mir selber nichts ausmacht, respektlos behandelt zu werden, behandle ich andere Menschen mit Respekt!“

Woran erkennen Sie laut Job-Coach Klaus Schuster übrigens einen Manager, der immun ist gegen den Cäsaren-Wahn? Er sagt täglich zwei Dutzend Mal Bitte und Danke. Cäsaren-Wahnsinnige würden nie auf die Idee kommen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Therapie gegen „KABA-Komplex“ und „Lemmingitis“ hilft.

KABA-Komplex

Syndrom:Kompetentes Auftreten bei Ahnungslosigkeit“. So nennen es vor allem Techniker und Ingenieure, wenn ein Manager mal wieder im Brustton der Überzeugung völligen Unfug verzapft.

Ursache: Der Komplex ist auch unter dem Synonym „Supermann-Syndrom“ bekannt; in der Wissenschaft wird er als Dunning-Kruger-Effekt untersucht. Forscher stellten fest, dass KABA nicht nur eine Berufskrankheit im Management ist, sondern geradezu ein Kriterium der Adverse Selection - also der der Fehlauswahl von Führungskräften: Wer am wenigsten Ahnung hat, tritt paradoxerweise am selbstbewusstesten auf – und wird deshalb überdurchschnittlich oft und schnell befördert.

Erwünschte Nebenwirkungen: Gerade im Management gilt oft (nicht immer): Bewusstsein schlägt Sein. Oder wie eine Managerin aus der Chemieindustrie sagte: „Ginge es nach unseren Technikern und Controllern, hätten wir die neue Fabrikhalle nie bauen dürfen. Für so eine Investition in unsicheren Zeiten braucht man Eier in der Hose!“ Also eine gesunde Selbstüberschätzung. Die Betonung liegt auf „gesund“. Was, wenn Ihr Vorgesetzter sich krankhaft überschätzt?

Wenn es Ihren Boss erwischt: „Der Boss spinnt völlig! Der lässt nicht mit sich reden!“ So ist es, denn jede Manager-Krankheit immunisiert sich leider gegen Therapien. Und nicht immer können wütende Mitarbeiter ihren Vorgesetzten heilen. „Dazu braucht man wie jeder gute Arzt die richtigen Instrumente“, so Schuster. Ein Untergebener sollte nicht antworten: „Chef, das geht doch gar nicht!“ – womit er nur Widerspruch ernten kann. Stattdessen sagt er besser: „Chef, tolle Idee – und womit sichern wir das Risiko von XY ab und das Risiko von XY?“

Lemmingitis

Syndrom: Erschreckend viele Menschen im Management (und anderswo) haben keine eigene Meinung – oder sie äußern sie nicht. Aus paranoider oder berechtigter Vorsicht – oder weil sie sich schlicht schlecht artikulieren können. Manche kennen sich auch nicht richtig aus im eigenen Zuständigkeitsbereich. Trifft eine dieser Voraussetzungen zu, dackelt der Patient hinter der Meute oder dem Platzhirsch her. Es gibt immer einen Meinungsführer, hinter dem man den Lemming machen kann. Und Lemminge werden im Management gut bezahlt!

Wenn es andere erwischt: In diesem Fall sollten Sie nach Möglichkeit die Zusammenarbeit vermeiden. „Was nützt einem ein Teammitglied ohne eigene Meinung? Lässt sich die Zusammenarbeit nicht verhindern, hilft die Standardkur: vom Baum runterholen“, rät Schuster.

Viele Patienten sein nicht pathologisch krank, sondern in die Krankheit geflüchtet, weil sie mit offener Meinungsäußerung schlechte Erfahrungen gemacht hätten: Sie wurden unqualifiziert angeblafft. „Zartbesaitete fühlen sich davon unter Druck gesetzt und halten lieber die Klappe“, weiß der Job-Coach.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Therapie gegen Meeting-Koller und Rotkäppchen-Syndrom wirkt.

Meeting-Koller

Symptomatik: Was machen Sie, wenn ein Problem auftaucht? Sie lösen es? Das hört sich gut an und ist gesund - aber normal ist es nicht. Normal ist: „Wir haben ein Problem! Beruf mal ein Meeting ein!“ Und zwar beim kleinsten Anlass.

Radikalkur: Schuster rät Mitarbeitern, zur Abwechslung mal die Sau rauszulassen: „Ich kenne eine Managerin, die in der vierten Generation ein Familienunternehmen leitet. Sie brüllte mal aus vollem Lauf einen ihrer Manager an: 'Vergessen Sie das Meeting! Sagen Sie mir eine Lösung!' Völlig verdattert stotterte der Angeblaffte zwei, drei Optionen, hatte aber immerhin so viel Mumm, um zu fragen: 'Und wenn mir jetzt spontan nichts eingefallen wäre?' – 'Dann hätten wir ein Meeting einberufen', grinste die Matriarchin. 'Dann, nur dann und erst dann.'

