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Auszüge aus E-Mails und ChatnachrichtenBericht über Springer-Chef Mathias Döpfner bringt Verlag in Erklärungsnot

Lesezeit 5 Minuten
Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, gestikuliert.

Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, steht abermals in der Kritik. (Archivbild)

Er soll über Ostdeutsche gelästert, Angela Merkel verteufelt und mit „Bild“ Politik gemacht haben. Ein „Zeit“-Bericht über Mathias Döpfner sorgt für Wirbel.

Ein Bericht über angebliche konzerninterne Nachrichten von Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner sorgt am Donnerstag für Wirbel beim Medienkonzern. Der Artikel, veröffentlicht von der „Zeit“, soll Aufschluss über die Denkweise von Mathias Döpfner sowie dessen Verlagsführung geben. Den laut Forbes milliardenschweren Medienmanager dürfte er in Erklärungsnot bringen.

In einem langen Bericht gewährt die „Zeit“ anhand der Auswertung interner Mails und Chatnachrichten mehrerer Jahre Einblicke in die mutmaßliche Gedankenwelt von Mathias Döpfner. Laut eigenen Angaben stammen die Nachrichten aus dem engsten Führungskreis des Medienkonzerns sowie vom Springer-Chef selbst, „Gespräche mit Insidern und Beteiligten“ würden die Rechercheergebnisse vervollständigen.

Mathias Döpfner: „Aus dem Zusammenhang gerissen“

Döpfner selbst äußerte sich am Donnerstag in einer im Springer-Intranet veröffentlichten Erklärung zur Berichterstattung. Dort schreibt er unter anderem von „aus dem Zusammenhang gerissenen Text- und Gesprächsschnipseln“.

Enthüllungen zu Springer-Chef Mathias Döpfner zeigen politisches Kalkül

Die Wochenzeitung zeichnet das Bild des Vorstandvorsitzenden, der offenbar große Teile der Gesellschaft verachte und mit „Bild“ politische Meinungsmache verfolgt habe. Die Zeitung listete mehrere Zitate auf, die bis zum Jahr 2017 zurückreichen. Damals machte Döpfner Julian Reichelt zum „Bild“-Chefredakteur – und soll damit einhergehend eine neue Marschroute vorgegeben haben.

So schreibt die „Zeit“ etwa, dass die „Bild“-Zeitung Döpfner zu politisch korrekt geworden sei und das „auf Dauer nicht gut gehen“ könne. Es folgte dem Bericht nach ein Kurswechsel. Diverse Chatnachrichten, aus denen im „Zeit“-Bericht zitiert wird, legen nahe, dass Döpfner anscheinend mit der Politik von Angela Merkel wenig anfangen konnte. Die „Zeit“ zog ein Zitat heran, in dem von „M“ die Rede ist, gemeint sein soll damit die ehemalige Bundeskanzlerin. „Sie ist ein Sargnagel der Demokratie“, wird aus einer mutmaßlichen Döpfner-Nachricht zitiert.

„Zeit“ veröffentlicht verstörenden Vergleich von Mathias Döpfner zu Corona-Politik der Merkel-Regierung

Vor allem die Corona-Politik der Bundesregierung habe Döpfner verärgert. Die Politik und Wirtschaftsführer würden die Gesellschaft zerstören.

Döpfner lästert dem Bericht zufolge in vielen internen Nachrichten frei heraus – unter anderem über Ostdeutsche und Eliten. Unterstützung gibt es laut der Wochenzeitung indes für Donald Trump.

Der „Zeit“ zufolge soll Döpfner etwa geschrieben haben: „Meine Mutter hat es schon immer gesagt. Die ossis werden nie Demokraten. Vielleicht sollte man aus der ehemaligen ddr eine Agrar und Produktions Zone mit Einheitslohn machen.“ Von Kaiser Wilhelm sei es in Ostdeutschland zu Hitler und Honecker gegangen, ohne zwischendurch von den USA profitiert zu haben. In seiner Intranet-Erklärung schreibt Döpfner daz, er habe „natürlich keinerlei Vorurteile gegen Menschen aus dem Osten Deutschlands“. Er sei aber seit Jahrzehnten „enttäuscht und besorgt, dass nicht wenige Wähler in den neuen Bundesländern von ganz links nach ganz rechts geschwenkt sind“.

