Rohstoff für Batterien in ElektroautosLithium-Abbau verursacht schwere Umweltschäden
- Lithium ist für den Boom der Elektroautos weltweit unverzichtbar.
- Die Gewinnung des Leichtmetalls aus Salzseen in Chile und Argentinien verursacht massive Umweltschäden und gefährdet die Landwirtschaft in der Region
- Bolivien versucht mit deutscher Hilfe Lithium umweltschonend zu gewinnen und hat noch weitergehende Pläne.
Cristian Espindola ist ein chilenischer Landwirt, der im Oasendorf Toconao am östlichen Rand der Atacama-Wüste lebt. Die Wüste ist eine der regenärmsten Regionen der Welt, aber das Wasser in der Oase reicht, um auch auf 2500 Metern Meereshöhe ein wenig Ackerbau zu betreiben und Alfalfa, Kartoffeln, Mais und Birnen anzubauen.
Doch Espindola macht sich seit Jahren Sorgen, wie er der evangelischen Hilfsorganisation Brot für die Welt berichtet. In der Nähe des Dorfes liegt der Salar de Atacama, ein 3000 Quadratkilometer großer Salzsee. Aus 100 Metern Tiefe wird aus dem Salzsee bereits seit Mitte der 1980er Jahre Sole, also Grundwasser, an die Oberfläche gepumpt, denn die Sole ist lithiumhaltig.
Und eine Folge dieses Vorgehens zur Lithiumgewinnung ist, dass der Grundwasserspiegel in der Region immer weiter absinkt. Das macht die Landwirtschaft in der Region zunehmend schwierig. Selbst die an das sehr trockene Klima angepasste Vegetation leidet. Die Flamingo-Population in einer Lagune des Salzsees ist wegen des sinkenden Wasserpegels ebenfalls deutlich zurückgegangen.
Lithiumgewinnung verbraucht extrem viel Wasser
Marktexperten erwarten für die Zeit bis 2022 eine regelrechte Explosion der Lithium-Gewinnung. Die globale Lithiumproduktion wird sich dann verglichen mit 2015 auf 116 000 Tonnen verdreifacht haben. 2017 produzierte Chile 14100 Tonnen Lithium. Das wird nur von den Lithium-Minen in Australien getoppt.
Für die Gewinnung einer Tonne des Rohstoffs werden zwei Millionen Liter Wasser verbraucht. Für eine durchschnittliche Autobatterie verdunsten in Chile also 400 Badewannen Wasser.
Der US-Bergbaukonzern Albemarle und der chilenische Konzern SQM teilen sich das Geschäft in Chile. Eine Anfrage dieser Zeitung bei Albemarle zu den Umweltproblemen ihrer Produktionsweise und den Folgen der Lithiumausbeutung für die Bevölkerung der Region blieb unbeantwortet. (ps)
Anfang 2018 genehmigte der chilenische Staat die Verdreifachung der Fördermengen im Salar de Atacama, heißt es in einem Report von Brot für die Welt über „Das weiße Gold“ Lithium vom Oktober. Wirtschaftlich betrachtet aus gutem Grund. Der weltweite Bedarf an Lithium ist, seitdem der Absatz von Elektroautos an Fahrt aufgenommen hat, extrem gestiegen. Der Preis für eine Tonne Lithium verdreifachte sich von 7000 Euro im Juni 2015 auf 18000 Euro Ende 2016.
Im Dreiländereck Chile-Argentinien-Bolivien lagern zwei Drittel der weltweiten Lithiumvorräte. Auch in Argentinien und Bolivien ist der begehrte Rohstoff in der Sole von Salzseen gelöst. Am Lithium aus dieser Weltregion führt also für die vor allem in Ostasien sitzenden Batteriezellenproduzenten und für die Automobilindustrie weltweit kein Weg vorbei.
Wegen der hohen Energiedichte von Lithium-Ionen-Akkumulatoren bei gleichzeitig relativ geringem Gewicht steckt das begehrte Leichtmetall in allen Batterien für Elektroautos, so auch im Streetscooter. Der elektrisch betriebene Transporter der Deutsche Post DHL Gruppe ist ein Erfolgsmodell.
Gebaut wird der Lieferwagen von der Streetscooter GmbH, die die Post Ende 2014 kaufte, in zwei Werken im Aachener Norden und in Düren. Etwa 10000 Streetscooter (Stand Ende 2018) fahren inzwischen auf Europas Straßen – nicht nur für die Post, sondern auch für viele Handwerker, den Fischgroßhändler Deutsche See oder den englischen Milchprodukte-Lieferanten Milk & More. Das Elektro-Lieferauto wird als beeindruckender Beitrag der Post zu besserer Luft in den Städten und zum Klimaschutz gefeiert.
Die großen ökologischen und sozialen Probleme beim Lithiumabbau in Chile sind natürlich auch der Deutschen Post bekannt. Nach deren Auskunft baut Streetscooter seine Batterien zum Teil selbst aus Zellen von ostasiatischen Lieferanten zusammen. Näheres zu diesen Lieferanten war in Bonn nicht zu erfahren. Zum Teil erhält Streetscooter die Batterien aber auch schon fertig von BMW.
