AboAbonnieren

Rewe und Edeka ärgern sichWarum in Supermärkten das rechtsextreme „Compact“-Magazin ausliegt

Lesezeit 4 Minuten
Ein Edeka-Markt in Hamburg-Bergedorf hat in seiner Zeitschriften-Abteilung mit der Auswahl für den Tipp der Woche für Verärgerung auf Twitter gesorgt: Demnach wurde das rechtsextreme Magazin Compact in der Sortierung prominent platziert. Auf dem Titelbild: Gesundheitsminister Karl Lauterbach, bei dem genau zwischen Nase und Lippen der Text Warum dieser Mann schlimmer als das Virus ist steht und dabei stark an einen Hitler-Bart erinnert. xxxMatthiasWehnertxxx Compact Omikron Top Titel, Görlitz Sachsen Deutschland Görlitz

Eine Ausgabe des rechtsextremen Magazins „Compact“ liegt in einem Edeka-Markt aus. (Archivbild)

Die Zeitschrift „Compact“ wird vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft. Rechtlich ist es für Einzelhändler schwierig, sie aus dem Sortiment zu nehmen.

Es begann mit Valora, dem Betreiber der Bahnhofsbuchhandlung „Press & Book“. Anfang Februar teilte das Unternehmen mit, das rechtsextreme „Compact“-Magazin aus dem Sortiment zu nehmen. Kurz darauf zog die Konkurrenz nach: Auch die Betreiber von „Ludwig“ und „Relay“ kündigten an, die Zeitschrift nicht mehr zum Verkauf anbieten zu wollen. In Handelsketten wie beispielsweise Rewe, Kaufland und Edeka liegt das Magazin jedoch nach wie vor aus – ein Umstand, der offenbar selbst die Supermärkte ärgert.

Wieso liegt „Compact“ weiterhin in den Regalen von Rewe?

„Rewe will keine demokratiefeindlichen Publikationen in den Märkten haben“, erklärt das Unternehmen auf Anfrage dieser Zeitung. Alle Presseartikel bekommt die Kette jedoch vom Presse-Großhandel ins Regal gestellt – einzelne Magazine zu bestellen oder abzubestellen, sei nicht möglich. „Das gesetzlich geregelte Pressevertriebssystem in Deutschland und das Dispositionsrecht der Verlage erlauben es Einzelhändlern wie Rewe nicht, frei zu wählen, welche Erzeugnisse in welchen Mengen er vom Grossisten bezieht.“

Kurz: Wer Zeitschriften und Zeitungen führen wolle, sei bei der Auswahl auf die Grossisten angewiesen. „Selbstverständlich ist uns dieser Umstand auch ein Dorn im Auge, weshalb wir seit Jahren immer wieder initiativ auf den Pressevertrieb zugehen, wenn etwa der Verfassungsschutz Medien als ‚gesichert extremistisch‘ einstuft“, so Rewe.

Wie gehen Edeka und Kaufland vor?

Edeka äußert sich ähnlich. Man distanziere sich von rechtsradikalem Gedankengut und jeder Form der Diskriminierung, teilt der Handelskonzern auf Anfrage mit. Daher distanziere sich das Unternehmen auch von den Inhalten des „Compact“-Magazins. „Leider können auch wir aus rechtlichen Gründen bislang nicht verhindern, dass weiterhin einzelne Märkte mit diesem Magazin beliefert werden“, teilt Edeka mit.

Auch Kaufland distanziert sich „von jeglichen Ausgprägungen des Rechtsextremismus“ und „prüfe laufend alle Möglichkeiten, um entsprechende Produkte nicht anbieten zu müssen“. In den meisten Filialen werde das „Compact“-Magazin nicht verkauft. „Das Angebot an Zeitschriften in unseren Filialen ist unter anderem von der Größe der Verkaufsfläche, sowie der Nachfrage und der Auflagenhöhe einer Zeitschrift abhängig“, schreibt das Unternehmen auf Anfrage. Den Verkaufserlös durch das „Compact“-Magazin spende Kaufland an Projekte, die Demokratieverständnis fördern und stärken.

