Auch 1&1 will ein großflächiges 5G-Mobilfunknetz aufbauen, kommt jedoch nicht voran. Der Mutterkonzern verweist auf unzuverlässige Dienstleister.
MobilfunkZoff wegen 5G – 1&1 droht Bußgeld wegen schleppendem Netzausbau
So viel Zoff gab es unter den Mobilfunkern wohl noch nie. Im Zentrum steht der Discountanbieter 1&1. Er hat beim Ausbau der 5G-Netze massiv gegen die Auflagen der Bundesnetzagentur (BnetzA) verstoßen. Große Netzkapazitäten liegen brach, worunter letztlich die Nutzer leiden. Es drohen Bußgelder in Höhe von fast 50 Millionen Euro. Zugleich fordert 1&1-Chef Ralph Dommermuth den Zugang zu den Netzen der Konkurrenten, was diese entschieden zurückweisen.
Rückblick: Alles fing im Frühjahr 2019 an, als sich völlig überraschend auch 1&1 zur Auktion der Funknetze für die neue 5G-Technik anmeldete – neben den drei etablierten Netzbetreibern Vodafone, O2-Telefónica und Deutsche Telekom. 1&1 ist ein Mobilfunkdienstleister, der bis zum heutigen Tag nur über eine rudimentäre Netzinfrastruktur verfügt.
Damals fragten sich Experten: Will Dommermuth wirklich der vierte Netzbetreiber hierzulande werden? Zunächst sah es so aus, seine Leute ersteigerten reichlich Frequenzen, was dem Unternehmen nach eigenen Angaben mehr als eine Milliarde Euro kostete.
Mit 1&1-Anlagen kann kein 5G-Netz betrieben werden
Danach passierte aber nicht mehr viel: 1&1 hatte im Zuge des Erwerbs des Funkspektrums die Auflage, bis Ende vorigen Jahren ein Netz mit 1000 Basisstationen für 5G aufzubauen. „Unstreitig wurden nur wenige Standorte in Betrieb genommen“, heißt es in einem Schreiben der BnetzA an ihren Beirat, das dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vorliegt. Es sollen lediglich fünf Stationen am Stichtag gewesen sein. Ein Mobilfunknetz kann damit natürlich nicht in betrieben werden. Die BnetzA hat ein Bußgeldverfahren eingeleitet.
Das Unternehmen aus Montabaur kann bis Freitag, 12. Mai, dazu Stellungnahme abzugeben. Das werde 1&1 „im Rahmen der Anhörung“ auch tun, teilte eine Sprecherin schon Ende voriger Woche mit. Wie in dem Statement argumentiert wird, lässt sich erahnen: „Unsere Ausbaupartner haben nicht das geliefert, was vertraglich vereinbart war“, hat Dommermuth in einem Interview mit dem Handelsblatt betont.
Gemeint ist unter anderem die Vodafone-Tochter Vantage Towers, die Standorte für die 5G-Antennen zur Verfügung stellen soll. In Konzernkreisen wurde Dommermuths Hinweis „mit Überraschung“ aufgenommen.
Komplextität des Netzaufbaus unterschätzt?
Es wird auch von Experten darauf verwiesen, dass 1&1 viel zu spät mit den Ausbauplanungen begonnen habe. Die etablierten Netzbetreiber starteten bereits vor der 2019er-Auktion. Bei den drei Unternehmen sind die dafür zuständigen Abteilungen jeweils mehrere hundert Köpfe stark. Bei 1&1 sollen es erst 2021 mit zehn bis 15 Leuten losgegangen sein, heißt es.1 &1 habe die Komplexität des Netzausbaus unterschätzt, betont der Telekommunikations-Professor Torsten Gerpott von der Uni Duisburg-Essen.
Auch die Wahl des Technikpartners sei ein Fehler gewesen. 1&1 setzt auf ein Verfahren, das Open-RAN heißt, bislang aber noch nicht in kommerziell genutzten Netzen eingesetzt wurde. Gerpott fragt sich indes, ob 1&1 beim Netzausbau „überhaupt noch die Kurve kriegt“.
Wie hoch das Bußgeld ausfallen wird, will der BnetzA-Beirat, der mit Politikerinnen und Politikern besetzt ist, in seiner Sitzung im Juni beraten. Bislang gab es für das Nicht-Einhalten von Ausbau-Auflagen noch nie Strafen, trotz häufiger Verstöße. Die Netzbetreiber erfüllten dann immer nachträglich die Auflagen. In der Branche kursiert die Vermutung, dass das 1&1-Management nun auf eine erneute Amnestie setzt.
Jedenfalls wurde kürzlich ein neuer „Roll-out-Plan“ vorgelegt: Das 5G-Netz soll im Herbst in Betrieb genommen werden. Ende des Jahres sollen Antennen an 1207 Standorten funken. Um den Kunden flächendeckende Verbindungen zu ermöglichen, hat 1&1 die Mitnutzung des Telefónica-Netzes vereinbart, allerdings handelt es sich dabei um die ältere und langsamere 4G-Technik, auch als LTE bekannt.
1&1 will Netze der Konkurrenz mitnutzen – und stößt auf Widerstand
Doch Dommermuth geht nun noch einen Schritt weiter. Er hat bei der BnetzA beantragt, auch die 5G-Netze mitnutzen zu dürfen, und zwar bei allen drei anderen Netzbetreibern. Dieses sogenannte Super-Roaming lehnen die Rivalen rundheraus ab. Die Deutsche Telekom hat den Ruf nach Super-Roaming als absurd bezeichnet.
Valentina Daiber, Vorständin bei O2-Telefónica, sagt: „Bei 5G gab es für alle Netzbetreiber gleiche Startbedingungen und klare Spielregeln. Drei Netzbetreiber haben ihr 5G-Netz bereits umfassend ausgebaut.“ Von Beginn hätten alle Beteiligten einen echten 5G-Infrastrukturwettbewerb für die Verbraucher in Deutschland gewollt. Bei den Verhandlungen zur Mit-Nutzung des Telefónica-Netzes sei von Anfang an klar gewesen, dass 5G nicht Bestandteil der Vereinbarung sei. „Entsprechend erwarten wir keine wettbewerbsverzerrenden Änderungen der aktuellen Vereinbarung.“
Gemeint ist damit: Würde sich die BnetzA auf das Super-Roaming einlassen und das Bußgeld nur bescheiden ansetzen, hätte 1&1 einen erheblichen Vorteil gegenüber seinen Konkurrenten. Viel Geld, was die anderen Anbieter für den Netzausbau ausgeben haben, hätte 1&1 eingespart, wodurch das Unternehmen womöglich den Konkurrenten mit günstigen Preise Kunden abluchsen könnte.
Doch auch bei der BnetzA soll man derzeit nicht gerade gut auf 1&1 zu sprechen sein. So ist in dem Schreiben an den Beirat mit Blick auf die anstehende Vergabe weiterer Frequenzen Skepsis erkennbar: „Die Frage, ob eine Frequenzknappheit vorliegen wird, hängt zum Beispiel von Entwicklungen ab, die sich derzeit noch nicht hinreichend sicher prognostizieren lassen. Das sind etwa der Verlauf des Netzausbaus und die Erlangung der wettbewerblichen Unabhängigkeit durch 1&1.“