Gefragt danach, wie die Post ihrer Verantwortung entlang der Produktionskette für ihre Elektro-Fahrzeuge gerecht wird, teilte Pressesprecher Alexander Edenhofer mit: „Unsere Lieferanten sind auf die Einhaltung des »Code of Conduct« der Deutschen Post AG verpflichtet. Entsprechend unserer Konzerneinkaufsrichtlinie setzen wir auf Lieferanten mit hohen Umwelt- und Sozialstandards und wenden bei der Auswahl ein standardisiertes, mehrstufiges Beurteilungsverfahren an.“
Allgemeine Auskünfte
Auf Nachfragen, wer dieses Beurteilungsverfahren durchführt, wie oft es durchgeführt wird und was passiert, wenn ein Lieferant bei Kontrollen negativ auffällt, sagte Edenhofer, die Post kontrolliere Lieferanten stichprobenweise. Bei Verstößen seien Maßnahmen „bis zur Beendigung des Geschäftsverhältnisses“ möglich. Konkreteres war nicht zu erfahren.
BMW wiederum erhält die Batteriezellen, die der bayrische Autobauer für den Streetscooter zu Batterien zusammensetzt, laut eigener Auskunft von dem südkoreanischen Technologie-Konzern Samsung SDI. Die gleichen Zellen verwendet BMW auch für sein Elektroauto i3.
BMW verfolgt eine eigene Strategie
Der bayerische Autobauer versucht die Probleme in der Rohstoff-Gewinnung für Lithium-Ionen-Akkus mit einer neuen Strategie zu lösen. BMW-Sprecher Wieland Bruch sagte dazu dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Wir wollen Lithium und Kobalt selbst am Weltmarkt kaufen und dann an die Batteriezellenproduzenten weitergeben. Wir wollen Lithium kaufen, das aus anderen Verfahren gewonnen wird als aus dem Abpumpen der Sole unter Salzseen.“
Bruch betonte, dass die Umweltverträglichkeit und die Beachtung von Menschenrechten sowie Arbeits- und Sozialstandards für den Autokonzern große Bedeutung haben. „Wenn wir diese Themen nicht bewältigt bekommen, dann wäre das ein inakzeptabler Schatten auf der Elektromobilität.“
Brot für die Welt fordert Autobauer zum Handeln auf
Kristina Saenger, eine der Autorinnen der Brot-für-die-Welt-Studie zu Lithium, begrüßt das Vorgehen von BMW. Die evangelische Hilfsorganisation fordert eine ähnlich aktive Übernahme von Verantwortung allerdings auch von den anderen deutschen Autoherstellern: „Brot für die Welt erwartet, dass sich die Unternehmen jetzt schnell mit den in unserer Studie benannten Problemen auseinandersetzen und ökologische und menschenrechtliche Sorgfaltsstandards einhalten“, sagte Saenger.
Von der Bundesregierung verlangt Brot für die Welt Gesetze: Berlin müsse die Unternehmen verpflichten, ökologische und menschenrechtliche Standards entlang der Produktionskette einzuhalten.
Im Bundeswirtschaftsministerium verweist man dazu auf den – allerdings nicht rechtlich verbindlichen – nationalen Aktionsplan Wirtschafts- und Menschenrechte aus dem Jahr 2016. Ziel der Bundesregierung sei es, „einen nachhaltigen Ansatz von der Rohstoffgewinnung über die Batteriezellproduktion bis hin zum Recycling der gebrauchten Batterien zu etablieren“, so das Ministerium.
Deutsch-bolivianisches Joint Venture
Hoffnung setzt die Bundesregierung da auf ein deutsch-bolivianisches Joint Venture. Bolivien verfügt über neun Millionen Tonnen Lithium-Reserven, bisher gibt es aber praktisch keine Förderung. Die Regierung in La Paz setzt dafür nun auf eine ökologisch verträgliche Methode, die am Salar de Uyuni, dem mit mehr als 10.500 Quadratkilometern Fläche größten Salzsee der Erde.
Entwickelt hat sie der deutsche Mittelständler ACI Systems aus dem baden-württembergischen Zimmern ob Rottweil. Dabei wird Sole nicht wie üblich verdunstet, sondern technisch eingedampft. Das ist zwar energetisch aufwendiger, aber Sonnenenergie für Photovoltaikanlagen, davon ist ACI Systems überzeugt, ist in der Andenregion genügend vorhanden.
Das Wasser wird bei diesem Prozess zurückgewonnen und könnte zur Bewässerung an umliegende Gemeinden abgegeben werden. „Ende 2021/Anfang 2022 ist der Produktionsstart für die Gewinnung von Lithiumhydroxid geplant“, heißt es aus Zimmern.
Bolivien will nicht nur Rohstoff-Lieferant für die Batterieproduzenten sein, sondern selbst eine Kathodenmaterial- und Batteriesystemproduktion aufbauen. Für den Aufbau der bolivianischen Kathodenproduktion gibt es allerdings noch keinen genauen Zeitplan.
Brot für die Welt begrüßt „das Vorhaben, die Industrialisierung des Rohstoffes im Land anzugehen“, erinnert ACI Systems aber auch an die „Verantwortung, die ein deutsches Unternehmen dabei vor Ort haben muss“.
Landwirt Espindola im benachbarten Chile hilft das alles erst mal wenig. Er beklagt, dass die Bäume in der Oase Toconao infolge des sinkenden Grundwasserspiegels zugrunde gehen und die wenigen wasserführenden Flüsse austrocknen. „Hier in Chile ist das Wasser ein Geschäft. Dabei ist das Wasser die Grundlage des Lebens. Eine Welt, ein Land, eine Stadt, ein Mensch ohne Wasser muss sterben. Wo kein Wasser ist, gibt es kein Leben. Das Lithium bringt vielleicht Millionen von Dollar“, sagt Cristian Espindola, „aber dafür werden unsere Lebensgrundlagen geopfert.“