Wieso wird der Gesamtverband Pressegroßhandel „Compact“ weiterhin vertreiben?

Der Geschäftsführer des Gesamtverbands Pressegroßhandel teilt auf Nachfrage mit, das Pressevertriebssystem basiere darauf, dass Medien unabhängig ihrer inhaltlichen Ausrichtung daran teilnehmen können. Das gelte auch für „Außenseitermeinungen“; es bestehe Vertriebspflicht, „eine Zensur findet nicht statt“.

Man kann sich den Grossisten als einen Händler vorstellen, der zwischen den Verlagen und dem Einzelhandel geschaltet ist. Jeder Verlag muss über den Gebietsgrossisten sein Produkt in den Einzelhandel bringen. Und die Einzelhändler können Zeitschriften eines Gebietes nur vom Gebietsgrossisten kaufen.

Dadurch entsteht ein Monopol. Und zum Schutz der Meinungsvielfalt gilt: Der Grossist ist als neutraler Absatzvermittlung zur Abnahme von Zeitungen und Zeitschriften aller Verläge verpflichtet. Eine weltanschauliche, religiöse oder politische Wertung darf er nicht vornehmen.

Nur, wenn ein Medium beispielsweise gegen das Strafrecht oder Jugendschutz verstoßen hat und indiziert ist, dürfte man es aus dem Sortiment nehmen. „Compact“ ist nicht indiziert. „Die Bezeichnung ‚gesichert rechtsextrem‘ reicht für ein Vertriebsverbot nicht aus“, so der Gesamtverband Pressegroßhandel.

Wieso nahm Valora trotzdem „Compact“ aus dem Sortiment?

Tatsächlich geht „Compact“ rechtlich gegen die Entscheidung der Buchhandlungen vor. Das bestätigt Valora auf Anfrage. „Für Valora steht die Pressefreiheit an oberster Stelle. Wir wollen aber denjenigen, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung Deutschlands – und damit auch die Presse- und Meinungsfreiheit – verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten“, begründet das Unternehmen seine Entscheidung. „Daher sind wir nach intensiver Abwägung zum Entschluss gelangt, Publikationen von vom Bundesamt für Verfassungsschutz als ‚gesichert extremistisch‘ eingestuften Verlagen nicht weiter im Sortiment zu führen.“

Wie begründet der Verfassungsschutz die Einstufung von „Compact“ als rechtsextremistisch?

Bereits im Dezember 2021 hat der Verfassungsschutz die Monatszeitschrift als gesichert rechtsextrem eingestuft. Das Magazin wurde 2010 von Jürgen Elsässer gegründet, der bis heute Chefredakteur ist. „‚Compact‘ verbreitet in seinen unterschiedlichen Publikationen weiterhin und regelmäßig antisemitische, minderheitenfeindliche, geschichtsrevisionistische und verschwörungsideologische Inhalte“, steht im Verfassungsschutzbericht 2022. „Verschwörungsideologische Erzählungen werden dabei von ‚Compact‘ politisch instrumentalisiert, um staatstragende Institutionen und das Konzept einer offenen, pluralistischen Gesellschaft zu diskreditieren.“

Welche Kritik gibt es an dem Vorgehen von Valora und Co?

Bijan Moini von der Gesellschaft für Freiheitsrechte kritisiert zwar nicht die Entscheidung der Buchhandlungen an sich, „Compact“ aus dem Sortiment zu nehmen. Die Begründung dafür jedoch schon: Schließlich will Valora künftig alle Publikationen aus dem Sortiment entfernen, welche der Verfassungsschutz als extremistisch einstuft. „Wenn das in der Branche Schule macht, würde künftig faktisch ein Geheimdienst darüber entscheiden, welche Publikationen aus dem Handel genommen werden“, sagt Moini. „Dadurch würden die Händler ihrer Verantwortung für die Meinungs- und Pressefreiheit in diesem Land nicht gerecht.“