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Gegen HaarausfallKölner Start-up will am Milliardenmarkt mitverdienen – Zweifel an Erfindung

Lesezeit 3 Minuten
Das tragbare Gerät gegen Haarausfall vom Kölner Start-up Niostem.

Das tragbare Gerät gegen Haarausfall vom Kölner Start-up Niostem.

Es gibt viele vermeintlich wachstumsfördernde Mittel, die Abhilfe bei Haarverlust versprechen – ob Tabletten, Lösungen oder ein neuartiges Gerät aus Köln.

Haarausfall ist ein Problem, unter dem zahlreiche Menschen leiden – fallen die Haare aus, kann das am Selbstbewusstsein kratzen. Um den Haarausfall zu stoppen, wird dann viel Geld für Tabletten und Lösungen ausgegeben. Um genau zu sein, wurden in Deutschland im vergangenen Jahr laut einer statistischen Erhebung rund 3,3 Milliarden Euro Umsatz mit Pflegemitteln gegen Haarverlust erzielt.

Ein Kölner Start-up wagt nun einen neuen Ansatz und hat ein Gerät entwickelt, das den Haarausfall stoppen und gleichzeitig das Haarwachstum wieder anregen soll.

Kölner Start-up sammelt 1,7 Millionen Euro ein

Die Gründer des Kölner Start-ups Niostem, Carlos Chacón-Martínez und Emil Aliev, arbeiten seit vier Jahren an dem Gerät, das wie ein Helm auf den Kopf gesetzt wird. Im Januar 2022 hat das Unternehmen 1,7 Millionen Euro über private Investoren eingesammelt, das Geld ist fast komplett in die Entwicklung geflossen.

Ab April soll das Gerät für rund 1000 Euro erhältlich sein. Mehrere hundert Geräte wurden bereits vorbestellt, bis Ende des Jahres sollen es ein paar tausend Stück werden, teilt Niostem mit. Das Unternehmen rechnet überdies mit einem Umsatz im niedrig einstelligen Millionenbereich bis Ende des Jahres.

Das Gerät von Niostem soll täglich 30 Minuten über einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten getragen werden. Das Gerät wird auf dem Kopf platziert und über eine Smartphone-App gestartet. Anschließend werden Stimulationsmuster um die Haar-Follikel-Stammzellen erzeugt: „Das Ganze funktioniert dann über Elektrostimulation. Das Gerät bewirkt über bestimmte Reize eine Stimulation der in der Kopfhaut verankerten Haarfollikel-Stammzellen“, erklärt Aliev.

Eine Auswahl an Tabletten (Archivbild)

Tabletten gegen Haarausfall gibt es viele, aber nur wenige, die wirklich helfen.

Werden die Haarfollikel-Stammzellen in der Kopfhaut stimuliert, sollen sie die Haare wieder spießen lassen – ganz ohne Nebenwirkungen. So sollen nach eigenen Angaben des Unternehmens deutlich bessere Ergebnisse als etwa durch Finasterid und Minoxidil, die führenden vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Mittel gegen Haarausfall, erzielt werden.

Die Gründer von Niostem, Carlos (l.) und Emil.

Die Gründer von Niostem, Carlos (l.) und Emil.

Doch daran gibt es vorerst Zweifel von Expertenseite. Für das Gerät von Niostem könne bisher kein eindeutig belastbarer Wirknachweis festgestellt werden, teilt Uwe Schwichtenberg vom Berufsverband der Deutschen Dermatologen auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit. Niostem plant derzeit für Juni eine klinische Placebo-Studie, um diesen Nachweis zu erbringen. Dabei erhält für mindestens ein halbes Jahr ein Teil der Studienteilnehmer das Niostem-Gerät und der andere ein Placebo-Gerät. Die Probanden erfahren nicht, in welcher Gruppe sie sind.

Haarausfall: welche Therapien helfen

Finasterid und Minoxidil sind die beiden gängigen Medikamente, die in der Therapie gegen Haarverlust eingesetzt werden – Finasterid wird in Form von Tabletten eingenommen, Minoxidil wirkt als Lösung, die auf die Kopfhaut aufgetragen wird. Beide Medikamente schaffen es, Haarausfall zu stoppen, sind aber nicht in der Lage, einmal verloren gegangenes Haar wiederzubringen.

Haarausfall: Medikamente haben teils starke Nebenwirkungen

Für eine erfolgreiche Therapie müssen die Medikamente dauerhaft eingenommen werden – dabei kann es zu beachtlichen Nebenwirkungen wie Erektionsstörungen und Libidoverlust bei Finasterid kommen. Die häufigsten Nebenwirkungen in der Anwendung mit Minoxidil sind Juckreiz, Rötungen, Entzündungen und Schuppenbildung der Kopfhaut.

Laut dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen leiden bundesweit vier von fünf Männern bis ins hohe Alter unter Haarausfall, wenn auch in unterschiedlicher Intensität. Auch jede dritte Frau ist betroffen.