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Russischer DiscounterMere mit Problemen – Neue Filiale schließt vorerst

Lesezeit 5 Minuten
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Mere will deutschen Discountern Konkurrenz machen.

Leipzig – Für lange Schlangen und große Schlagzeilen hat der russische Discounter Mere mit der Eröffnung seiner ersten Filiale in Deutschland gesorgt. „Mit der breiten Aufmerksamkeit haben wir überhaupt nicht gerechnet“, erklärt eine Sprecherin der Unternehmensgruppe Torgservis, zu der Mere gehört.

Das klingt fast schon blauäugig. Denn das Supermarkt-Format ist ein direkter Angriff auf die beiden Discounter-Giganten Aldi und Lidl, die Herren der Niedrigpreise. Das Mere-Motto „Jeden Tag nur Tiefstpreise“ klingt nicht nur ambitioniert, es will sich auch an der Konkurrenz messen.

Erster Mere-Markt muss schon wieder schließen

Wie blauäugig die Pläne wirklich sind, verdeutlicht jetzt eine Maßnahme, zu der sich das Unternehmen derzeit gezwungen sieht. Denn wer in dieser Woche die Filiale in Leipzig aufsucht, der steht vor verschlossenen Türen.

mere logo

Die erste Filiale muss schon wieder schließen.

Denn die erste Filiale des Russen-Discounters in Deutschland hat nach nicht mal einer Woche wieder geschlossen. Das sorgt dann doch für eine faustdicke Überraschung.

An der verschlossenen Ladentür findet sich statt eines Willkommensschilds folgende Kundeninformation:

Auf Nachfrage sagte eine Sprecherin des Unternehmens am Montag, man habe mit dem Ansturm der vergangenen Tage einfach nicht gerechnet. „Wir können unsere Kunden ja nicht in einen leergekauften Markt einladen“, so die Sprecherin.

Als negatives Zeichen wollte man das aber nicht sehen. Eigentlich sei es doch überaus positiv, dass Kunden so viel Ware abgenommen hätten. „Jetzt wissen wir, welchen Vorlauf wir brauchen“, gab sich die Unternehmenssprecherin optimistisch.

Auch an den ursprünglichen Plänen, in Kürze über 100 Filialen in den neuen Bundesländern zu eröffnen, hätten die Lieferschwierigkeiten in der ersten Filiale nichts geändert.

Mere erklärt Tiefstpreise mit „Palettenverkauf“

Wie das Unternehmen ihren Kunden jeden Tag „gute Waren für wenig Geld“ anbieten will, wohlgemerkt mit Preisen unter denen der in Deutschland seit Jahrzehnten herrschenden Markführern, verrät Mere allerdings nicht. „Palettenverkauf“, ist die kurze und knappe Aussage der Sprecherin, die wir am Mittwoch erreichen. Über feste Vertriebspartner oder eine Verkaufsstrategie wollte man keine Angaben machen.

Zu dem Mere-Motto steht man trotz der Geheimniskrämerei. „Das Versprechen von Tiefstpreisen gilt nicht nur zur Eröffnung, sondern immer“, so die Sprecherin.

Das ergab ein Testeinkauf bei Mere und den Konkurrenten

Ein Testeinkauf in der Leipziger Filiale kommt unterdessen tatsächlich zu dem Ergebnis: Die Preise bewegen sich zum Teil deutlich unter denen der Konkurrenz. Und das quer durch das gesamte Sortiment. Wer etwa Getränke, Müllbeutel, gekühlte Lebensmittel und Trockenware kauft, bezahlt am Ende weniger, als bei vergleichbaren Discountern.

Kassiererin Mere

Das Kassensystem lief am Eröffnungstag noch nicht einwandfrei.

Über weitere Ausbaupläne gab sich die Firma Torgservice, die nach eigenen Angaben in Osteuropa und Asien 928 Filialen betreibt, unterdessen sehr zurückhaltend. „Wir wollen schon bald weitere Filialen in den neuen Bundesländern eröffnen“, erklärt eine Sprecherin. Wann und ob überhaupt man in den weiteren Bundesraum vordringen werde, darüber wollte man auf Anfrage nicht spekulieren.

Kunden Ehepaar Mere

Patrick Serig mit Ehefrau Nicol und Sohn Janik sind die ersten Kunden des russischen Discounters Torgservis in Leipzig.

