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Rewe-Chef Caparros im Interview„Wir sind besser als vor elf Jahren. Wir sind sexy“

Lesezeit 8 Minuten

Rewe-Chef Alain Caparros

KölnHerr Caparros, Sie gehen nun überraschend deutlich früher als geplant. Was ist der Grund?

Mein Job ist hier beendet, weil ich das Gefühl habe, dafür gesorgt zu haben, dass die Mannschaft steht und dass die Formate stimmen. Das ging schneller als 2013/14 erwartet. Das ist ja nicht schlimm – im Gegenteil! Wir werden 2016 das beste Ergebnis in der Rewe-Geschichte präsentieren: Rekordumsatz, Rekordgewinn, Penny schreibt wieder schwarze Zahlen.

Das ist doch der schönste Moment, sich zu verabschieden. Ich halte nicht an der Macht fest. Ich habe so viele Vorgesetzte gehabt, die brillant waren, aber den richtigen Zeitpunkt zum Ausstieg verpasst haben. Das passiert mir nicht.

Wenn Sie nun Bilanz ziehen – wie sieht die aus?

Eigentlich sollten andere die Bilanz meiner Arbeit ziehen und bewerten. Aber ich glaube, dass Rewe heute viel besser dasteht als vor elf Jahren, als ich die Führung übernommen habe. Wir sind im In- und Ausland zukunftsfähig aufgestellt.

Wir haben moderne und leistungsstarke Märkte und Reisebüros. Mit Rewe Digital sind wir für die Zukunft des E-Commerce sehr gut vorbereitet. Wir haben interne Strukturreformen umgesetzt, die unsere Effizienz und unser Tempo noch weiter erhöhen. Und mein Anspruch an meine Nachfolger ist hoch: Sie müssen einfach besser sein als ich.

Haben Sie schon Pläne für die Zeit danach?

Ich habe viele Interessen und private Pläne. Ich reise gerne. Ich sammle Kunst. Ich möchte einfach mehr Zeit für meine Familie und mich haben und diese Zeit genießen. Und seien Sie ganz sicher: Sie werden mich demnächst nicht an der Spitze von Carrefour wiederfinden, worüber viel zu viel spekuliert worden ist.

Gibt es so etwas wie ein Vermächtnis, das Sie bei Rewe hinterlassen?

Nein. Eins der Erfolgsgeheimnisse von Rewe ist, dass wir hier alle so eng zusammenarbeiten. In anderen Unternehmen ist das anders. Ich habe versucht, den Vorstand zu demystifizieren, zu humanisieren. Ich kann jetzt mit ruhigem Gewissen sagen: Ich verlasse die Rewe-Gruppe besser, als ich sie vorgefunden habe. Ich meine (lacht), das ist keine Leistung, aber ich möchte das gerne trotzdem betonen.

Wie entwickelt man in solch einem großen Konzern überhaupt Konzepte und setzt sie um – wie Rewe to go?

Wenn Sie als Vorstand in der obersten Etage weg sind von der Realität, weg von den Problemen und weg von den Leuten, bekommen Sie nichts mit. Das gilt auch für den Markt. Es ist wichtig, neugierig zu bleiben und auch zu schauen, was andere besser machen als wir.

An manchen Aral-Tankstellen etwa stehen Leute sonntags Schlange, um ein frisches Baguette zu bekommen. Wir haben auch geguckt was Engländer, Holländer und Amerikaner machen. Dann haben wir den ersten Rewe to go in der Schildergasse in Köln eröffnet. Dafür brauchten wir keine teuren Berater, das Projekt haben zwei unserer Nachwuchskräfte angestoßen.

Man muss auch den Mut haben, Dinge auszuprobieren. Wir investieren viel in Tests. Tests sind für mich kein Kostenfaktor, sondern eine Investition. Es hilft auch, mal auf die Schnauze zu fallen. Fehler gehören zum Geschäft. Aber Sie können keine Tests machen, wenn Sie das Kerngeschäft nicht im Griff haben.

Wie groß ist Ihre Sorge vor dem Start von „Amazon Fresh“ in Deutschland als Lieferdienst frischer Lebensmittel?

Wir dürfen nicht die Bequemlichkeit der Verbraucher unterschätzen. Der Kunde von morgen wird immer untreuer. Der banale Tagesbedarf wird nicht mehr stationär gekauft, davon bin ich überzeugt. Aber frische Lebensmittel werden Kunden auch weiter bei Rewe kaufen. Und mit dem Rewe Lieferservice sind wir sehr gut auf die Zukunft vorbereitet.

Gestattet es der gnadenlose Wettbewerb überhaupt einer Firma wie Rewe, Fehler zu machen?

Wer Fehler macht, wird sofort bestraft. Die Leute gehen sogar für zwei Cent woanders hin. Auch psychologische Effekte werden unterschätzt. Rewe ist in der Preiswahrnehmung einiger Kunden zu teuer, auch wenn wir im Preiseinstiegsbereich mit den „ja“-Produkten immer Aldi-Niveau haben. Da müssen wir verdammt aufpassen.

Die Kosten steigen, die Umsätze kannibalisieren sich – wenn der eine Händler wächst, verliert der andere. Wir kämpfen nicht mehr mit Händlern, wir kämpfen gegen Maschinen: Ich nenne das Industriediscount. Aldi und Lidl haben einen gewaltigen Marktanteil und haben die ganze Nation geprägt.

Der Wettbewerb verschärft sich – auch weil Aldi immer mehr Markenartikel anbietet. Sehen Sie das als Bedrohung?

Wenn unsere Konkurrenten besser werden, ist das immer eine Bedrohung. Der Beste wird überleben. Der Verdrängungswettbewerb ist in vollem Gang.