Die „Zeit“ begründet die Veröffentlichung der internen und privaten Nachrichten Döpfners damit, dass sie zeigten „wie sehr er Politisches, Publizistisches und gelegentlich Privates vermischt. Deshalb sind Nachrichten des Vorstandsvorsitzenden von öffentlichem Interesse.“

Mathias Döpfner soll politische Meinungsmache bei „Bild“ gefördert haben

Der Vorwurf: Der Springer-Chef habe parteilich agiert, dies belege etwa der Bundestagswahlkampf 2021, in dem Döpfner laut internen Nachrichten seine Mitarbeiter mehrmals dazu angestiftet haben soll, die FDP zu unterstützen. So soll er sich vor der Bundestagswahl eine pro-FDP-Berichterstattung in der „Bild“ gewünscht haben.

Aus Springer-Kreisen hieß es weiter zu dem „Zeit“-Artikel, Döpfner sei ein meinungsstarker Verlagschef, der aus Prinzip immer Gegenmeinung und Widerspruch herausfordere und dafür immer mal wieder polemisiere. Man lasse sich an dem messen, was in den Publikationen des Verlags stehe, nicht an angeblichen Ausschnitten aus persönlichen Chats. Die Absicht des Artikels sei erkennbar: Er solle Unruhe stiften und vom Wesentlichen ablenken.

Döpfner selbst schreibt, er sei „den Werten dieser Partei sehr nah. Aber unsere Journalistinnen und Journalisten lassen sich davon Gott sei Dank nicht beeinflussen.“ Am Ende werde immer von den Chefredakteuren bei Springer entschieden, was sie veröffentlichen.

Affäre um Julian Reichelt holt Axel-Springer nach Artikel um ein Neues ein

Der Bericht zeichnet auch Döpfners Haltung während der Affäre um Ex-„Bild“-Chefredakteur Julian Reichelt nach und dessen Expansionspläne für die Zukunft. Reichelt musste im Herbst 2021 seinen Posten als Chefredakteur von Deutschlands größter Boulevardzeitung räumen und den Konzern verlassen. Hintergrund seines Endes bei „Bild“ waren Vorwürfe des Machtmissbrauchs in Verbindung mit einvernehmlichen Beziehungen zu Mitarbeiterinnen gewesen. Der Journalist selbst hatte später von einer „Schmutzkampagne“ gegen ihn gesprochen und Vorwürfe zurückgewiesen.

Der Medienkonzern hatte im Frühjahr 2021 ein internes Verfahren gegen den Journalisten zur Überprüfung der Vorwürfe angestoßen und war dabei zunächst zum Schluss gekommen, ihm eine zweite Chance zu geben. Ein Medienbericht der US-Zeitung „New York Times“ griff den Fall dann im Oktober 2021 erneut auf, Springer zog unmittelbar darauf einen Schlussstrich und entband Reichelt von seinen Aufgaben.

Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtete unabhängig von der „Zeit“-Berichterstattung unter Berufung auf eigene Informationen, dass Springer seit geraumer Zeit rechtliche Schritte gegen Reichelt prüfe. Der Medienanwalt von Julian Reichelt, Ben Irle – der auch in der „Zeit“-Berichterstattung zitiert wird –, teilte auf dpa-Anfrage wiederum mit, man prüfe seinerseits „strafrechtliche Verfolgbarkeiten von Verhaltensweisen und zivilrechtliche Inanspruchnahmen sämtlicher Beteiligten“.

Die Enthüllungen der „Zeit“ lassen an einer überparteilichen Berichterstattung der „Bild“-Zeitung erhebliche Zweifel aufkommen. Bereits in den vergangenen Jahren waren Nachrichten von Döpfner geleakt und veröffentlicht worden, unter anderem von der „New York Times“ und der „Washington Post“. Den Medienmanager und seinen Verlag brachte das in Bedrängnis, seinem Standing als Verlagschef schadete das alles bislang aber nicht nachhaltig. (pst, ken, afp, dpa)