Auf der Homepage wirbt das Unternehmen allerdings offensiv für die Eröffnung weiterer Mere-Supermärkte. Demzufolge wolle man ein Filialnetz mit über 100 Standorten aufbauen. Gesucht werden Immobilien in Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Brandenburg und Berlin. Laut aktuellen Stellenausschreibungen könnte in Zwickau der nächste Markt eröffnet werden, da dort ein Filialleiter gesucht wird.

Marketingexperte: „Das Mere-Konzept wird nicht erfolgreich sein“

Für den Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf ist es kein Zufall, dass die erste Filiale des russischen Discounters in Ostdeutschland eröffnet. „Ich glaube, dass es eine Kundschaft in manchen Regionen Deutschland für einen solchen Discounter gibt.“ Die Kaufkraft sei in Ostdeutschland teils geringer und es gebe mehr günstige Flächen als im Süden oder Westen Deutschlands. Auch über die wenig anmutende Ausstattung werde der Kunde hinwegsehen, wenn die Preise günstiger sind, ist Fasnacht überzeugt.

„Das Konzept wird aber nicht erfolgreich sein, weil es sich wirtschaftlich nicht rechnet“, betonte Fassnacht. Um als Discounter in dieser Branche erfolgreich zu sein, brauche man Masse, viele Filialen und eine große Nachfrage, um auch mit den Herstellern über niedrige Preise zu verhandeln. „Selbst 100 Filialen reichen nicht aus, um erfolgreich sein zu können.“

Es ist nicht der erste Anlauf eines ausländischen Einzelhändlers den anspruchsvollen deutschen Markt zu erobern. Nicht nur der US-Konzern Wal-Mart hat bei dem Versuch in Deutschland ein Debakel erlebt. Auch die französische Intermarché-Gruppe zog 2006 einen Schlussstrich unter ihr verlustreiches Deutschland-Engagement und verkaufte die Handelskette Spar an Edeka.

Das sagen Kunden zur Mere-Filiale

„Hier sieht’s aus wie in den 90er Jahren“, sagt eine Kundin gleich beim Hereinkommen. Die Einrichtung ist äußerst schlicht. Kunden greifen die großenteils noch in Kartons verpackte Ware direkt von der Palette ab. Damit erinnert die Mere-Filiale in Leipzig tatsächlich an Aldi-Supermärkte der frühen Anfangsjahre.

Auffällig ist, dass viele der Lebensmittel aus Osteuropa stammen. Der Mais heißt „Kukurydza“, die Bolognese aus dem Glas „Bolonnski“. Die Kunden stört das offenbar wenig. „Wir sind neugierig gewesen, was es hier alles so gibt“, sagt Natalia Koch, die zwei Einkaufstüten voll mit Produkten aus dem Markt trägt. Sie hat unter anderem Tee und Kaffee gekauft.

Eine andere Kundin hält eine Pfanne hoch und meint: „Hat weniger als drei Euro gekostet.“

Doch nicht alle Kunden sind überzeugt: „Es gibt schon günstige Produkte, doch extra hier herfahren, lohnt sich für mich wohl nicht“, meint Alexandra Aust. Sie hat in ihrem Wagen verschiedene Säfte stehen.

Mere-Marktleiter gesteht Startschwierigkeiten ein

Der Start lief auch nicht ganz glatt. Hans-Joachim Quinque wollte Wurst für 73 Cent kaufen, an der Kasse wurden ihn jedoch vier Euro berechnet. „Das System hat nur den Kilopreis erkannt“, sagt er nach einem Gespräch mit dem Marktleiter. „Der Fehler wurde aber unkompliziert behoben.“ Ein anderes Kassensystem konnte den Barcode der Milch nicht lesen.

„Wir sind von dem Andrang zum Start etwas überrascht“, sagt eine Mere-Sprecherin. „Wir dachten, wir hätten mehr Zeit zur Einarbeitung.“

Auch ein anderer Kunde ist sauer. Er kaufte zwei Flaschen Wein und erklärte: „Ja, das war noch billiger als bei Aldi. Aber eigentlich wollte ich Tiefkühlkost kaufen. Das ist aber noch nicht im System“, schimpfte er.

Auch Butter fehlte zunächst noch. Auch beim frischen Gemüse mussten Kunden Abstriche machen. Das soll sich in Zukunft aber ändern, teilte die Geschäftsführung mit.