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Mehrwegpflicht hinter ErwartungenKölner Start-up Vytal setzt jetzt auf Events

Lesezeit 3 Minuten
Mehrere Personen essen aus Mehrwegschalen des Start-ups Vytal.

Seit 2019 bietet das Kölner Unternehmen Vytal Mehrwegbehälter als ökologische Alternative für To-go-Speisen an.

Das Kölner Start-up Vytal hatte sich von der Mehrwegpflicht einen Boom versprochen. Der blieb aus - doch eine neue Zielgruppe soll das Unternehmen nun weiter voranbringen.

Bei Tim Breker ist gerade viel los. In den vergangenen Wochen war der Geschäftsführer des Mehrweganbieters Vytal in der Schweiz unterwegs, verbrachte einige Tage mit seinen Mitarbeitern im sachsen-anhaltischen Zeitz zum Teambuilding und saß beim Marketing-Pflichtevent „OMR Festival“ auf der Bühne, um seine neue Partnerschaft mit US-Getränkehersteller Pepsi Co zu präsentieren.

Mehrwegpflicht läuft nicht wie geplant

Dass Breker zurzeit so viel unterwegs ist, liegt an der Mehrwegpflicht. Seit 1. Januar 2023 sind Gastronomen, Lieferdienste und Frischetheken hierzulande dazu verpflichtet, ihre Speisen und Getränke zum Mitnehmen auch in Mehrweg-Verpackungen anzubieten. Mit dem Gesetz will die Bundesregierung die Menge an Plastikmüll verringern, die durch Einwegverpackungen entsteht.

Als die Gesetzesankündigung kam, investierte Vytal kräftig in seine Software, Mehrwegbehälter und Personal. Unterm Strich stand im Jahr 2022 ein Verlust von rund 4,7 Millionen Euro. Doch die Rechnung ging nicht auf wie erwartet, denn Gastronomen müssen zwar theoretisch eine Mehrwegalternative anbieten, doch das Ganze ist ein Angebot an die Kunden. Und wenn die es nicht nachfragen, bringt auch eine Mehrwegpflicht wenig. Umwelt- und Verbraucherschützer bemängeln zudem fehlende Kontrollen und dass sich nicht alle Betriebe an die Pflicht halten.

Nachhaltigkeit nicht mehr Top-Priorität

Vytal hat sein Netzwerk aus teilnehmenden Restaurants eigenen Angaben zufolge im Jahr 2023 zwar verdreifacht und damit seine Position im Markt stark ausgebaut, doch Breker hatte sich mehr Dynamik erhofft: „Die Zielgruppe wächst nicht so, wie wir uns das ausgemalt hatten“, sagt er. „Ich hätte mir mehr Dynamik in der Gastronomie gewünscht, aber wir hatten in den vergangenen zwei Jahren diverse Krisen. Da ist Nachhaltigkeit nicht mehr Top-Priorität.“

Doch Breker merkte, dass seine Geschäftsidee funktioniert - und noch Luft nach oben hat. Wer sich sein Essen in einer Vytal-Box mitnehmen möchte, scannt bislang einen QR-Code auf dem Behälter und muss ihn innerhalb von 14 Tagen wieder bei einem der rund 6500 Partner zurückgeben, sonst wird eine Gebühr fällig. Vytal weiß also jederzeit, wo die Behälter stecken: „In Köln haben wir 465 Gastro-Partner, bei denen über 33.000 Mehrwegbehältnisse im Umlauf sind“, sagt Breker.

Dieses Prinzip funktioniert auch im Eventgeschäft - nur eben mit viel größeren Mengen. Deshalb hat Vytal seine Technologie weiterentwickelt und sucht nun den Schulterschluss mit Stadionbetreibern, Veranstaltern und Großgastronomen. Hinzu kommen Serviceleistungen wie ein Spülservice oder Lagerung, Anlieferung und Ausgabe der Mehrwegbehälter. Rund 70.000 Vytal-Behältnisse werden aktuell in Köln bei Events genutzt. Gründer Breker geht davon aus, dass sich seine Umsätze dank der neuen Zielgruppe dieses Jahr mindestens verdoppeln, 2026 will Vytal profitabel sein.

Daten bringen Wettbewerbsvorteil

Durch den QR-Code auf den Vytal-Behältern kann das Unternehmen genau sagen, wer seine Kunden sind und wie sie die Behälter nutzen. „Unsere Kunden sind im Schnitt Anfang 40 und bringen ihre Behälter nach weniger als fünf Tagen zurück“, sagt Breker. Die Rücklaufquote betrage 99 Prozent. Damit hat er einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz. „Die geben ihre Behälter meist gegen Pfand aus und wissen gar nicht, wo sie sich befinden und wie viele Behälter im Umlauf sind.“

Zwölf Millionen Euro hat Vytal seit seiner Gründung bereits eingesammelt, darunter sind namhafte Investoren wie die Flixbus-Gründer oder ein Lieferando-Investor. Zusätzlich 2,8 Millionen Euro haben Privatpersonen und Gastronomen beigesteuert, die Vytal im Rahmen einer Crowdinvestment-Aktion angesprochen hat. „Ende 2022 hatten wir gerade von Investoren frisches Geld eingesammelt. Das hätte theoretisch für unsere Expansionspläne gereicht“, sagt Breker. Vytal-Nutzer und Gastronomen als zusätzliche Investoren zu gewinnen, war ein kluger Schachzug: „Wer in etwas investiert, nutzt es dann auch öfter“, sagt Breker.

Breker hatte Vytal im Sommer 2019 mit zwei Freunden in Köln gegründet und beschäftigt mittlerweile 55 Menschen. 21 davon sitzen in der Kölner Zentrale in Bickendorf, der Rest in Berlin oder im Homeoffice. Breker wohnt inzwischen in Göttingen.