Die beiden größten Naturschutzverbände in Nordrhein-Westfalen haben sich über die Umweltschutzpolitik so zerstritten, dass der NABU die Zusammenarbeit beendet.
Streit zwischen NABU und LEE Naturschützer in NRW brechen Gespräche über Ausbau von Windrädern ab
Wie kann der Ausbau der Windenergie in NRW gelingen, ohne ökologisch wertvolle Lebensräume zu gefährden, bedrohte Tierarten zu schädigen und Erholungsgebiete für die Menschen zu beeinträchtigen? Der Landesverband Erneuerbare Energien (LEE NRW) und der Naturschutzbund (NABU NRW) sind mit dem Versuch gescheitert, einen Katalog für die Auswahl von Flächen zu erstellen, die diese Kriterien erfüllen.
Die Gespräche wurden am Montag auf Betreiben des NABU ergebnislos beendet. Die Landesregierung habe mit einer Flächenanalyse, die als Zwischenbericht Anfang März veröffentlicht wurde, „wesentliche Entscheidungen bereits getroffen“, kritisiert die NABU-Vorsitzende Heike Naderer.
Der Bericht zeige „keinen naturverträglichen Pfad für den Ausbau der Windenergie auf. Die ermittelten Potenziale liegen zu großen Teilen auch in naturnahen und ökologisch sensiblen Bereichen, die eines konsequenten Schutzes bedürfen“. NRW-Umweltminister Oliver Krischer (Grüne) wolle „nicht einmal davor Halt machen, die Windenergienutzung in künftig noch auszuweisenden Schutzgebieten zu ermöglichen“, so Naderer.
Laub- und Mischwälder sind für die Naturschützer tabu
Ein Knackpunkt der Gespräche ist aus Sicht des LEE NRW die Forderung des NABU gewesen, Laub- und Mischwälder in NRW vor der Windkraftnutzung zu schützen, selbst wenn sie in der Vergangenheit durch Sturm, Käferfraß oder Dürre geschädigt wurden. Aus Sicht der Naturschützer ist diese Forderungen unverhandelbar. Der Anteil der Waldfläche in NRW pro Einwohner betrage lediglich 470 Quadratmeter, das ist nur rund ein Drittel des Bundesdurchschnitts. Der liegt bei 1265 Quadratmeter.
Klar ist aber auch: Ohne die Nutzung von sogenannten Kalamitätsflächen dürfte es für die schwarz-grüne Landesregierung schwierig werden, ihr Ziel von 1000 neuen Windrädern bis 2027 noch zu erreichen.
NABU will jetzt im Alleingang weitermachen
„Wir haben die Gespräche als konstruktiv empfunden. Der NABU hat uns am Montag darüber in Kenntnis gesetzt, dass sich aus seiner Sicht die politischen Rahmenbedingungen überholt haben“, sagt Christian Mildenberger, Geschäftsführer des LEE NRW. „Wir arbeiten seit Jahren konzentriert an Klimaschutz und Naturschutz und würden uns freuen, wenn das der NABU künftig positiver begleiten würde als in der Vergangenheit.“
Doch wie geht es jetzt weiter? Man werde die Ausweisung neuer Flächen für die Windenergie auf der Ebene der Raumordnungsplanung „weiterhin kritisch begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Natur in NRW nicht unter die (Wind-)Räder kommt“, so Nabu-Chefin Heike Naderer. Der Landesverband NRW hat mehr als 120.000 Mitglieder und ist damit die größte Naturschutzorganisation des Bundeslandes.
Man bleibe bei der Forderung, „dass die bereits bestehenden und noch auszuweisenden Gebiete des europäischen Netzes Natura 2000, Nationalparke und nationale Naturmonumente, Naturschutzgebiete und Biosphärenreservate, gesetzlich geschützte Biotope, Wildnis-Entwicklungsgebiete und Naturwaldzellen sowie die für den Biotopverbund wichtigen Gebiete, der Windkraftnutzung nicht kurzerhand geopfert werden.“
Sieben Klagen gegen Windräder in NRW noch nicht entschieden
Derzeit sind in NRW noch sieben Klagen des NABU gegen Windkraftanlagen anhängig, drei davon laufen bereits seit sieben Jahren. Weitere 17 Klageverfahren sind abgeschlossen, zuletzt mussten die Naturschützer mehrere Niederlagen einstecken oder die Klagen wegen mangelnder Erfolgsaussichten zurückziehen.
So hat das Verwaltungsgericht Aachen im November 2022 in erster Instanz die Klage der Naturschützer gegen Dahlem IV in der Eifel abgewiesen. Mögliche Gefährdungen von Rotmilan, Schwarzstorch und anderen unter Naturschutz stehenden Arten seien nicht mehr gegeben, heißt es in der Urteilsbegründung. Von drei weiteren Verfahren wurde die Klage in zwei Fällen zurückgezogen, eine abgewiesen.
Ballungsraum Düsseldorf und das Ruhrgebiet stärker belasten
Der Landesverband des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert die Landesregierung auf, bei den Plänen zum Bau neuer Windräder auch dicht besiedelte Gebiete einzubeziehen. Es dürfe nicht sein, dass Naturräume im Vergleich zu den Ballungsgebieten stärker belastet werden, so der Landesvorsitzender Holger Sticht. Daher müssten auch die Planungsregionen Düsseldorf und das Ruhrgebiet „einen fairen Beitrag leisten“. Um das zu gewährleisten, müsse die 1000-Meter-Abstandsregel generell gestrichen werden.
Bis spätestens 2032 muss NRW 1,8 Prozent der Landesfläche für den Ausbau der Windenergie zur Verfügung stellen. Bisher ist vorgesehen, dass die Planungsregionen Arnsberg, Detmold, Köln und Münster 2,13 Prozent liefern müssen, Düsseldorf hingegen nur 1,14 Prozent und das Ruhrgebiet 0,46 Prozent.