Dazu gehört auch die Übernahme von Kaiser’s durch Edeka, die Sie lange bekämpften. Wie sehen Sie das im Rückblick? Hegen Sie Groll?

Ich bin im Moment in der Reha (lacht). Groll hege ich nicht. Aber: Wenn Unrecht Recht wird, ist Widerstand Pflicht. Das Kartellamt hatte „nein“ gesagt, die Monopolkommission ebenfalls – und Sigmar Gabriel sagte „ja“, weil er sich mit seinem Verdi-Freund Frank Bsirske profilieren wollte vor der Wahl.

Herr Haub hat von Anfang an falsch gespielt. Er hat probiert, durch Druck und durch Lüge Gabriel in Geiselhaft zu nehmen nach dem Motto „Es darf keinen zweiten Fall Schlecker geben“. Das war gelogen, weil wir ja schließlich auch ein Angebot für die ganze Kette abgegeben haben. Auch die Jobgarantie über fünf Jahre war unsere Idee. Zufrieden bin ich nie.

Aber wir haben das Beste herausgeholt, was herauszuholen war. Wir haben geschafft, dass der Abstand zwischen Edeka und Rewe in Berlin nicht größer wird. Es ging nicht nur um Außenumsatz, sondern auch um Einkaufskraft. Wir sind trotz unserer Größe angreifbar in bestimmten Bereichen.

Sie konnten 64 Kaiser’s-Filialen übernehmen. Wie läuft die Integration?

Sehr gut. 30 Märkte sind schon integriert. Die Mitarbeiter sagen: „endlich ein guter Arbeitgeber“. Bis Ende März wird die Integration abgeschlossen. Wir sind sehr zufrieden. Jetzt haben wir eine andere Baustelle mit Coop Kiel. Wir haben sehr viele Akquisitionen gemacht in Deutschland dank unserer guten Entwicklung. Das ist spannend. Wir sind sexy.

Und der FC? Ist auch die Kombination mit Rewe weiter sexy?

Kommt darauf an, wie man das sieht. Ich bin nicht so fußballaffin. Aber immer wenn ich ins Stadion komme, merke ich, wie Fußball die Leute verbindet. Das ist so emotional, das passt zu uns.

Es wäre schön, wenn Rewe weiter FC-Sponsor wäre. Aber diese Entscheidung müssen sowieso meine Nachfolger treffen. Das wäre auch so, wenn ich nicht am 30. Juni als CEO ausscheiden würde. Denn wir haben einen Vertrag, der noch bis Mitte 2018 läuft. Was dann ab der Saison 2018/19 passiert, muss verhandelt werden.

Ihre Zentrale ist mitten in Köln. Sind Sie zufrieden mit der städtischen Politik? Stichwort Staus?

Wir sind natürlich nicht glücklich über das Verkehrschaos. Daran ist die Stadt aber nur zum Teil schuld. Den Zustand der Rheinbrücke bei Leverkusen zum Beispiel hat nicht die Stadt Köln zu verantworten. Wir haben ein klares Bekenntnis zur Stadt. Rewe ist Köln. Wir wollen hierbleiben, aber wir brauchen mehr Platz.

Deshalb prüfen wir, ob wir am Deutzer Hafen eine neue Zentrale für die Rewe-Group realisieren können. Dazu gibt es eine Absichtserklärung der Rewe und der Moderne Stadt GmbH. Jetzt müssen wir gemeinsam sehen, ob unsere Anforderungen an ein neues zentrales Verwaltungsgebäude erfüllbar sind. Bis März 2019 wollen wir Klarheit haben.

Bald sind Wahlen in Frankreich. Sie haben neben der französischen vor einiger Zeit auch die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen.

Ja (lacht), dann habe ich immer eine Fluchtmöglichkeit.

Sehen Sie den zunehmenden Nationalismus mit Sorge?

Natürlich. Der letzte Skandal war ein Schock für ganz Frankreich. Wer hätte gedacht, dass Francois Fillon seine Frau für 7000 Euro beschäftigt. Marine Le Pen genießt die vielen Skandale. Sie braucht nicht viel zu machen. Viele Franzosen sind enttäuscht von der Politik und sagen, die Einzige, die uns noch nicht gezeigt hat, was sie kann, ist Le Pen. Das ist wie bei Rotkäppchen. Sie ist der Wolf, liegt verkleidet als Oma im Bett – und hat solche Zähne.

Alles, was sie will, wäre natürlich Selbstmord für das Land. Alles für die Franzosen, nichts für die anderen – Rückzug aus der EU, Rückkehr zum Franc. Vor drei Jahren wollte sie noch die Todesstrafe. Meine feste Überzeugung ist, dass sie nicht Präsidentin wird. Aber ein Drittel der Franzosen findet Marine Le Pen gut.

Und wie sehen Sie die Entwicklung in Deutschland?

Merkels Flüchtlingspolitik fand ich mutig, es war ein richtiger Schritt – auch wenn sie kritisiert wurde. Ich glaube, die AfD ist und bleibt eine Protestpartei.

Und wenn Le Pen doch Präsidentin wird – geben Sie Ihre französische Staatsbürgerschaft zurück?

Absolut.

Zur Person

Alain Caparros (60) ist seit Ende des Jahres 2006 Vorstandsvorsitzender des Kölner Handelskonzerns Rewe und gibt sein Amt Ende Juni ab.

Geboren wurde Alain Caparros in Tiaret, im Westen des damals zu Frankreich gehörenden Algerien. Nach beruflichen Stationen bei Yves Rocher und Aldi kam der Betriebswirt zur Bon Appétit Group, die von der Rewe geschluckt wurde. (eve)