Im Zeitalter der E-Mobilität wird immer weniger getankt. Um Geld zu verdienen, werden die Stationen zu Supermärkten oder Paketservices. Ein Konzern gibt allerdings ganz auf.
Tankstellen der ZukunftWie sich Aral und Co. auf das Verbrenner-Ende vorbereiten
Auf der derzeit laufenden IAA in München ist die Transformation weg vom Verbrenner hin zur E-Mobilität das zentrale Thema. Auf der weltgrößten Mobilitätsschau zeigen nicht nur die deutschen Hersteller, sondern auch die immer stärker werdende Konkurrenz aus Fernost, wohin die Reise im Zeitalter der Stromer in den nächsten Jahren hingeht. Immer strengere Abgasnormen weltweit machen den Umstieg auf emissionsfreie E-Autos unumgänglich. Ab 2035 sollen in der EU keine Verbrenner mehr zugelassen werden.
Energiekonzerne liegen bei Ladepunkten vorn
Aber was bedeutet das für die tausenden Tankstellen hierzulande? Wie bereiten sie sich auf das Elektrozeitalter vor, welche Konzepte verfolgen sie, wo mittel bis langfristig immer weniger Sprit getankt wird. Bereits jetzt haben die Energieversorger bei den Ladesäulen einen deutlichen Vorsprung. Laut Bundesnetzagentur waren die drei größten Ladesäulenbetreiber in Deutschland Stand Mai EnBW (4746 Ladepunkte), Eon Drive (2848) und EWE (2076). Der Druck auf die Wirtschaftlichkeit wächst.
Beim Marktführer Aral mit 2266 Tankstellen in Deutschland setzt man auf andere Geschäftsfelder. So wurde jüngst die strategische Partnerschaft mit der Rewe-Tochter Lekkerland über die Belieferung der „Rewe To Go“-Tankstellenshops um weitere fünf Jahre bis 2028 verlängert. Aktuell hat Aral mehr als 860 Rewe Shops an den Tankstellen, bis Ende des Jahres sollen es rund 900 sein. Seit 2014 kooperieren die beiden Unternehmen, nun soll das Konzept ausgebaut und weiterentwickelt werden. So will der Mineralölkonzern in das Angebot für den direkten Verzehr mit frischen Snacks, kalten und warmen Speisen sowie Heiß- und Kaltgetränken investieren, neue Produkte testen und das Sortiment erweitern.
Kunden wollen verzehrfertige Waren
„In der Vergangenheit war das Shopgeschäft untrennbar mit dem Kauf von Kraftstoffen verbunden. Heute sehen wir, dass immer mehr Kundinnen und Kunden unsere Shops nur zum Einkaufen nutzen“, sagt Achim Bothe, Aral Vorstandsvorsitzender. Convenience heißt das Zauberwort, also zum Verzehr fertige Waren wie Salate oder Sandwiches. Das trifft den Zeitgeist, denn immer mehr Menschen essen außer Haus und unterwegs. Nach Schätzungen geben die Deutschen dafür rund 82 Milliarden Euro im Jahr aus.
Gleichzeitig investiert Aral in neue Ladesäulen. Bislang hat der Konzern 1600 Ladepunkte an 240 Stationen. Das wolle man bis Ende des Jahres auf 3000 Ladepunkte ausbauen, heißt es von Aral. Dafür investiert das Unternehmen in diesem Jahr 100 Millionen Euro. Bis Ende 2025 seien 5000 Ladepunkte geplant. Dabei setzt Aral vor allem auf ultraschnelles Laden.
Auch Wettbewerber Shell, die Nummer zwei auf dem deutschen Markt mit 1947 Tankstellen, arbeitet bereits an Zukunftsmodellen. „Unsere Tankstellen in Deutschland werden sich verändern“, sagt Shell-Sprecherin Cornelia Wolber. Der überwiegende Teil der deutschen Flotte fahre noch mit Diesel und Benzin. „Entsprechend werden wir noch viele Jahre Benzin und Diesel auf unseren Tankstellen anbieten“, so Wolber. Gleichzeitig will der Konzern seine Filialen zu einem Rundum-Dienstleister ausbauen. Neben Strom, Kraftstoff und Autowäsche sollen dort auch Geldautomaten und Paketservices angeboten werden. In den Stores setzt Shell vor allem auf ein „vielfältiges Kaffeeangebot, frische Backwaren und Snacks“.
Einige innerstädtische Tankstellen sollen zu „Mobility-Hubs“ werden, die dann nur noch Kunden mit Elektroauto bedienen. Stationen an Autohöfen hingegen sollen künftig neben Strom auch zunehmend Bio-Flüssigerdgas oder Wasserstoff anbieten, um den Schwerlastverkehr zu bedienen. Shell hat bisher 205 seiner knapp 2000 Tankstellen mit Ladepunkten ausgerüstet. Zudem bietet der Konzern Lademöglichkeiten zu Hause an, bei der Arbeit, unterwegs etwa bei REWE und Penny Supermärkten oder KFC Restaurants und an der Straßenlaterne.
Total zieht sich aus Geschäft zurück
Ganz anders hat sich der französische Energie- und Erdölkonzern Total entschieden. Die Nummer drei in Deutschland verabschiedet sich aus dem Tankstellengeschäft, das „aufgrund des sinkenden Kraftstoffvertriebs Umsatzeinbußen verzeichnet“, sagt Total-Sprecherin Annika Schön. Einer der Gründe sei, dass Elektroautos eher zu Hause oder am Arbeitsplatz aufgeladen werden und nicht an den Ladestationen der Tankstellen. Und so verkaufte Total jüngst sein gesamtes deutsches Netz mit 1200 Stationen an den kanadischen Shopbetreiber Couche-Tard. Vertraglich ist der Käufer jetzt nur noch fünf Jahre gebunden, auch die Kraftstoffe von Total zu verkaufen.
Wie schnell die Konzerne agieren müssen, um auch künftig mit ihren Tankstellen wirtschaftlich zu sein, lässt sich derzeit noch nicht abschließend sagen. Fakt ist: Nach einem starken Wachstum bei den Zulassungen von E-Autos in den vergangenen Jahren ist in Europa derzeit die Luft etwas raus. Das liegt vor allem an sinkenden staatlichen Förderungen und der in vielen Ländern hohen Inflation. Autoexperten gehen auch deshalb davon aus, dass auch nach dem EU-Verbrennerverbot immer noch ein Großteil der Autos auf Deutschlands Straßen mit Benzin oder Diesel unterwegs sind.