Nach dem dritten Anraunzer dieser Art bei wechselnden 'Patienten' ging innerhalb eines Quartals die Anzahl der einberufenen Meetings um die Hälfte zurück – bei gleichzeitiger Beschleunigung aller Abläufe. Radikal ist phänomenal! Wie radikal sind Sie?“

Rotkäppchen-Syndrom

Symptomatik: Eine Managerin macht einen Fehler. Bei einer relativ komplexen und dringlichen Beschaffung über 200.000 Euro übersieht sie, dass sie lediglich bis 180.000 Euro befugt ist. Warum hat ihr das keiner aus der Beschaffungs-Abteilung gesagt? Die Managerin war erst mal geschockt - und der Vorstand las ihr gehörig die Leviten.

Ihr Fehler war, dass sie die Beschaffung nur mit ihrem Team besprochen hatte. Es fehlte ein Sparringspartner auf gleicher Ebene, der sie auf ihre Managementsünden aufmerksam machen könnte. „Führungskräfte begegnen sich oft auf Augenhöhe – beim Golf, beim Tennis und auf Empfängen“, erklärt Schuster. Aber da fragt keiner: „Hilfst du mir mal, gedanklich mein aktuelles Projekt durchzuspielen?“ Das würde als Schwäche ausgelegt. Dabei braucht jeder Mensch einen Sparringspartner, um nicht wie Rotkäppchen einsam im Wald zu stehen.

Therapie: „Sie wären schockiert, wenn Sie wüssten, wie viele Führungskräfte noch ohne Mentor, Coach oder Sparringspartner herumlaufen“, so der Autor. Etliche lehnten Coaching zum Beispiel mit der Begründung ab: „Wenn das nicht der Betrieb bezahlt, mache ich das auch nicht!“ Sie riskierten lieber schlimme Fehler und ihre Karriere, als einmal die Woche (oder auch nur einmal im Monat) 200 bis 400 Euro zu bezahlen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche Therapie gegen Sandwich-Selbstmord und Versprecheritis wirkt.

Sandwich-Selbstmord

Symptomatik: „Schatz“, sagt die Gattin am Frühstückstisch. „Nimmst du was mit fürs Mittagessen? Oder du gehst in ein nettes Lokal?“ „Ah, heute hab ich leider keine Zeit! Drei Termine zwischen elf und eins! Ich futtere schnell was zwischendurch.“ „Aber eine warme Suppe solltest du zumindest essen! Das kostet höchstens zehn Minuten.“ „Keine Zeit! Ich esse ein Sandwich vom Botendienst. Das geht schnell zwischendurch.“

Ursachen: Manager sind schon fast laut Arbeitsvertrag dazu verpflichtet, ihre Gesundheit zu ruinieren. Aber viele würden wohl auch freiwillig den Hungertod am Schreibtisch sterben. Andere futtern sich abends wieder an, was sie sich tagsüber vom Mund abgespart haben – multipliziert mit Faktor drei. „Dazu noch die viele Sitzerei und der fettmachende Stress – das ruiniert den stärksten Hunnen irgendwann. Da hilft auch kein Feierabendjogging und kein Abo im Edelfitnessstudio“, moniert Schuster.

Fremdtherapie: „Die gibt es im Grunde nicht für den Selbstmord auf Raten“, weiß der Karriere-Experte. Hin und wieder sei von Sekretärinnen zu hören, die die Terminplanung vom Chef so eisern im Griff hätten, dass sie mit unerbittlicher Härte über Mittag stets 45 Minuten freilassen. Ansonsten müssten die Sandwich-Selbstmörder aber selbst aktiv werden und ihren Lebensstil ändern. Eine feste Terminvereinbarung mit sich selbst, etwa zum Mittagessen, kann hilfreich sein.

Versprecheritis

Symptomatik: Immer wieder beschweren sich Jungmanager im Coaching bei Schuster: „Der Chef hat mir versprochen, dass ich nach der Einarbeitungszeit... (hier lässt sich etwas Beliebiges eintragen). Das ist jetzt zwei Jahre her.“ Der Coach fragt seine Kunden dann stets: „Und was hat er Ihnen sonst noch versprochen?“

Ursache: Manager, die Mitarbeitern nicht vorhandene Projekte oder nicht budgetierte Beförderungen versprechen, ihren Kunden nicht lieferbare Lieferungen oder ihrer Familie zum wiederholten Male ein gemeinsames Wochenende, obwohl sie absehbar bis zum Projektendtermin in sechs Monaten jedes verdammte Wochenende durcharbeiten müssen – diese Menschen leiden an Versprecheritis. Warum versprechen sie Dinge, die sie zum Zeitpunkt des Versprechens bereits absehbar nicht halten werden können oder wollen? Weil sie überfordert sind. Sie lügen, damit sie ihre Ruhe haben.

Wenn es den Chef erwischt: Einen konfliktschwachen Mitarbeiter kann der Chef zum Konflikttraining schicken – aber wer schickt den Chef? Im Regelfall: keiner. Dem Young Professional hat Schuster einen Einlauf verpasst: „Sie warten zwei Jahre auf ein bei der Einstellung versprochenes Rieseninnovationsprojekt, das nach sechs Monaten spätestens hätte starten müssen? Das ist nicht das einzige gebrochene Versprechen? Und Sie sind immer noch in diesem Laden? Das ist krank! Tun Sie endlich was für Ihre Gesundheit!“ Vorgesetzte mit Versprecheritis könne man nicht therapieren, sondern sich nur vor ihnen schützen, indem man auch ohne ihre blumigen Versprechungen auskommt – oder geht.