Produktion weiter bedrohtFord fährt Kölner Werk für nur eine Woche hoch
Köln – Wochenlang standen die Bänder der deutschen Ford-Werke in Köln und Saarlouis still. Seit Anfang Mai ruht die Produktion. Grund dafür ist ein Mangel an Computerchips, unter dem die gesamte Branche leidet. Auch im VW-Stammwerk kommt es in der kommenden Woche zu Arbeitsausfällen. Der Wolfsburger Konzern schickt die Mitarbeiter in der Fertigung wie auch Ford in Kurzarbeit. In zwei Daimler-Werken ist bereits in dieser Woche Kurzarbeit angesagt. Zuvor gab es bereits bei Audi und BMW Produktionsunterbrechungen. Auch der Kölner Motorenbauer Deutz meldete jüngst Schwierigkeiten. Bei Ford in Köln hingegen wird ab kommenden Montag die Fiesta-Montage wieder hochgefahren – wenn auch nur kurz.
„Nach derzeitigem Planungsstand werden wir in Köln vom 21. bis 29. Juni wieder produzieren. Anschließend pausiert die Produktion bis zu den Werkferien, die vom 12. Juli bis 13. August dauern“, sagt Ford-Sprecher Marko Belser. In Saarlouis wird der Focus wieder vom 30. Juni bis 23. Juli gebaut. Dann beginnen die Werkferien bis 20. August.
Fertigung weltweit um 50 Prozent gekürzt
Die Konzernzentrale der Muttergesellschaft in Dearborn (US-Bundesstaat Michigan) hatte bereits Ende April mitgeteilt, dass zwischen April und Juni die Fertigung weltweit um 50 Prozent gekürzt werden muss. Das bedeutet, dass nur noch etwa 1,1 Millionen Fahrzeuge die Werkshallen verlassen. Ford USA geht davon aus, dass dies den Gewinn des Konzerns um insgesamt 2,5 Milliarden Dollar drücken wird.
Für Köln bedeutete der Produktionsstopp bislang, dass 5000 Mitarbeiter in der Fertigung zu 100 Prozent in Kurzarbeit gehen mussten, die anderen 10.000 Beschäftigten konnten weiterarbeiten. Der Autobauer stockt das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent auf.
Eine kurzfristige Entspannung auf dem Halbleitermarkt ist nicht zu erwarten. Weil die Autobauer weltweit in der Zeit der coronabedingten Fabrikschließungen 2020 weniger Chips nachgefragt haben, orientierten sich die Anbieter anderweitig und belieferten etwa Hersteller von Computern, Spielkonsolen, 5-G-Mobilfunktechnik oder Unterhaltungselektronik. Verschärft wurde die Lage durch den Brand in einer Industrieanlage in Asien. In Taiwan bremste Wasserknappheit die Fertigung.
„Lage bleibt angespannt“
„Die Lage auf dem globalen Halbleiter-Markt bleibt angespannt und wird es allen Schätzungen zufolge auch in den nächsten Wochen und Monaten bleiben, woraus sich Lieferengpässe ergeben“, sagt Ford-Sprecher Belser. Aufgrund dieser volatilen Situation werde die Produktionsplanung für die Werke in Köln und Saarlouis permanent angepasst.
Nach Einschätzung von Branchenexperten versuchen die Hersteller in Folge der Knappheit, die wenigen vorhandenen Chips zwischen den Werken hin und her zu verschieben – dorthin, wo sie am meisten gebraucht werden, und möglicherweise auch, wo die Marge der gebauten Modelle hoch ist.
Studie: Erholung dauert
Laut einer Studie der Unternehmensberatung AlixPartners werden fehlende Elektronikchips und die drastische Steigerung von Rohstoffkosten die Erholung der Autoindustrie noch auf Jahre bremsen. Weltweit würden dieses Jahr voraussichtlich etwa 83 Millionen Autos verkauft. Die 2018 erreichte Rekordmarke von 94 Millionen Autos werde wohl erst wieder 2025 erreicht.
Die Gewinnmargen dürften dieses Jahr wieder Vorkrisenniveau erreichen, sagte Branchenexperte Jens Haas. Grund seien Sparprogramme, hohe Staatshilfen, „die Vermeidung von Rabattschlachten und die schnelle Erholung des chinesischen Marktes“.
Aber die Rohstoffkosten pro Fahrzeug seien im Vergleich zum Vorjahr um 92 Prozent auf ein Rekordhoch von 3600 Dollar gestiegen. Für nächstes Jahr werde nur eine leichte Entspannung erwartet. „Eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau ist aber noch nicht in Sicht“, denn es mangle an fast allen wichtigen Rohstoffen, erklärten die Studienautoren.
Die Chip-Knappheit werde in Europa zu einem Produktionsausfall von bis zu vier Millionen Fahrzeugen führen. „Aktuell werden Bestellungen von Ende 2020 erst im September diesen Jahres bedient.“ Mit einer Entspannung der Situation sei erst 2022 zu rechnen. Für die Studie hatten sie die Bilanzen von mehr als 300 Autoherstellern und Zulieferern ausgewertet.