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Rücktritt angekündigtCommerzbank-Chef Zielke macht Weg frei

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Martin Zielke, Vorstandschef der Commerzbank

Frankfurt/Main – Erdbeben bei der Commerzbank ausgerechnet im Jubiläumsjahr: Mitten in der Diskussion über eine Verschärfung des Sparkurses wirft Vorstandschef Martin Zielke hin - und Aufsichtsratchef Stefan Schmittmann gleich mit. Zielkes Vertrag soll spätestens zum 31. Dezember 2020 beendet werden - „einvernehmlich“, wie der teilverstaatlichte Frankfurter MDax-Konzern am Freitagabend mitteilte. „Der Aufsichtsrat wird dazu in seiner Sitzung am 8. Juli 2020 einen Beschluss fassen.“

Schmittmann kündigte den Angaben zufolge in der Sitzung des Präsidial- und Nominierungsausschusses des Aufsichtsrates am Freitag an, sein Mandat im Kontrollgremium zum 3. August 2020 niederzulegen - also zwei Tage vor dem geplanten Termin für die Veröffentlichung der Halbjahreszahlen. Zu diesem Zeitpunkt sollten nach bisheriger Planung des Vorstandes auch Details zu neuen Einsparungen genannt werden.

„Ich möchte damit den Weg für einen Neuanfang freimachen“

„So erkennbar die strategischen Fortschritte sind, so unbefriedigend war und ist die finanzielle Performance der Bank. Und dafür trage ich als CEO die Verantwortung. Da ich diese Verantwortung übernehmen möchte, habe ich dem Aufsichtsratsausschuss in der heutigen Sitzung eine einvernehmliche Aufhebung angeboten“, begründete Zielke.

„Ich möchte damit den Weg für einen Neuanfang freimachen. Die Bank braucht eine tiefgreifende Transformation und dafür einen neuen CEO, der vom Kapitalmarkt auch die notwendige Zeit für die Umsetzung einer Strategie bekommt.“ Der vormalige Privatkundenchef Zielke hatte den Vorstandsvorsitz (CEO) zum 1. Mai 2016 übernommen. Vor wenigen Wochen erst, Ende April 2020, war Zielke zum Präsidenten des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB) gewählt worden - und damit zum obersten Repräsentanten der Privatbanken in Deutschland.

Commerzbank-Aktie sackt ab

Der ehemalige Risikovorstand Schmittmann erklärte in einer Mitteilung, die jüngste Strategie habe offensichtlich „keine ausreichende Akzeptanz im Kapitalmarkt gefunden“, das zeige der Aktienkurs. „Daher bin ich zu dem Schluss gekommen, dass auch ich hier in der Verantwortung stehe und sie auch übernehmen sollte.“

Im laufenden Jahr hat die Aktie knapp ein Viertel ihres Wertes verloren und notierte zuletzt bei etwas über 4 Euro. Seit Zielkes Amtsantritt sackte die Commerzbank-Aktie um knapp die Hälfte ab.

„Äußerst schwierigen und prekären Lage“

Der Bank stünden „tiefgreifende Veränderungen“ bevor, prognostizierte Schmittmann: „Das wird viel Kraft und Anstrengungen kosten und sollte frei sein von immer wieder aufflammenden Personaldebatten und Diskussionen.“ Schmittmann hatte den Aufsichtsratsvorsitz nach der Hauptversammlung im Mai 2018 übernommen - dem Jahr, in dem das Dax-Gründungsmitglied im Herbst aus der ersten Börsenliga abstieg.

Zuletzt war die Kritik am Kurs der Bank lauter geworden. Das seit der Finanzkrise 2009 teilverstaatlichte Institut befinde sich ein einer „äußerst schwierigen und prekären Lage“, urteilte der US-Finanzinvestor Cerberus. Die Commerzbank-Führung habe „über Jahre eklatant versagt“. Die Worte haben Gewicht: Der auch an der Deutschen Bank beteiligte Fonds ist mit gut fünf Prozent zweitgrößter Aktionär der Commerzbank - nach dem deutschen Staat, der infolge der Rettung mit Steuermilliarden in der Finanzkrise heute 15,6 Prozent hält.

Bundesfinanzministerium äußert Bedauern

Cerberus, der nach dem dreiköpfigen Höllenhund aus der griechischen Mythologie benannt ist und daher den Spitznamen „Höllenhund“ trägt, kritisierte „die zahlreichen Fehlentscheidungen und die Tatenlosigkeit des Vorstands“ in den vergangenen Jahren. „Die unausgereiften und schlecht umgesetzten Bemühungen der Geschäftsführung, den Niedergang der Commerzbank zu verhindern, demonstrieren ein Maß an Fahrlässigkeit und Arroganz, welches wir nicht länger hinzunehmen bereit sind“, schrieb Cerberus - und forderte zwei Posten im 20-köpfigen Aufsichtsrat.

Das Bundesfinanzministerium äußerte am Freitag Bedauern über die Rücktrittsankündigungen von Zielke und Schmittmann. „Der Bund steht voll hinter seinem Engagement bei der Commerzbank“, teilte das Ministerium mit. „Der Bund ist an einer starken und zukunftsfähigen Commerzbank interessiert.“

Commerzbank will 4300 Vollzeitstellen streichen

Im September hatte die Commerzbank angekündigt, konzernweit 4300 Vollzeitstellen zu streichen, zugleich aber 2000 Jobs in strategischen Bereichen wie Vertrieb, IT und Regulatorik zu schaffen. Somit ergab sich unter dem Strich ein Abbau von etwa 2300 Stellen. Ende des ersten Quartals 2020 hatte die Bank auf Vollzeitbasis etwa 39 800 Mitarbeiter, im laufenden Jahr sollte die Zahl nach letzten Angaben auf knapp 39 000 sinken.

Zudem beschloss das Management im Herbst, etwa 200 Filialen und damit jeden fünften Standort in Deutschland zu schließen. Doch schon bei der Bilanzvorlage im Februar kündigten Zielke und Finanzvorständin Bettina Orlopp nach einem Gewinneinbruch 2019 an, dass der Sparkurs noch einmal forciert werden soll. Zu allem Überfluss verhagelte die Corona-Krise der Commerzbank dann auch noch den Start ins Jahr 2020 und lässt das Gewinnziel für das Gesamtjahr wackeln.

Angesichts des Zinstiefs steht die gesamte Branche auf der Kostenbremse. Die Gewerkschaft Verdi fürchtet einen weiteren massiven Personal- und Filialabbau bei der Commerzbank. Zuletzt war in unbestätigten Medienberichten die Rede davon, die Bank könnte bis zu 7000 Stellen abbauen und wolle etwa 400 Filialen dichtmachen. Unklar blieb, ob die im September verkündeten Zahlen eingerechnet sind.

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Doch schon vor einer endgültigen Entscheidung kochte öffentlich der Streit hoch: Eine für vergangenen Mittwoch angesetzte außerordentliche Aufsichtsratssitzung wurde kurzfristig abgesagt. Arbeitnehmervertreter in dem Kontrollgremium hatten bemängelt, dass der Vorstand wichtige Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt habe. Nun kommt es in der Sitzung nächste Woche Mittwoch (8.7.) zum Showdown - mitten in einem Jahr, das mit dem 150. Jubiläum der Commerzbank eigentlich ein Jahr zum Feiern hätte werden sollen. (dpa)