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Neue Konzepte von Rewe und Co.So sieht der Einkauf der Zukunft im Rheinland aus

Lesezeit 4 Minuten

Auch selbst gewogenes Obst muss eingescannt werden.

  1. Ganz viel Technik soll künftig den Gang zur Kasse im Supermarkt ersetzen.
  2. Die Niederlande und England sind deutschen Märkten beim Scanner-Einsatz weit voraus.
  3. Supermärkte versuchen mit verschiedenen Konzepten Kunden an sich zu binden.

Köln – Beim Einkauf der Zukunft wird viel kommuniziert und wenig gesprochen. Ulrich Barthel steht in einem Rodenkirchener Supermarkt vor einem Regal mit Handscannern und hält eine Kundenkarte unter einen roten Laser. Zwei Klicks später beginnt ein Handscanner an der langen Wand zu blinken. „Ok“ steht dort in roten Buchstaben, heißt: Ich bin einsatzbereit.

Beim Einkauf der Zukunft muss der Mensch nur noch mit der Maschine kommunizieren. In Rodenkirchen können Rewe-Kunden im Rahmen eines Projekts ihre Produkte selbst am Regal einscannen. Sie sparen sich so einen Großteil des Kassierprozesses, müssen am Ende nur an der Selbstzahlerkasse den Betrag bezahlen, den der Scanner zuvor errechnet hat.

Anderorts schon gang und gäbe

Bis zu 15 Minuten können sie so gewinnen, sagt Barthel, der Kassenchef im Supermarkt ist. Konkrete Nutzungszahlen zum Projekt nennt Rewe in der Testphase, die bis Ende 2019 laufen soll, nicht. Die meisten Scangeräte scheinen noch unberührt in ihren Fassungen zu ruhen. Barthel sagt aber, wer den Scanner einmal teste, der komme wieder.

Es ist Abend, Einkaufszeit, eigentlich, aber der Markt ist groß genug, dass man sich nirgends in die Quere kommt. Barthel nimmt eine Packung Äpfel aus dem Regal und drückt den Scan-Knopf an seinem Handgerät. Rotes Licht schießt auf den Barcode, gefolgt von einem lauten Piepton im ansonsten stillen Laden. Produkt und Preis erscheinen auf dem Display.

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Ulrich Barthel an der Wand mit den Handscannern

In den Niederlanden und England sei das System schon gang und gäbe, sagt Barthel. Zwar bieten auch einige deutsche Läden wie die Globus-Filiale in Marsdorf das System an – grundsätzlich scheinen die deutschen Supermärkte hier aber etwas hinterherzuhinken.

Einkaufsverhalten verändert sich

Dabei ist klar, dass sie sich weiterentwickeln müssen. Es ist kein Geheimnis, dass sich das Einkaufsverhalten der Menschen verändert; dass es neuer Konzepte und Ideen bedarf, um sie in den stationären Handel zu locken. Die Zahl der Kunden, die sich als „Traditionelle Handelskäufer“ bezeichnen, hat sich laut dem Institut für Handelsforschung Köln zwischen 2012 und 2017 halbiert. Die Anzahl der „begeisterten Online-Shopper“ hat sich im gleichen Zeitraum verdoppelt. Die anteilig meisten Menschen nutzen mittlerweile beide Kanäle.

Deutschlands Supermärkte versuchen, ihre Kunden mit verschiedenen Mitteln für sich einzunehmen. Rewe hat mittlerweile schon 200 eigene Filialen nach dem Konzept „Rewe 2020“ umgebaut. In den neuen Märkten gibt es große Flächen für Convenience-Produkte – hochwertige Fertigprodukte; das Obst kommt mit Saisonkalender und Verzehrempfehlungen („Ideal als Bratapfel“) daher. Farben und Produktsortierung sind neu, es gibt mehr regionale Angebote, in Köln Kaffee aus Ehrenfeld und Honig aus Rösrath.

Supermärkte setzen auf Gastronomie

Auch die Konkurrenz setzt auf einen neuen Look: Real, aktuell noch Teil der Düsseldorfer Metro, betreibt in Krefeld und Braunschweig Markthallen mit integrierter Gastronomie, eigenen Röstereien und „Wochenmarkt-Atmosphäre“. Auch bei Edeka heißt es, man biete in neu eröffneten Märkten verstärkt Gastronomie an.

Die regionale Ecke einer „Rewe 2020“-Filiale

„Wir wollen den Kunden einen 360-Grad-Service anbieten“, fasst Tobias Flöck, bei Rewe für das Projekt 2020 verantwortlich, das zusammen, woran sich alle Anbieter versuchen: „Der Supermarkt soll zum Treffpunkt werden.“ Und der Einkauf soll zum Erlebnis. Die Märkte reagieren damit nicht nur auf zunehmendes Online-Shopping, sondern auch auf die wachsende Konkurrenz durch Discounter.

Auch Lidl und Aldi investierten zuletzt Milliarden in attraktivere Filialen. Zuletzt gewannen die Supermärkte diesen Machtkampf allerdings deutlich: Laut einer Studie der Gesellschaft für Konsumforschung stiegen ihre Umsätze 2018 doppelt so stark wie die der Discounter.

Die Branche wächst weiter

Ungünstig ist das Marktumfeld für den Lebensmitteleinzelhandel gerade grundsätzlich nicht. Im Gegensatz zu Kaufhäusern und Fachhandel wächst er auch in Zeiten des Onlinehandels weiter. Vielleicht bleibt die Branche von den Problemen der Warenhändler auch deshalb verschont, weil die Deutschen beim Lebensmittelkauf weiter traditionell unterwegs sind: Nur jeder sechste Haushalt kauft sie gelegentlich online, so das Ergebnis einer Nielsen-Studie.

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Projektleiter Tobias Flöck in einem „Rewe 2020“-Markt

Supermärkte wie Real, Edeka und Rewe bauen ihre Lieferdienste zwar aus – ein Alltagsphänomen sind sie dabei aber noch längst nicht. „Das Wachstum in diesem Bereich ist langsamer als viele angenommen haben“, sagte Rewe-Digital-Vorstand Jan Kunath kürzlich in Köln. Auch Edeka-Vertriebsvorstand Claas Meineke beobachtete, die deutschen Verbraucher hielten sich nach wie vor zurück.

Beschleunigter Einkauf in Rodenkirchen

Ein Zwischenschritt können Abholdienste sein, bei dem Kunden ihre Online-Bestellungen im Laden einsammeln. Oder eben der beschleunigte Einkauf, der in Rodenkirchen getestet wird. „Jeder Mensch hat es doch heute eilig“, sagt Barthel. An der Selbstzahler-Kasse begleicht er mit wenigen Klicks seine Rechnung. Er ist optimistisch, dass sich das Handscanner-System langfristig durchsetzen wird.

Am Ende des Ladens wartet schließlich auch doch noch ein bisschen menschliche Kommunikation. Die Kassenaufsicht hinter der elektronischen Kasse wünscht analog noch einen schönen Abend. Genau wie früher.

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