„Lauras Wollladen“ in Köln ist vor allem bei junger Kundschaft beliebt. Die ist für den Erfolg der Strick- und Häkelbranche aber nicht hauptverantwortlich.
Renaissance der HandarbeitWas steckt hinter dem Strick- und Häkelboom?

Laura von Welck (links) betreibt „Lauras Wollladen“ in Köln-Ehrenfeld. Hier im Bild mit Mitarbeiterin Pauline Wiegeler.
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In „Lauras Wollladen“ in Ehrenfeld lässt sich gut beobachten, wie angesagt Stricken und Häkeln gerade ist. Vor einer Wand mit Wollknäueln steht eine Gruppe Studentinnen und redet über Strickprojekte. Verbringt man hier ein wenig Zeit, wird schnell klar: Die Kundschaft ist jung, und auch viele Mitarbeitende sind es. Zum Beispiel Pauline Wiegeler, 21, die im Laden als Minijobberin angestellt ist. Mit der Ladeninhaberin Laura von Welck verbindet sie das gemeinsame Hobby.
Von Welck hat, wie sie sagt, „schon immer gestrickt“. Breits vor zehn Jahren fiel ihr auf, dass ihr Hobby im Trend lag. 2015 eröffnete sie den Wollladen nahe der Körnerstraße, 2017 folgte dann eine weitere Filiale in der Innenstadt. Von Welck berichtet, dass mit der Zeit das Interesse am Umgang mit Nadel und Garn weiter gestiegen sei, vor allem bei jungen Menschen, die immer häufiger in ihren Laden in Ehrenfeld kämen.
„Die sozialen Medien helfen uns, da hier Strick- und Häkelideen geteilt werden“, sagt die 61-Jährige, deren Tochter auch strickt. Nutzer teilen beispielsweise auf der Plattform Instagram Anleitungen zu Handarbeitsprojekten und filmen sich, wie sie ihre Strickprojekte umsetzen. Schaut man sich auf Instagram um, entsteht in der Tat der Eindruck, die Branche floriere hauptsächlich wegen der jungen Konsumentinnen und Konsumenten. Doch der Schein trügt.
Der Umsatz durch Garne ist schon lange stabil
Die textile Handarbeitsbranche verkauft Materialien wie Wolle und Garne sowie Zubehör fürs Stricken, Häkeln, Sticken und Nähen, Bücher und Anleitungen. Die Strick- und Häkelgarne machen dabei den größten Teil des Umsatzes aus: 2024 lag dieser insgesamt bei 961 Millionen, Garne machten dabei 375 Millionen Euro aus. Im Vergleich zu 2019 ist das ein Anstieg von knapp 14 Prozent.
Der Umsatzzuwachs liegt einerseits an den gestiegenen Preisen, aber auch daran, dass Stricken, Häkeln und Nähen während der Pandemie boomte. Besonders beliebt war es damals, Bekleidung an der Nähmaschine selbst herzustellen. Inzwischen werden zwar wieder weniger Stoffe verkauft, aber der Umsatz von Strick- und Häkelgarnen ist auch nach der Pandemie weiterhin stabil geblieben. „Das kommt daher, dass man die Garne überallhin mitnehmen kann, während die Nähmaschine im Regelfall nur zu Hause bedient wird“, sagt Sprecherin Angela Probst-Bajak von der Initiative Handarbeit. Außerdem näht man mit der Maschine eher allein. Vor allem junge Leute wünschen sich aber Gemeinschaft – und die finden sie in Gruppen, die zusammen häkeln und stricken und sich dazu austauschen. Ein Hobby, das verbindet.
Unternehmen, die sich auch auf dem deutschen Wollmarkt einen Namen gemacht haben, sind etwa Lang Garn & Wolle aus der Nähe von Mönchengladbach und Lana Grossa aus Gaimersheim nahe Ingolstadt in Bayern. Lang hat kürzlich auch in Köln bei der jährlich stattfindenden internationalen Messe h&h Cologne für textiles Handarbeiten ausgestellt.
Stricken fördert Individualität
Eine Verbraucherstudie der GfK Nürnberg zeigt, dass sich besonders Frauen mit Handarbeit beschäftigen. Pauline Wiegeler strickt gerade mit Wolle von Lana Grossa einen Cardigan. Sie mag das Hobby, weil sie sich so individuelle Kleidungsstücke herstellen kann. „Die hat sonst niemand. Außerdem entspannt es mich, zu stricken.“
Die Zahlen bestätigen, dass Handarbeit bei Jüngeren immer beliebter wird. 85 Prozent aller Frauen in Deutschland beschäftigen sich zumindest ab und zu mit Handarbeit, hat das Marktforschungsinstitut GfK im Auftrag der Initiative Handarbeit ermittelt. Ein Ergebnis: Während vor vier Jahren noch der größte Anteil der Frauen über 50 Jahre alt war, gibt nun die große Mehrheit der 18- bis 29-Jährigen an, dass sie handarbeiten. Laut der Studie nähen, stricken oder häkeln sie, weil sie sich vom Alltag ablenken möchten und etwas Eigenes auf kreative Art und Weise herstellen oder Dinge reparieren wollen. „Diese Handarbeit passt in unsere Zeit, in der mehr auf Slow Fashion und Nachhaltigkeit geachtet wird“, sagt Probst-Bajak.
Ältere Menschen kaufen am meisten Wolle
Doch die Nachfrage junger Menschen beeinflusst den Umsatz der Branche nicht so stark, wie man annehmen könnte. Wie Probst-Bajak erklärt, sind es Kundinnen ab 40 Jahren, die die größten Mengen Wolle kaufen. Denn diese Altersgruppe, die zumeist auch über einen längeren Zeitraum hinweg Erfahrung in dem Handwerk habe sammeln können, stelle vor allem Kleidungsstücke wie Pullis und Jacken her, für die sie viel Wolle benötige. Jüngere Menschen hingegen arbeiten laut Probst-Bajak eher an kleineren Projekten wie Mützen, Schals oder Dekorationsgegenständen, für die nicht so viel Material gebraucht werde. Diese Projekte eigneten sich gut für Anfänger.
Auch Laura von Welck nimmt das so wahr. Sie beobachtet, dass junge Menschen oft kurz geschnittene Oberteile herstellen. „Da kann ich dann nicht so viel Wolle verkaufen.“ Trotzdem sagt von Welck, dass auch die Jüngeren durchaus viel Geld ausgeben: „Sie brauchen meist weniger Wolle, aber der Preis dafür ist oft zweitrangig.“ Unterhält man sich in ihrem Laden mit der jungen Kundschaft, bestätigt sich das schnell. Die 24-jährige Pheline zum Beispiel sagt: „Im Schnitt gebe ich 20 bis 30 Euro pro Monat für Wolle aus, und vor Weihnachten nochmal mehr, um Mützen für die ganze Familie zu stricken.“ Ansonsten stellt sie meistens Oberteile her. Die Qualität des Materials liege Pheline und anderen jungen Kundinnen, die in den Laden kommen, sehr am Herzen.
Laura von Welck bietet in ihrem Laden jeden Dienstag Strickkurse an. Die Teilnehmenden sind altersmäßig meist bunt gemischt. „Vor kurzem saßen in einem Kurs Zwanzigjährige gegenüber von 80-Jährigen“, sagt die Inhaberin. So treffen hier die beiden Welten aufeinander: Die Älteren, die viel Wolle kaufen und die Umsätze ankurbeln, und die Jüngeren, die dafür sorgen, dass die Branche auch in den kommenden Jahren noch weiter wachsen dürfte.